Philosophie in die Politik

Schaut man sich die aktuelle Politik an, erscheint ein recht eigenwilliges Bild. Dabei meine ich nicht einmal die politischen Ausrichtungen, die sowieso gerade derzeit ein Trümmerfeld an  Meinungen und Widersprüchen darstellen.

Ich schaue einfach auf das Verhalten der aktuellen Politiker.

Opportunismus

Im Moment bekommt man immer öfter „klare Aussagen“, also wer mit wem koaliert oder auch nicht, welche Ziele sinnvoll sind oder auch nicht. Was diese Aussagen nicht sind, ist Belastbarkeit. So drehen sich die Fähnchen im Wind, getrieben von einem Opportunismus sondergleichen.

Aber was bewegt die Politiker zu ständigen Richtungswechseln?

Egoismus, Narzissmus, Macht

Es scheinen derzeit fast die stärksten Triebkräfte für die Kandidaturbereitschaft unserer „Volksvertreter“ zu sein. Nur so lassen sich ständige Diätenerhöhungen und das Fixieren des Status Quo, also das Vertagen von Entscheidungen auf die Zeit nach einer Wahl, erklären.

Nur so lässt sich erklären, warum

  • politische Rochaden nicht gewählte Personen in Ministerposten oder in bedeutungsvolle Gremien hieven,
  • des Wählers Meinung ignoriert wird,
  • die Ränge des Bundestags leer, die Sessel in noch so niederohmigen Talkshows aber so voll sind,
  • manche Gesichter von Politikern in jede Kamera grinsen und auch noch zu den unbedeutendsten Themen unqualifizierte Äußerungen absondern müssen1
  • angekündigte Rücktritte seit Jahren „ausgesessen“ werden.

Wählergunst

Stehen Wahlen an, scheinen sämtliche Entscheidungen sich rein um die Wählergunst zu drehen, wobei tagesaktuelle Themen überdurchschnittlich präsent2 stark gewichtet werden. Langfristige Themen hingegen werden meinem Eindruck nach als zu wenig stimmheischend angesehen und dementsprechend auch in die Zeit nach der Wahl platziert.

Blöde Frage – denkt ihr Politiker, wir merken das nicht?

Lobbyarbeit

Ich weiß, ich wiederhole mich. Lobbyismus versaut einem glatt den Spaß am Regieren und an der Politik.

Auch wenn die Ibiza-Affäre etwas Anderes vermuten lässt, möchte ich erst einmal nicht von einer übermäßigen Korruption in unseren Parteien3 sprechen.

Trotzdem habe ich den Eindruck, als würde der gesunde Menschenverstand für Vorstandsposten und gut dotierte Mandätchen komplett über den Haufen geworfen, in einigen Fällen sogar mit einer gewissen, öffentlichkeitswirksamen Schamlosigkeit4.

Diametralismus

Der fraktionstypische Zwang zum Diametralismus5 scheint ebenfalls typisch für das Handeln in der Politik zu sein, man muss dagegen sein, weil die anderen dafür sind oder umgekehrt.

Ich habe es in der Lokalpolitik schon gehasst, dieses Fraktionsdenken wider dem besseren Menschenverstand. Es wird über Parteilinien entschieden, nicht über Sinn und Unsinn einer Entscheidung.

Was machen wir also falsch?

Schauen wir uns doch einmal bei den Erfindern der Demokatie um.

Wurzeln der Demokratie

In Athen hat alles angefangen, zumindest laut Geschichtsschreibung und bis zu dem Zeitpunkt, wo neue Funde uns eines Besseren belehren.

Adlige Athener Beamte6 konnten sich für ein Jahr als Archonten wählen lassen, was ich mir quasi als Vorläufer des Parlaments vorstelle. Diese Einseitigkeit in der Machtverteilung brachte logischerweise Unruhen, die erst mit der Wahl von Solon 594 v. Chr. beruhigt werden konnten, indem  Rechte und Pflichten für Bürger definiert, Gesetze niedergeschrieben7 wurden und das Wahlrecht für alle eingeführt8.

Nachdem aber wieder nur die reichsten Adligen sich wählen lassen konnten, waren neue Unruhen vorprogrammiert, die erst 507 v. Chr. durch Kleisthenes beruhigt werden konnten. Die Volksversammlung wurde wieder eingeführt und alle (männlichen) Bürger rechtlich gleichgestellt.

Damit wäre das Rahmenprogramm schon einmal klar.

Philosophen in der (alten) Politik

Platon und Aristoteles beschäftigten sich mit den verschiedensten Aspekten der Philosophie, so auch Staats-, Rechtstheorie und Ethik. Ihre Schriften bildeten ein Fundament für die Politische Philosophie. Doch nicht nur das!

Philosophen wurden auch gerne in Volksvertretungen gewählt, weil sie schließlich mit ihrer Liebe zur Weisheit quasi als Garant von sinnhaften Entscheidungen angesehen wurden.

Nicht nur in Griechenland, sondern auch in der römischen Gesellschaft waren Philosophen bzw. deren Theorien im Senat gern gesehen. Stoiker, Kyniker, Epikureer – ihre Gedankenwelten waren aus dem politischen Handeln nicht wegzudenken.

Philosophie beschränkte und beschränkt sich nicht auf bestimmte Wissensgebiete sondern agiert allumfassend, querdenkend, was sie auch für mich so interessant macht.

Politiker heute

Allumfassendes Wissen von Politikern zu verlangen, wäre nicht fair. Dafür hat sich die Welt mit ihrem immer stärker ausdifferenzierenden Wissen unglaublich stark weiterentwickelt.

Schaut man aber auf aktuelle Politikerkarrieren, so sind doch derzeit relativ starke Konzentrationen auf Politikwissenschaften und die Juristerei erkennbar.

Ist aber die Konzentration auf im Wesentlichen „textgebundenes9, variables10“ Wissen wirklich ausreichend, um einen Staat in seiner Lebendigkeit, in seinen praktischen Anwendungen zu begreifen und zu lenken?

Kann ein Politikwissenschaftler die Sorgen und Nöte eines Handwerkers begreifen, ein Jurist die technischen Themen der Industrialisierung 4.0 oder  auch ein Wirtschaftswissenschaftler die Feinheiten des World Wide Web?

Streitkultur

Es ist nicht nur der in meinen Augen schmale Blickwinkel der derzeitigen Politiker, die uns das Leben schwer machen. Es ist auch eine Frage der Streitkultur, die vernünftiges, politisches Handeln erlahmen lässt.

Unter Streit verstehe ich das Darlegen verschiedener Meinungen, von mir aus auch diametral, mit Argumenten pro und kontra. Schnelles Denken vorausgesetzt stellt ein gesunder Streit eine wunderbare Möglichkeit der Erörterung von Zusammenhängen dar, aus denen neue Sichtweisen und im Idealfall ein Konsens hervorgehen. Das erfordert aber auch geistige Beweglichkeit im Rahmen persönlicher, moralischer Vorstellungen.

Fraktionsdenken und -zwang

Aktuell sehe ich versteinerte Positionen in so ziemlich allen Fraktionen.

Wie schön wäre es, wenn der Wähler seinem Kandidaten etwas auf die Finger schauen und sich dieser nicht hinter Fraktionen verstecken könnte?

Aus jeder Fraktion egal welcher Couleur kommen durchaus denkenswerte und diskussionswürdige Ideen und Anregungen. Trotzdem wird inhaltsleer nach „Verursacherprinzip11“ diskutiert und der Wähler – das Opfer jeglicher Entscheidung – komplett außen vor gelassen.

Wähler

Es ist aber der Wähler, der letztlich die Konsequenzen zielloser Diskussionen am eigenen Leibe spürend das Kreuzchen auf die Listen setzt. So unmündig, wie die Politik ihn wähnt, ist er bei weitem nicht.

Widerspricht die Politik seinem logischen Denken, wird er für die Politik unlogische Wahlergebnisse produzieren, egal ob das Kreuzchen bei den „Falschen“ zielführend ist, oder auch das Weglassen der Stimme.

Liebe zur Weisheit, Philosophie, in die Politik würde einen neuen Drive in eine verfahrene Situation bringen, in der sich jeder „Volksvertreter“ nur um das Eine zu drehen scheint, um sich selbst!

 

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