a number of owls are sitting on a wire

„The hottest shit ever…“

Jaja, es war mal wieder ein Podcast, der mich zu diesem Beitrag „inspiriert“ hat, Johannes Ceh im Interview mit Ina Behrendt zum Thema „Kreativität und Technologie“.

Der Beitrag ist bereits ein paar Tage alt und ich habe ihn mehrfach angehört, weil ich mir nicht sicher war, ob ich ihn richtig verstanden habe.

Nun möchte ich von mir nicht behaupten, dass ich schwer von Begriff bin, aber die hier präsentierten Denkmuster kamen mir einerseits wunderbar bekannt vor, andererseits – tja, genau definieren kann ich es gar nicht.

Kreativität und Technologie – ein wirklich interessantes Thema, für das Johannes Ceh ein absolut treffendes Gespür beweist. Digitale Kernthemen sind halt sein Ding!

Was ist Kreativität?

„Kreativität ist die Fähigkeit, etwas zu erschaffen, was neu oder originell und dabei nützlich oder brauchbar ist.“ So formuliert es Wikipedia, sicherlich nicht die wissenschaftlichste Anlaufstelle für Informationen aber in diesem Fall durchaus brauchbar.

Zerlegen wir den Satz doch ein kleines bisschen.

Fähigkeit

Kreativität ist eine Fähigkeit. Fähigkeiten werden in der Philosophie als Vermögen bezeichnet, als Eigenschaft einer Substanz, in sich selbst oder in etwas anderem Veränderungen herbeiführen zu können. So sieht es z.B. Aristoteles. Was hier so sperrig als Substanz beschrieben wird, sind wir Menschen.

Wie schaut es nun aber mit der Verteilung von Fähigkeiten bei Menschen aus?

Aus meiner Sicht sind alle für das Leben erforderlichen Fähigkeiten bei alle Menschen angelegt, was uns unterscheidet, ist die Ausprägung.

Schöpfung

Wie herrlich großartig und gedanklich vorbelegt dieser Begriff doch ist – stellt er bei Licht gesehen doch eigentlich nur eine Form des Schaffens, des Erschaffens dar. Dass die Assoziation mit dem Göttlichen sich in die Gedanken schummelt, liegt vermutlich an der kulturellen Prägung durch die Buch-Religionen, in denen die sieben Tage des Erschaffens von Himmel und Erde in der Genesis hinreichend beschrieben wurden.

Im Englischen wird von „The Creation“ gesprochen, was vom Wortstamm eigentlich recht nah an der „creativity“ hängt. Ist es also nur eine Frage unserer Sprache, dass wir zwischen dem Erschaffen und der Kreativität unterscheiden? Macht es überhaupt Sinn?

Die Differenzierung zwischen Erschaffen und Kreativität führt m.E. zu einer Fehlbewertung des Erschaffens als Solches. Jeder Mensch erschafft, jeder Mensch ist ein „creator“ und besitzt somit die Fähigkeit der „creativity“, als der Kreativität.

In der Definition nach Wikipedia wird davon gesprochen, etwas zu erschaffen was neu oder originell und dabei nützlich oder brauchbar ist.

Neu oder originell

Gerade im Technologiesektor wird mit dem Superlativ „neu“ gerne hausieren gegangen. Leicht abstrahiert kann das „neu“ aber schnell als „alter Hut“ identifiziert werden.

Was bedeutet neu? Ich sehe hier zwei Ansätze: neu im Sinne von „noch nie dagewesen in seiner Erscheinung oder/und Funktion, bzw. neu im Sinne von frisch reproduziert.

Ich will den Technologiesektor nicht schlecht machen, nur die „Neuheiten“ als das herausstellen, was sie sind. In den allermeisten Fällen handelt es sich um Reproduktionen bekannter Technologien mit einem bisher so noch nicht dagewesenen bzw. abgewandelten Design.

Das ist keineswegs abwertend, sondern soll im Gegenteil die eigentlichen Erfinder aus vergangenen Zeiten aufwerten. Bestes Beispiel – eine Fahrzeugplattform mit Radmotoren – von einem Startup gepriesen als Neuigkeit. Schaut man dagegen in die Vergangenheit findet man den Lohner Porsche aus dem Jahr 1900, der ebenfalls bereits mit Nabenmotoren ausgerüstet war.

Wirklich neu sind nur wenige Dinge.

Wie schaut es mit „originell“ aus? Ich denke, hier sind wir schon richtiger, was die Interpretation des Kreativitätsbegriffes in seiner aktuellen Verwendung betrifft.

Hier findet man durchaus Unerwartetes und Denkwürdiges. Verbindungen von vormals vermeintlich nicht zusammengehörenden Technologien sind aber oft „nur“ eine logische Konsequenz, eine Frage der technischen Evolution, so z.B. Navigation im Auto, die sich zur Medienzentrale verändert. Das ist „nur“ das Kombinieren vom klassischen Auto mit Funktionsumfängen eines Smartphones. That’s it.

Nützlich oder brauchbar

Hier können sich die Geister trefflich streiten. Ich sehe es auch ehrlich gesagt nicht als Notwendigkeit für Kreativität. Wie nützlich oder brauchbar ist die Figur des David von Michelangelo – kreativ ist sie auf jeden Fall, da sie bisherige Denkmuster durchbrach. Gleiches gilt für die Malerei eines Vincent van Gogh, der mit Konventionen brach, Picasso, Dali u.s.w. Nützlich und brauchbar? Das sei einmal dahingestellt.

Interview

Kommen wir aber zurück zum Interview.

Mit einem jetzt etwas detaillierteren Wissen um Kreativität kann man sich an ein paar Aussagen aus dem Podcast heranwagen.

Kreativität als Fachrichtung. Kreativberufe. Heißt das im Umkehrschluss, dass alle, die nicht in diesen Berufen arbeiten, unkreativ sind?

Mir kommt es so vor, als würde hier mit einer Art „self-fulfilling prophecy“ die Berechtigungsgrundlage für entsprechende Fachrichtungen und Berufe geschaffen. Das ist Marketing.

Wenn man etwas oft genug gesagt bekommt, fängt man an, es zu glauben. Ingenieure sind für die Technik da, Kreativität machen Andere. Das Ergebnis sehen wir in aller Deutlichkeit, wenn man hinschauen will. Ideenlosigkeit auf ganzer Breite, weil man Ingenieuren die gedankliche Freiheit des Spielens, des Experimentierens und der Kreativität genommen hat. Ihr Ingenieure seid ja „nur“ für die Technik dahinter zuständig.

Ist denn aber nun die Kreativität der Kreativberufe wirklich das, was sie vorgeben zu sein?

Sogenannte Kreativberufe bedienen nur ein ganz schmales Band an Dienstleistungen und Produkten. Dabei setzen sie im Wesentlichen auf das Originelle, den Show-Effekt, wobei sie sich von der Technik unterstützen lassen, was auch völlig legitim ist.

Bandbreite Technologie

Das bedeutet aber auch, dass die im Interview aufgestellten Aussagen von Frau Behrendt sich lediglich auf diesen kleinen Anwendungsbereich beziehen und Technologie in seiner Fülle und Bandbreite mitnichten widerspiegeln. „The hottest shit ever…“ – eine Formulierung von Frau Behrendt, bei der ich mir ein Grinsen nicht verkneifen konnte – bezieht sich also auf einen winzigen Aspekt im Technologiegeschehen.

Natürlich habe auch ich nur einen begrenzten Blick auf das Technologiegeschehen, Automobilindustrie berufs- und interessenbedingt, Multimedia, Webanwendungen, Big Data, KI aus Neugier heraus, dazu etwas Science-Tech1 – das ist mein kleines Raster an Einflüssen auf meine Denkweisen.

Damit dürfte ich aber schon Technologie recht gut erfasst haben.

Wissensvermittlung für Kreativität

Jeder Beruf hat und braucht Kreativität, ob wir es nun so nennen wollen oder nicht. Dabei werden die kreativen Anteile am Schaffensprozess oft nur von Fachleuten überhaupt erfasst und gewürdigt. Das ist schade.

Was wir anfangen sollten, ist, Kreativität für jede Disziplin als Fach einzurichten und die Bedeutung des Schaffens von Neuem, Originellem und damit auch das Selbstbewusstsein der Ausführenden zu heben.

Unterrichtsfach Kreativität

Was Inhalt eines Fachs Kreativität wäre? In meine Augen gibt es mehrere Aspekte, die (wieder-) vermittelt werden müssen.

Da wäre zunächst die grenzenlose Neugier. Als Kind hat man sie noch, im Laufe der Zeit scheint es, dass manche Menschen sie wieder verlieren. In vielen Fällen behält man einen berufsbedingten Rest an Neugier noch übrig, für wirklich innovatives Arbeiten reicht das aber oft nicht.

Es muss zum Tagesgeschäft gehören, in einem breiten Spektrum sich über Neuigkeiten zu informieren und zu lernen, Querverbindungen zum eigenen Metier zu ziehen.

Freies Brainstorming unter Einbeziehung aller Möglichkeiten muss in Fleisch und Blut übergehen, und dabei auch die gedankliche Freiheit für Abstrusitäten und kindliches Experimentieren zuzulassen. Letztlich ist es das, was in Werbe- und Designagenturen gelebt und gern auch nach Außen kommuniziert wird.

Eine inhaltlich ungehemmte Kommunikation und eine Fehlerkultur2 ohne Fingerpointing aber mit der Chance des Lernens sollten ebenfalls Inhalt eines Unterrichtsfaches „Kreativität“ sein.

Zur Kommunikation gehörten aber auch Aspekte, wie das Formulieren von Funktionsbeschreibungen auf einem ganz abstrakten Niveau sowie deren Zerlegung in Teilfunktionen, auf deren Basis die Ideen in Technologie übersetzt und umgesetzt werden können.

Kreativität und Profession

Profis bauten die Titanic, ein Amateur die Arche – die gedankliche Verknüpfung von Kreativität mit einer Profession sollte schleunigst aufgehoben werden. Es gibt nichts, was Menschen mehr demütigt, als die eigene Kreativität wegen angeblich fehlender Profession herabgewürdigt zu erleben. Und nein, es ist kein Zufallstreffer, wenn Menschen ohne eine spezifische Ausbildung zum Heureka-Moment kommen. Melitta Bentz hat als Hausfrau und Mutter den Kaffeefilter erfunden, ein hoch kreativer Akt!

Ebenso gibt es nichts Enttäuschenderes, als wenn von sogenannten oder schlimmer noch selbsternannten Professionals und Experten mit großen Namen und teuren Ausbildungen nur halbseidene, letztlich unkreative Ergebnisse abgeliefert werden.

Profession schließt Kreativität weder ein noch aus.

Der Podcast hat mir wieder einmal gezeigt, dass es durchaus wichtig ist, seine Ansichten ausreichend abzugrenzen. Gerade ein Thema wie Kreativität hat weder etwas mit der Ausbildung, der Herkunft oder Erfahrung im In- und Ausland zu tun, sondern lediglich kindlicher Neugier und Angstfreiheit vor vermeintlichen Blamagen.

So gern und so oft Techologie durch Digitalisierung als Buzzword eingesetzt wird, die Grundlagen sind nichts wirklich neues, lediglich die Möglichkeiten durch schnellere Computer und eine logische, technische Evolution. Revolutionen sehen anders aus, und die kamen oft nicht von Technikern sondern visionären Literaten, wie J. Verne, G. Orwell & Co. Mit ihren Beschreibungen haben sie Ingenieure und Techniker angestachelt, deren Phantasien umzusetzen.

Kreativität geschieht oft im Kleinen, im stillen Kämmerlein und viel öfter, als man glaubt. Daher gehört eine gehörige Prise Demut ob der vielen, kreativen Menschen und seines eigenen, kleinen Beitrags zum Ganzen ebenfalls dazu.

 

 

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