Ein Sumpf zieht am Gebirge hin…

„… verpestet alles schon Errungene…“

Kann es besser und tagesaktueller formuliert werden, als es der Dichterfürst geschrieben hat?

Wie ein Virus hält sich das braune Gedankengut in der Gesellschaft. Interessanterweise fallen diesem Gusto nicht nur kleine Geister anheim, sondern auch Akademiker und die Bildungselite.

Der gepflegte Herrenwitz über religiöse Minderheiten, historische Verlierer oder als minderwertig deklarierte Ethnien ist immer noch präsent, wie zu Kaisers Zeiten und verleitet zum „das war doch nur ein Witz“ oder „es muss doch gesagt werden dürfen“ oder „es ist nun einmal unser Kulturgut“.

Es ist aber viel perfider, subtiler, als es den Protagonisten gemeinhin vorkommt. Mit dem Lacher kommt das Mindset, mit dem Mindset die Argumente, die letztlich dem Selbstschutz eines großbürgerlichen und liberal-kapitalistischem Verhalten eine pseudomoralische Deckung gibt.

Der Sumpf ist nicht nur ein Dichterwort, keine Lautmalerei oder Illustration. Der Sumpf ist real und zieht sich am Gebirge der Macht mit allen Eckpfeilern hin, der Judikative, Legislative und Exekutive, wie Pressemitteilungen eindrucksvoll belegen.

Es ist aber nur der visuelle Eindruck, der den Sumpf braun erscheinen lässt. Das Braun ist lediglich die Deckschicht, der Textfilter für die Einfältigen, die ihre Interessen vertreten sehen wollen.

Der Sumpf ist der abgrundtiefste Egoismus im Gewand des unreglementierten Kapitalismus, die pure Gier nach Besitz und daraus resultierender Macht.

Es sind m.E. drei Eckpfeiler, die das Verhalten des Menschen bestimmen.

Aufgabe

Die Ausfüllung des Lebens mit einer Aufgabe ist eines unserer Grundbedürfnisse. Wir entziehen es unseren Arbeitslosen als Folge der Planbarkeit und Automatisierung von Abläufen, speziell für Arbeiten mit geringem Ausbildungsanspruch.

Einkommen

Das gerechte Einkommen führt zu einem Teil der Zufriedenheit, wobei es gar nicht so sehr auf die absolute Menge ankommt, sondern das Verhältnis zu den Anderen.

Dieses Verhältnis hat in der letzten Zeit ein massives Ungleichgewicht erfahren, betrachtet man die Einkommen der sogenannten Eliten.

Ego

Die eigene Einbindung in das soziale Gefüge, die Bedeutung für die Gemeinschaft gehört ebenfalls – zumindest in meinen Augen – zum Wohlfühlen des Menschen.

Gerade bei der Analyse unserer Demokratie wird deutlich, wie sehr das Ego bereits pathologische Züge angenommen hat. So verlässt ma sich nicht mehr auf die Aufwertung seiner Persönlichkeit durch die Gesellschaft in Form von Feedback, sondern erhöht sich selbst in narzisstischer Manier.

Fasst man nun die drei Hauptvariablen für das menschliche Verhalten zusammen, zeigt sich die ganze Tiefe des Sumpfes, wie ich ihn in unserer aktuellen Situation sehe.

Mangel an ausfüllenden Aufgaben muss mit Einkommen kompensiert werden, mangelndes Feedback durch Erniedrigung des Gegenübers.

Schaut man in die Geschichte finden sich gerade in der dunkelsten Epoche Deutschlands genau die Verhaltensweisen, wie ich sie aufgeführt habe.

Es ging beim Nationalsozialismus nie um den kleinen Mann, es ging um die Umverteilung von Reichtum, Erniedrigung von Menschen und puren, krankhaften Narzissmus.

Ich werde keine Namen oder Parteien benennen, das ist zum Einen gar nicht notwendig, zum Anderen möchte ich den Betreffenden durch Framing keinen Raum geben.

„… Den faulen Pfuhl auch abzuziehn,
Das Letzte wär‘ das Höchsterrungene.
Eröffn‘ ich Räume vielen Millionen,
Nicht sicher zwar, doch tätig-frei zu wohnen...“

Es treibt mir fast die Tränen in die Augen, wenn ich die Treffsicherheit des Meisters sehe. Beginnen wir, den faulen Pfuhl doch endlich zu beseitigen !

Das ist der Weisheit letzter Schluss:
Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
Der täglich sie erobern muss.
Und so verbringt, umrungen von Gefahr,
Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr.
Solch ein Gewimmel möcht‘ ich sehn,
Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.
Zum Augenblicke dürft‘ ich sagen:
Verweile doch, du bist so schön!
Es kann die Spur von meinen Erdetagen
Nicht in äonen untergehn. –
Im Vorgefühl von solchem hohen Glück
Genieß‘ ich jetzt den höchsten Augenblick.

Johann Wolfgang von Goethe, Faust II

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