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Bauhaus und digitale Gestaltung: Parallelen in Designprinzipien

Die Designschule des Bauhauses, gegründet im frühen 20. Jahrhundert, war weit mehr als ein ästhetisches Stilphänomen. Sie war eine Haltung. Mit dem Leitsatz „Form follows function“ wurde eine radikale Vereinfachung und Funktionalität zum Maßstab für Gestaltung erhoben – ob in der Architektur, im Produktdesign oder in der Typografie. Heute, über 100 Jahre später, erleben diese Prinzipien eine neue Relevanz in der digitalen Welt: in der Software-Entwicklung, in Systemarchitekturen und insbesondere in sicherheitskritischen Bereichen.

Minimalprinzip: Von der Bauhaus-Architektur zur digitalen Technik

Das sogenannte Minimalprinzip besagt, dass mit minimalem Aufwand ein bestimmtes Ziel erreicht werden soll. Im Bauhaus manifestierte sich dies in klaren Formen, reduzierten Materialien und funktionalen Strukturen. Dieses Prinzip lässt sich erstaunlich gut auf die Technik übertragen: Auch in der Software-Entwicklung oder Systemarchitektur geht es darum, mit möglichst wenig Komplexität größtmögliche Stabilität, Wartbarkeit und Effizienz zu erreichen.

Ein System, das unnötige Funktionalitäten vermeidet, ist nicht nur einfacher zu verstehen und zu bedienen – es ist auch sicherer und robuster. In der heutigen Zeit, in der digitale Systeme hochvernetzt und permanent Bedrohungen ausgesetzt sind, wird die Rückbesinnung auf dieses Prinzip zu einem Akt digitaler Hygiene.

Security und Safety by Design: Gute Systeme entstehen aus guter Architektur

„Security by Design“ und „Safety by Design“ sind heute viel zitierte Konzepte – oft bleiben sie jedoch bloße Schlagworte. Ihre tatsächliche Umsetzung verlangt eine tiefgreifende Systemarchitektur, in der Sicherheits- und Schutzaspekte von Beginn an mitgedacht werden. Genau hier zeigt sich eine enge Verbindung zu den Bauhaus-Ideen: Statt Sicherheitslösungen aufzusetzen, werden sie strukturell verankert – als integrale Bestandteile eines funktionalen Gesamtdesigns.

Nur wenn Hardware, Software und deren Schnittstellen in einer kohärenten Architektur zusammenspielen, entstehen wirklich sichere Systeme. Dieses Prinzip gilt in der Automobilindustrie ebenso wie im Maschinenbau oder in kritischen Infrastrukturen.

Item Definition und die funktionale Vereinfachung

Mein Buch „Item Definition – Bedeutung eines unterschätzten Dokuments“ illustriert anschaulich, warum bereits auf der Ebene der Funktionsdefinition Vereinfachung notwendig ist. Die Item Definition beschreibt den Funktionsumfang eines technischen Systems – und ist damit Ausgangspunkt für alle sicherheits- und funktionsrelevanten Überlegungen. Dabei sind die Prinzipien des Buches auf jede technische Einrichtung durchaus übertragbar, vielleicht sogar darüber hinaus.

Wenn an dieser Stelle bereits Klarheit und funktionale Stringenz herrscht, reduziert sich die Komplexität in den nachgelagerten Entwicklungsschritten erheblich. Ganz im Sinne von „form follows function“ gilt: Die Form – sei es ein Softwaremodul, ein elektronisches Steuergerät oder ein User Interface – muss sich der Funktion unterordnen. Und diese Funktion muss klar, notwendig und überprüfbar sein.

Funktionszentrierung statt Feature-Zentrierung

Viele digitale Produkte kranken heute an einer Überladung durch Features. Aus der Angst, Nutzer nicht genug zu bieten, entsteht ein Funktionswildwuchs, der Systeme fehleranfälliger, schwerer bedienbar und unsicherer macht. Stattdessen braucht es eine Rückbesinnung auf funktionale Zentrierung: Was ist das Ziel? Welche Funktion ist wirklich notwendig? Welche Funktionen tragen zur Sicherheit und Stabilität bei?

Diese Fragen sind nicht nur gestalterischer, sondern auch ethischer Natur. Denn in einer digitalisierten Welt, in der Systeme autonom agieren und tief in gesellschaftliche Prozesse eingreifen, ist gute Gestaltung eine Verantwortung.

Fazit: Bauhaus als Blaupause für digitale Systemgestaltung

Die Prinzipien des Bauhauses sind aktueller denn je. In einer Welt wachsender Komplexität und zunehmender digitaler Risiken bieten sie einen Kompass für sinnvolle, sichere und nachhaltige Gestaltung. Ob in der Item Definition eines Systems, der Architektur einer Software oder dem Design eines Interfaces: Die Reduktion auf das Wesentliche, die klare Fokussierung auf Funktion und die strukturelle Verankerung von Sicherheit sind keine stilistischen Entscheidungen – sie sind notwendige Grundlagen für Technik, die Menschen dient.

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