Wahlk(r)ampf

Was haben wir doch für kuriose Zeiten. Man könnte glatt lachen, wenn es nicht so übel wäre.

Die politische Zukunft Deutschlands steht auf dem Spiel – wird gesagt. Ebenso die wirtschaftliche Zukunft – wird zumindest behauptet.

Eine Auswahl zu treffen, ist zumindest keine Kleinigkeit und meine Wahlunterlagen liegen noch unausgefüllt bereit, die Kreuzchen aufzunehmen, ja wenn ich nur wüsste…

Parteien

Geht es darum, die Parteien auseinander zu klamüsern, wird es wieder mal wirklich unangenehm. Schwarz sieht sich als Wirtschaftsförderer, genau wie gelb, hat aber einen mittlerweile deutlich braunen Anstrich.

Gelb – interessanterweise die Farbe des Neides und der Missgunst – meint, wirtschaftlich Ahnung zu haben und spricht selbige allen anderen ab, was sich m.E. weder inhaltlich richtig noch moralisch korrekt darstellt.

Die Roten hat man ja noch aus der Schröder-Ära als wenig sozial im Hinterkopf und die Tiefroten zeigen sich zwar inhaltlich als durchaus sinnvoll, jedoch zutiefst missverstanden und kaum mit ausreichend politischer Tragweite ausgestattet. Das Misstrauen gegenüber der SED-Vorgängerpartei1 ist auch noch nicht ausgeräumt, obwohl sie mittlerweile schon 70% des Alters der SED in Freiheit verbracht hat. Kurios, oder?

Die Grünen haben sich von ihren Idealen schon ordentlich verabschiedet und schwimmen im Fahrwasser der Allgemeinheit, wenn auch brav gefiltert und mittlerweile fast profillos.

Macht es also überhaupt Sinn, hier eine Entscheidung zu treffen?

Personen

Schaut man in die Riege der Kanzlerkandidat(inn)en, kommt einem die Muppetshow doch absolut seriös vor, genau wie die Simpsons oder South Park. Warum können wir nicht die wählen?

Stellt sich einem sowieso die Frage, warum die Kanzlerkandidatur an den Parteien hängt?! Schauen wir doch einfach mal auf die Zahlen, wenn auch leider nur von 31.12.2019:

  • SPD: 419.340
  • CDU: 405.816
  • CSU: 139.130
  • Grüne: 96.487
  • FDP: 65.479
  • Linke: 60.862

Betrachtet man die Mitgliederzahlen der Parteien, ergibt sich, dass gerade einmal 0,65% der deutschen Bevölkerung2 bzw. 0,84% der Wahlberechtigten den Kanzlerkandidaten Laschet aus ihren Reihen „empfohlen“ haben. Die Empfehlung für Scholz kam also von 0,5% der Bürger bzw. 0,64% der Wahlberechtigten, und Baerbock nur 0,11% bzw. 0,14%.

Ganz ehrlich, meinem Demokratieverständnis entspricht diese Vorgehensweise nicht. Im Umkehrschluss bedeutet das nämlich, 99,16% der wahlberechtigten Bürger aus der Personalfindung komplett ausgeschlossen waren.

Auf die einzelnen Personen einzugehen, macht ansich keinen Sinn, weil die Grundproblematik für mich bereits darin besteht, dass es sich bei allen Kandidaten um Juristen3 handelt. Damit wäre Deutschland zwar im Falle einer juristischen Auseinandersetzung durchaus kompetent vertreten4, für die Probleme unserer Zeit, Pandemie, Umweltschutz, Digitalisierung, Cyberkriminalität, Finanz- und Steuerthemen, militärische Herausforderungen etc. haben sie in meinen Augen definitiv den falschen Abschluss.

Wäre es nicht langsam an der Zeit, mal Naturwissenschaftler, Ingenieure, Mediziner für derart wichtige Ämter einzuplanen?

Themenvielfalt

Wie gleich sie sich doch sind, die Parteien und Personen. Wichtigstes Thema – übrigens auch von den Grünen – ist die Wirtschaftspolitik. Grandios, wie sie da sich profilieren und ihre Mäntelchen in auch noch so laue Windzüge hängen. Zugegeben, die Windrichtung variiert, wenn auch nicht grundsätzlich.

Schaut man aber ins Detail, wird einem schnell klar, wohin der Hase läuft.

Wirtschaftspolitik

Eigentlich sollte man meinen, die Politik dient der Mehrheit, dem Volk. So war jedenfalls mal die Übersetzung von „demos krates“. In früheren Zeiten stellte die Politik für die Wirtschaft/Industrie ein Gegengewicht dar.

Übermäßiger Gier durch die Wirtschaft wurde durch die Politik immer wieder – und das quer durch alle Lager hinweg – Grenzen aufgezeigt. Seien wir ehrlich – ein Wirtschaftswunder hätte es mit heutigem Verhalten der Industrie nicht gegeben.

Was ich absolut nicht verstehe, ist, warum dieses Gegengewicht verloren gegangen ist, und natürlich auch wofür!

Gewinnmaximierung führt IMMER zu einer Umverteilung von Kapital, aus Umlaufvermögen wird geparktes Vermögen. Geldmittel, die für Konsum zur Verfügung standen, liegen in Aktiendepots und verhindern einen vernünftigen Handel. Aus einem breiten, finanziell solidem Mittelstand wurde akademisches Prekariat.

Interessant dabei ist, wie sehr sich zumindest Laschet und Scholz schützend vor die komplett kontraproduktive Geldsammelei stellt, ohne nur ansatzweise zu verstehen, dass das Geld an so vielen Stellen fehlt, sei es Bildung, seien es Infrastruktur.

Ebenfalls spannend ist, wie sich in der Industrie so langsam herauskristallisiert, dass Geld nachdrucken keine Option mehr ist, wenn es sich dann doch nur wieder bei Wenigen sammelt. „Tax the Rich“ ist ein Aufschrei derer, die Wirtschaft wirklich verstanden haben. Es geht nämlich nicht um „arm“ und „reich“, sondern um eine Basis für das Wirtschaften, den Handel mit Gütern, die mit dem Verlust von Umlaufvermögen ihren Wert verlieren.

Umweltpolitik

Ordentlich gekracht hat es jetzt ja schon öfter, und so braucht man über Umweltschäden eigentlich gar nicht mehr wirklich zu sprechen.

Warum handelt man nicht endlich?

Ich denke, hier kommt die selbe Dummheit zu tragen, wie sie schon in der Wirtschaftspolitik zu finden ist. Das Ignorieren der Wissenschaft ist lediglich ein Symptom, Ursache ist falsch verstandener Wirtschaftsschutz.

Würde man die Industrie für die angerichteten Schäden in Regress nehmen, wäre das Thema Umweltschutz gar nicht mehr notwendig. Die Wirtschaft selber würde schauen, nur soviel Schäden anzurichten, wie es zwingend notwendig wäre. Opportunitätskosten seien hier genannt.

Muss man als Kohlekraftwerkbetreiber vollumfänglich für die Schäden aus CO2-Erhöhung, Abholzung, Tagebaue usw. aufkommen, lohnt sich das Spiel mit dem stinkenden Feuer nicht mehr, aber so zahlt ja die Gesellschaft, sprich wir Bürger.

Gesundheitspolitik

Wie krank unser Gesundheitssystem ist, hat man gerade jetzt in der Pandemie deutlich gesehen. Gesundheit als Wirtschaftsgut, als Investment, als Dividendengarant ist eine Perversion ohne Vergleich.

Wir leisten uns aus Gründen des „Wettbewerbs“ über 100 verschiedene Krankenkassen5, bei denen die Gelder in

  • Vorstände
    • bei 3 Vorständen je Krankenkasse macht das ca.  43 Mio. € Jahresgehalt aus
  • separate Infrastrukturen
    • Verwaltungsausgaben alleine TK 2019: € 1.115.285.547,52 – 1,15 Mrd.!!!
  • Immobilien und resultierende Kosten

fließen, statt dem Menschen Gesundheit zu bescheren. Es ist unerträglich.

Wohnraum, Immobilien, Miete

Ansich müsste dieses Thema in meinen Augen wesentlich mehr Bedeutung bekommen, als es derzeit passiert. Auch hier wird von allen Parteien Protektionismus gegenüber den Besitzenden betrieben, ohne genau ins Detail zu schauen – Prinzip Gieskanne.

Spricht man vom Hauseigentümer kann sich dahinter eine Privatperson verbergen, Firmen, Stiftungen oder Konsortien, das Ganze im In- und Ausland. Das ist erst einmal nur eine einfache Übersicht. Wirklich interessant wird es, wenn man in die Größenordnungen schaut. Von der Gesamtfläche Deutschlands stehen gerade einmal 3,8% für Wohnen zur Verfügung, für Landwirtschaft sind 50,8%, für Wald sind knapp 30%.

Interessant wird diese Aufstellung, wenn man überlegt, dass 5% der landwirtschaftlichen Flächen Stilllegungsflächen, Terassen, Pufferstreifen etc. sind, sind alleine 2,54% der Fläche Deutschlands landwirtschaftlich ungenutzt, obwohl in landwirtschaftlicher Hand, also fast 70% der Wohnflächen. Eine Umwidmung von Boden, der die prekäre Wohnsituation entschärfen könnte, wäre ohne nennenswerte Einbußen für die Landwirtschaft machbar.

Sieht man natürlich die Landwirtschaft als Industrie, ist nach derzeitiger politischer Lage und Willen, besonderer Schutz erforderlich.

Ebenfalls recht spannend, sind Blicke auf die Eigentümer von Wohnraum. Alleine die Firma Vonovia besitzt eine knappe halbe Millionen Wohneinheiten, also eine Stadt wie Duisburg würde ihr quasi komplett gehören. Denkt man hier mal über das Thema „Wettbewerb“ als treibender Wirtschaftsfaktor nach, stellt sich doch glatt die Frage, was unter von der Politik unter Wettbewerb verstanden wird?!

Im Übrigen gehört Vonovia zu 7,5% der Fondsgesellschaft BlackRock. Fällt was auf? Nein, ich meine nicht Herrn Merz, sondern, dass die aus den Wohnungen erwirtschafteten Gewinne ins Ausland wegdiffundieren. Das passiert natürlich auch bei anderen Firmen, aber gerade bei kritischen Wohnsituationen hat das durchaus einen bitteren Beigeschmack.

Wohnraum als Investition ist mittlerweile eine übliche Geldanlage, wobei wir damit auch schon wieder bei der wirtschaftsfeindlichen Geldverteilung von vorhin sind. Wie sozial schädlich sich diese „Wohnraumnutzung“ auswirkt, zeigt sich immer mehr, wenn man die Stadtentwicklungen sich anschaut.

Auch wenn es für Wohlhabende schön ist, unter Ihresgleichen zu leben, das Leben erfordert auch Tätigkeiten aus den niedrigeren Einkommensbereichen. Wenn sich die Betreiber von Services das Leben vor Ort nicht mehr leisten können, wird es auch für Reiche schwierig, Pflegedienste, KiTas, Krankenhäuser oder Reinigungspersonal in Anspruch nehmen zu können.

Politik muss ein Gegengewicht zur Gewinnmaximierung darstellen, die sozialen Belange und eine gesunde Struktur in der Bevölkerung berücksichtigen. Derzeit passiert das nicht, im Gegenteil. Die Industrie wird gepampert, weil sie sich durch Lobbyismus reichlich revanchiert. Die Folgen tragen zwar zunächst die unteren Bevölkerungsschichten, früher oder später wird es aber auch die Oberen erreichen.

„An nescis, mi fili, quantilla prudentia mundus regatur?“6

Dieser Spruch zeigt, wie lange sich schon die Dummheit in der Politik gehalten hat und sich auch noch halten wird.

Wählen gehe ich trotzdem, bzw. schicke einen gültigen Wahlbrief ab.

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