a number of owls are sitting on a wire

Träumt jemand von der Ewigkeit?

Mir ist aufgefallen, dass ich lange nichts getriggert durch Podcasts geschrieben habe. Nun, ich höre sie immer noch und liebe den Input, den man so quasi nebenbei beim Autofahren oder Einkaufen bekommt. Die Themen sind ja vielfältig(st) und betreffen so ziemlich jede Lebenslage, Interessen oder Hobbys.

Sehr spannend finde ich immer wieder die Hintergründe zu Liedern, die sich so auf meiner Playliste finden. Die ARD-Mediathek bietet hier „Die größten Hits und ihre Geschichte“.

Es ist eines der Lieder, das mich etwas nachdenklich werden lässt, meine grauen Zellen auf Reisen schickt, Ziel (fast) unbekannt.

Я был в Ленинграде в 1989 году. В то время я был учеником и видел чудесный город.1

Pracht

Leningrad war damals eine Stadt zaristischer Größe und Pracht, geprägt vom Verschleiß und der Ignoranz durch den Sozialismus, im Spannungsbogen zwischen weitläufiger Pracht und Armut auf engstem Raum. Es waren nicht die ersten Schlösser, die ich gesehen hatte und trotzdem kam mir gerade im Angesicht dieser überbordenden Pracht schon damals der Gedanke, wofür das Ganze? Immerhin, hier hatte sich Reichtum materialisiert, in Mamor, Stuck, Spiegeln, Glas und Unmengen an Gold.

Schweife ich ab? Ein bisschen, aber dieses Lied lädt mich ja förmlich dazu ein.

Schicksal(e)

Mein Englisch erlaubt mir immer nur Fragmente im Lied zu übersetzen. Deutlich verstanden habe ich aber: „Victor was born
the spring of ′44“, eine Jahreszahl, die bei mir eine gewisse Assoziation weckt. 1943 war das Geburtsjahr meiner Mutter, auf die ich nun schon mittlerweile 10 Jahre verzichten muss.

Die Geschichte von Victor, der seinen Vater durch die Kriegswirren nie kennengelernt hatte, ist tragisch genug, zeugt aber vom Lebenswillen der Menschen. Viktors weg zum Clown2 war holprig, aber zeugt vom Mut, immer weiterzumachen, egal was kommt.

Vertrieben aus der Heimat im Sudetenland, war der Weg meiner Familie wie der von 2,5 bis 3 Millionen anderen Deutschen ebenfalls mehr als holprig, zwischen bitterster Armut, Ausgrenzung, harter Arbeit, aber auch immer Lebenswillen.

Billy Joels Lied gibt mir verschiedene Stränge zum Denken auf, zum Nachdenken, manchmal auch mit einer Träne im Auge. Aber noch sind die Stränge nicht verbunden.

Gier

Leningrads Glanz ist auferstanden, hat wieder frische Farben an die Mauern der Palais bekommen Neue Tempel und Kathedralen sind dazugekommen, auch wenn sie nicht mehr Gott zur Ehre errichtet wurden, sondern den goldenen Kälbern des Konsums, der Macht und des Mammon.

Leningrad hat sogar einen neuen Zaren, der sogar die Ignoranz der Romanows gegenüber der immer stärker verarmenden Bevölkerung in den Schatten stellt. Diesem neuen Zar wird ein Privatvermögen zugesprochen, das jeglicher Vorstellungskraft entbehrt. Von Milliarden-Vermögen ist die Rede.

Zeitgleich zu dem politischen Milliardär fordert ein Tech-Milliardär ein Gehalt von über 50 Milliarden US-Dollar.

Aber jetzt mal Spaß beiseite – was sind Milliarden in der Hand von ein paar Privatleuten? Was gibt es noch für einen Mehrwert? Gibt es etwas, was man sich mit weniger Geld nicht mehr leisten könnte? Welche medizinische Behandlung könnte man sich mit einem Bruchteil des Geldes nicht mehr leisten? Sind die Zahlen nicht nur noch Zeichen auf Displays, die fröhlich vor sich hinflackern?

Vermächtnis

Ein Betrachtungsstrang ist noch nicht verwoben, die Erinnerung an meine Mutter, an meine Familie. Ich war dabei, als meine Mutter ihre letzten Atemzüge tat, der Glanz aus den Augen, die Farbe aus dem Gesicht verschwand, und mit dem Lebensfaden auch jeglicher Besitz aus den Fingern rann.

Was von ihr, von meinen Vorfahren bleibt, ist die Erinnerung, ein paar Fotos, Anekdoten, Jahreszahlen auf Grabsteinen und letztlich ich mit meiner Familie.

Was bleibt Putin, Musk, Trump, Bezos & Co., wenn deren Zeit abgelaufen ist? Wird das Sterben einfacher? Werden ein paar gute Erinnerungen zurückbleiben oder nur Biographien narzisstischer Geldsammler, Lügner, Kriegstreiber oder vielleicht sogar Mörder?

Manchmal gehen Gedanken schon sehr eigenwillige Wege, aber vielleicht ergeben die Stränge ja doch ein Seil, an dem man sich in schweren Zeiten hochziehen kann und keinen gordischen Knoten.