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Leere Versprechen: Warum der Wahlkampf neue Regeln braucht

Wahlkampfzeiten sind Hochphasen der politischen Kommunikation – doch immer öfter erscheinen sie wie ein Theater voller Inszenierungen, Versprechungen und wenig Substanz. Was wäre, wenn Parteien künftig gezwungen wären, die Realisierbarkeit ihrer Versprechen offenzulegen? Der Gedanke ist ebenso einfach wie revolutionär: Politik soll nachvollziehbarer, überprüfbarer und ehrlicher werden.

Wahlversprechen – ein Spiel ohne Konsequenzen?

In den vergangenen Jahren ist ein wachsendes Misstrauen gegenüber politischen Wahlversprechen zu beobachten. Nicht selten entpuppen sich ambitionierte Ankündigungen nach der Wahl als Illusion – sei es aus finanziellen, rechtlichen oder politischen Gründen. Gerade diese Diskrepanz zwischen Versprechen und tatsächlicher Umsetzung untergräbt das Vertrauen in demokratische Prozesse.

Besonders kritisch wird dies bei radikalen oder populistischen Programmen, die mit starken Emotionen arbeiten, aber selten die strukturellen Bedingungen ihrer Realisierbarkeit benennen. In der öffentlichen Debatte fehlt es an einem Instrument, das politische Vorschläge nicht nur inhaltlich, sondern auch praktisch bewertet.

Eine neue Idee: Der Realisierbarkeits-Index für Wahlversprechen

Was, wenn Parteien verpflichtet wären, zu jedem Wahlversprechen auch eine Einschätzung der Umsetzbarkeit zu geben? Dieser „Realisierbarkeits-Index“ könnte auf einer Skala – etwa von 1 (völlig unrealistisch) bis 5 (sofort umsetzbar) – die politische, juristische und finanzielle Machbarkeit bewerten. Eine unabhängige Instanz – z.B. ein wissenschaftlicher Beirat oder ein staatlich beauftragtes Gremium – könnte diese Bewertungen prüfen und veröffentlichen.

Das Ziel: Nicht Einschränkung politischer Visionen, sondern Stärkung der politischen Ehrlichkeit und Relevanz.

Transparenz als Katalysator für eine neue politische Kultur

Ein solcher Realisierbarkeits-Check hätte weitreichende Auswirkungen:

  • Vergleichbarkeit: Wählerinnen und Wähler könnten Programme unterschiedlicher Parteien objektiver vergleichen. Politische Utopien würden sich klar von umsetzbaren Strategien abgrenzen.
  • Verantwortung: Parteien müssten sich intensiver mit der Umsetzung ihrer Forderungen auseinandersetzen – statt bloßer Rhetorik ginge es um konkrete politische Arbeit.
  • Entzauberung der Propaganda: Besonders bei Parteien wie der AfD würde deutlich, wie wenig realistisch viele ihrer Versprechen tatsächlich sind – ohne polemische Gegenargumente, sondern anhand neutraler Bewertung.
  • Grünen-Bashing entlarven: Häufig werden bestimmte Parteien – etwa die Grünen – für ihre ambitionierten Vorschläge verspottet, obwohl diese vergleichsweise hohe Umsetzungswahrscheinlichkeit haben. Ein Realisierbarkeits-Index würde zeigen, wer tatsächlich liefern kann.
  • Mediale Fokussierung auf Inhalte: Der Diskurs würde sich weg von Schlagzeilen und Skandalen hin zu Machbarkeit und Substanz verschieben.

Mehr Vorteile für Demokratie und Debattenkultur

Über die genannten Effekte hinaus könnte eine solche Regelung weitere positive Impulse setzen:

  • Polarisierung entgegenwirken: Weniger Spielraum für unrealistische Versprechungen bedeutet weniger Raum für populistische Spaltungsthemen.
  • Jugendliche und Erstwähler besser erreichen: Eine realistische Einschätzung von Politikinhalten spricht vor allem die jüngere, kritisch denkende Generation an, die nach Orientierung sucht.
  • Lernkurve für Parteien: Parteien, die sich regelmäßig mit der realen Umsetzbarkeit auseinandersetzen müssen, entwickeln langfristig fundiertere Strategien.
  • Langfristigeres Denken: Politische Maßnahmen könnten stärker im Hinblick auf ihre mittel- bis langfristige Umsetzbarkeit und Wirkung formuliert werden.
  • Qualitätswettbewerb statt Lautstärke: Wenn Machbarkeit zum Kriterium wird, verschiebt sich der Wettbewerb von der rhetorischen zur fachlichen Ebene.

Fazit: Ein kleiner Schritt mit großer Wirkung

Ein verpflichtender Realisierbarkeits-Index für Wahlversprechen würde das Vertrauen in die Politik stärken, den Diskurs sachlicher machen und Populismus entlarven. Es geht nicht darum, Visionen zu verbieten – im Gegenteil: Wer große Ideen hat, soll auch erklären, wie sie erreichbar sind. Damit Politik wieder das wird, was sie sein sollte: eine lösungsorientierte Auseinandersetzung mit der Realität.

Den Artikel findet man auch unter demokratie-retten.info.

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