Denkende Person sitzt auf einem Stein

Max Frisch – Fragebogen zur Technik

Auf Facebook wurde ich vor Kurzem mit dem Fragebogen zur Technik von Max Frisch konfrontiert, der mich sehr schnell gefesselt hat. Die gestellten Fragen sind zwar nicht immer eindeutig und klar beantwortbar, aber reizen mich als Ingenieur umsomehr. Vielleicht fühlt sich ja jemand angesprochen, die Fragen ebenfalls zu beantworten? Die Kommentarfunktion lasse ich jedenfalls eingeschaltet.

Hier also seine Fragen und meine Antworten:

  1. Sind Sie sicher, dass die Erhaltung des Menschengeschlechts, wenn Sie und alle Ihre Bekannten nicht mehr sind, Sie wirklich interessiert?
    • aus Neugier ja, jedoch nicht sinnvoll begründet.
  2. Und wenn ja: warum handeln Sie nicht anders als bisher?
    • nicht notwendig, das „Ja“ ist hypothetisch
  3. Was hat die menschliche Gesellschaft mehr verändert: eine Französische Revolution oder eine technische Erfindung, Elektronik zum Beispiel?
    • Klar die französische Revolution, kultureller Fortschritt (z.B. Rechtssicherheit durch den Code Civil) gibt erst Raum für technischen Fortschritt.
  4. Wenn Sie bedenken, was wir der technologischen Hochrüstung heute alles verdanken, allein zum Beispiel auf dem Sektor der Küchengeräte etc., finden Sie, man soll den Technologen jedenfalls dankbar sein und also auch den Verteidigungsministern, die ihnen für ihre Forschung unsere Steuern zur Verfügung stellen?
    • „verdanken“? Kein Vorteil ohne Nachteil – Convenience geht auch immer mit Vergessen einher!
    • „Dankbarkeit“ ist hier eher „Unausweichlichkeit“, frei nach Plautus „lupus est homo homini, non homo, quom qualis sit non novit.“ Gewalt und Macht sind eine besondere Triebfeder.
  5. Was möchten Sie, als Laie, nächstens erfunden haben?
    • Beamen
    • Umweltfreundliche Batteriesysteme
  6. Können Sie sich eine menschliche Existenz (das heißt: die Erste Welt) überhaupt noch vorstellen ohne Computer?
    • Ja, zumindest temporär, phasenweise
  7. Und wenn ja: packt Sie bei dieser Vorstellung das bare Grausen oder eher eine Nostalgie oder überhaupt nichts, was der Computer nicht packt?
    • Es würde die Wertschätzung in Personen und Tätigkeiten wieder anheben.
  8. Welche Geräte sind in der kurzen Zeit, seit Sie leben, auf den Markt gekommen, ohne dass seit Menschengedenken je ein Bedürfnis danach bestanden hätte (nennen Sie die Geräte ohne Angabe der Hersteller-Firma), und warum kaufen Sie diese Geräte:
    • Egal welche Geräte es auch sind, es ist eher Spieltrieb als Wirtschaftswachstum oder Reklame.
  9. Die Saurier überlebten 250 Millionen Jahre; wie stellen Sie sich ein Wirtschaftswachstum über 250 Millionen Jahre vor? (Stichworte genügen.)
    • Gar nicht, die Change auf einen „passenden Asteroiden“ wie er den Sauriern ein Ende bereitet hat, ist ausreichend groß.
  10. Wenn ein Technologe sich als apolitisch betrachtet, weil es ihm wurscht ist, welche Macht-Inhaber seine technologischen Erfindungen sich zunutze machen: was halten Sie von demselben?
    • „wurscht ist“, ist relativ. Es gab ja ein Bedürfnis, einen Grund für die Erfindung. Daher ist er vermutlich als opportunistisch zu betrachten.
  11. Gesetzt den Fall, Sie bejahen unsere vorhandene Gesellschaft, weil eine bessere nirgendwo verwirklicht ist: finden Sie, dass in einem Zeitalter der Sachzwänge, auf die sich ja die Regierenden allemal berufen, Regierungen überhaupt noch nötig sind?
    • Regierungen sollten ein Korrektiv zur Wirtschaft sein, was sie derzeit leider nicht sind (Einfluss Lobbyismus etc.).
  12. Wenn ein Zeitgenosse zwar von Laser-Strahlen schon gehört hat, aber keine Ahnung hat, was ein Laser-Strahl ist, Hand aufs Herz: können Sie, als Wissenschaftler, die Ansichten solcher Laien und deren politische Kundgebungen ernstnehmen?
    • Hier gibt es mehrere Aspekte.
  1. Hat die politische Meinung etwas mit Wissenschaft zu tun? Dann muss ich die Situation der Unwissenheit ernst nehmen.
  2. Hat die politische Meinung nichts mit Wissenschaft zu tun, ist es die Frage meines eigenen Verstandes und der Humanitas die Person wahr- und auch ernstzunehmen.
  • Nicht ernstnehmen im Sinne von „nicht berücksichtigen“ ist Hybris. Ernstnehmen im Sinne von „Beipflichten ohne eigene Evaluierung“ ist Dummheit.
  1. Glauben Sie an eine Gelehrten-Republik?
    • Nein, weil Gelehrtheit nicht zwingend für Vernunft steht, ebenso wenig wie „Laientum“ für grundsätzlich falsches Verhalten.
    • Verwendet man statt Gelehrte „Experten“, kommt mir der Spruch „Die Titanic wurde von Experten gebaut, die Arche von Laien.“ in den Kopf.
  2. Wann hat die Technologie begonnen, unsere menschliche Existenz nicht mehr zu erleichtern (was ursprünglich der Zweck von Geräten ist), sondern eine außer-menschliche Herrschaft über uns zu errichten und die Natur, die sie sich unterwirft, uns zu entwenden?
    • Annahme 1: ursprünglicher Zweck von Geräten ist Existenz zu erleichtern – sehe ich nicht so. Zweck von Gegenständen war auch immer eine Ausdrucksform, Kunst oder Herrschaftszeichen, Zugehörigkeit zu einer Peergroup.
    • Annahme 2: Technologie hat begonnen, Herrschaft über uns zu errichten – falsch. Wir haben die Bedeutung der Technologie über unsere Bedürfnisse gestellt.
    • Annahme 3: Natur unterwirft sich der Technologie – falsch. Wir unterwerfen uns der Technologie, der restlichen Natur ist Technologie komplett egal, weil sie (höchstwahrscheinlich) keine Bedeutung und keinen Nutzen aus der Technologie zieht, zu der die „nichtmenschliche“ Natur auch selbst in der Lage wäre.
    • Daher: Frage ist so nicht zu beantworten.
  3. Halten Sie die Technomanie für irreversibel? – gesetzt den Fall, dass die Katastrophe vermeidbar sein sollte.
    • Nein, erste Zeichen von Ablehnung von Technologie sind erkennbar. Typisches, wenn auch nicht zu verallgemeinerndes Beispiel: die Amischen.
  4. Können Sie sich eine Gesellschaft vorstellen, wo der Wissenschaftler haftbar ist für Verbrechen, die erst dank seiner Erfindung möglich geworden sind, eine Theokratie zum Beispiel?
    • Ja: wenn die Erfindung zum Zwecke des Verbrechens gemacht wurde.
    • Nein: wenn die Erfindung für das Verbrechen missbraucht wurde.
  5. Gesetzt den Fall, Sie bejahen nicht nur die vorhandene Gesellschaft, sondern Sie antworten mit Tränengas, wenn jemand sie in Frage stellt: fürchten Sie nicht, dass der Mensch ohne die große Utopie unweigerlich verdummt, oder fühlen Sie sich grad deswegen so postmodernwohl?
    • Weder bejahe ich die vorhandene Gesellschaft uneingeschränkt, noch antworte ich mit Tränengas – die Frage ist so also für mich nicht zu beantworten.
    • Utopie und Öffentlichkeit bedingen einander nicht zwangsläufig. Daher ist Utopie im Stillen möglich, „Verdummung“ daher nicht „unweigerlich“.
  6. Wie stehen Sie heute, angesichts der technischen Machbarkeit der Apokalypse, zu der biblischen Metapher mit dem verbotenen Apfel vom Baum der Erkenntnis: a. glauben Sie an Freiheit der Forschung? b. halten Sie es mit dem Papst, der dem Galilei verbietet, dass die Erde sich um die Sonne drehe?
    • Bibel und Papst sind theologische Aspekte. Wichtig wäre vielmehr der ethische Aspekt, der nur teilweise durch Religion abgedeckt wird. Freiheit der Forschung muss vor Hybris geschützt werden, wenn Folgen für den einzelnen Forscher zum jeweiligen Wissensstand nicht absehbar sind. Das Verbot von Forschung muss temporär erlaubt sein, jedoch regelmäßig überprüft und ggf. revidiert werden.
  7. Wenn es Ihnen um die Erfindung eines Gerätes geht, das öffentliche Lügen unmöglich macht: wen können Sie sich als Geldgeber für Ihre kühne Forschung denken?
    • Steuerbehörden
  8. Was möchten Sie nicht erfunden haben?
    • Giftgas
  9. Kommt es vor, dass eine technologische Erfindung, wenn sie einmal zur Ausführung gelangt ist, sich einer Anwendung verweigert, die nicht der Sinnesart ihrer Erfinder entspricht?
    • Öfter als man denkt, weil die Erfinder ihr Produkt selten ganz bis zuende denken und somit Spezifikationslücken auftreten, was wiederum zu Ausfällen führe kann.
  10. Können Sie sich denken, dass der menschliche Geist, den wir schulen, im Grund auf Selbstvernichtung der Spezies angelegt ist?
    • Nein, so strukturiert schulen wir nicht.
  11. Was, ausser Wunschdenken, spricht dagegen?
    • Unsere Schulungskonzepte sind nicht strukturiert und nicht stringent genug, um so viel Schaden anzurichten.
  12. Wissen Sie, was Sie zum Forschen treibt?
    • 75% Bedarf an Einkommen
    • 20% Wunsch nach Problemlösung
    • 5% Wunsch nach Berühmtheit
  13. Glauben Sie, als Wissenschaftler, an eine mündige Technologie, das heißt: an technische Forschung im Rahmen einer UNIVERSITAS HUMANITATIS, zu deutsch: glauben Sie an eine Technische Universität in Berlin?
    • Mündige Technologie kann es nicht geben, solange tiefe KI noch nicht implementiert ist.
    • Selbstverpflichtung zur Humanität ist eher Wunschgedanke, weil kommerzielle und egoistische Gründe für Forschung nicht ausgeschlossen werden können.

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