Triggerwarnung gleich zu Beginn: Dieser Beitrag könnte sarkastische Spitzen, kritisches Denken und möglicherweise Spuren von gesundem Menschenverstand enthalten. Lesen auf eigene Gefahr – oder wie man heute sagt: Challenge accepted.
Ja, Triggerwarnungen sind längst mehr als Schutzmechanismen. Sie sind zur modernen Mutprobe geworden. Wer heute ein Buch liest oder eine Serie schaut, ohne vorher alle Warnhinweise durchzuarbeiten, lebt gefährlich. Denn: Nichts triggert mehr als die Möglichkeit, eventuell getriggert zu werden.
Goethe, der erste Content-Warner Europas?
Bereits Goethe wusste: Der Mensch ist empfindsam. Also setzte er ab der zweiten Auflage seines Werther eine Warnung an den Anfang. Nicht etwa, um zu zensieren – sondern um zu sensibilisieren. Heute wäre das der erste Schritt zum TikTok-Trend: „Ich lese Werther ohne Triggerwarnung – Tag 1“.
Was einst als literarisches Genie galt, würde heute wohl in BookTok-Videos mit Tränen und Trigger-Alerts verarbeitet. Natürlich unterlegt mit dramatischer Musik. Hashtag: #EmotionalChallenge.
Political Correctness als Gesellschaftssport
Wer sich politisch korrekt ausdrückt, gewinnt. Aber was genau? Aufmerksamkeit? Likes? Den wöchentlichen Integritäts-Pokal? Jedenfalls gewinnt man nichts, wenn man sich zu differenziert äußert – zu viel Graubereich, zu wenig Verwertbarkeit.
Political Correctness ist die moralische Fitbit unserer Zeit. Man zählt keine Schritte, sondern korrekte Begriffe. Und wehe, man verwendet noch das falsche Pronomen – das wäre so 2019.
Wer braucht Subtext, wenn es Fußnoten gibt?
Ironie? Doppelbödigkeit? Zwischen den Zeilen lesen? Puh, anstrengend. Da ist es doch viel einfacher, alles direkt zu sagen – oder eben gar nicht. Lieber einen Faktenlink mehr, als ein Gedanke zu viel.
Das Problem: Wer sich der Herausforderung stellt, Literatur oder Medien ohne Sicherheitsnetz zu konsumieren, ist schnell suspekt. Dabei könnte man es auch sportlich sehen: „Ich habe Kafka gelesen – ganz ohne begleitende Broschüre vom Ethikrat.“ Mutig!
Triggerwarnungen als mentale Fitnessübung
Vielleicht sollten wir Triggerwarnungen nicht länger nur als Schutz betrachten, sondern als Einladung zum persönlichen Wachstum. Eine Art intellektuelles Hochseilklettern. „Achtung, dieses Kapitel enthält Gewalt, Tod und unangenehme Wahrheiten.“ – Und der Leser so: „Challenge accepted.“
Ein neues Genre ist geboren: Literarische Selbstüberwindung. Wer ohne Triggerwarnung durch ein Kapitel kommt, darf sich abends mit einem Hafermilch-Latte belohnen – natürlich triggerfrei. Oder wie man früher sagte: „Lesen bildet.“
Faktencheck: Optional oder Pflichtmodul?
Besonders absurd wird es, wenn der moralische Kompass den wissenschaftlichen ersetzt. Da gilt dann: „Ich fühle, also habe ich recht.“ Fakten? Nur relevant, wenn sie ins Weltbild passen. Vielleicht braucht es tatsächlich einen verpflichtenden Faktencheck-Button: „Diese Meinung wurde nicht auf empirischer Basis erstellt. Möchten Sie fortfahren?“
Oder besser: direkt eine Triggerwarnung vor dem Faktencheck – denn der könnte unangenehme Erkenntnisse enthalten.
Fazit: Sensibel, aber bitte mit Humor
Natürlich ist Rücksicht wichtig. Aber sie darf nicht zur Selbstverzwergung führen. Triggerwarnungen können hilfreich sein – wenn sie uns nicht gleichzeitig daran hindern, uns mit der Realität auseinanderzusetzen. Oder schlimmer: mit uns selbst.
Vielleicht brauchen wir weniger moralisches Micromanagement – und mehr Vertrauen in unsere Urteilsfähigkeit. Denn wer jeden Impuls dämpft, stumpft irgendwann ab. Und wer jedes Wort vorsichtig abwägt, sagt bald nichts mehr. Außer vielleicht: „Triggerwarnung: Dieser Satz könnte einen Gedanken enthalten.“