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Innovierst du noch oder regulierst du schon?

Warum fachfremde Regulatorik die besten Innovationen ausbremst – und was wir dagegen tun können

Innovation ist der Motor des Fortschritts. In spezialisierten Laboren, Werkstätten und Büros aber auch Garagen und Hinterhöfen entstehen bahnbrechende Ideen, die Probleme lösen und die Welt voranbringen sollen.

Doch immer häufiger stoßen diese Innovationen an eine unsichtbare Barriere: Regulatorik. Nicht, weil Regeln an sich falsch wären – Sicherheit, Fairness und Nachhaltigkeit sind essenziell. Aber wenn fachfremde Regulatorik auf fachgetriebene Innovation trifft, kommt es zu einer gefährlichen Bremswirkung.

In vielen Branchen müssen Unternehmen Regeln einhalten, die mit ihrem Kerngeschäft kaum etwas zu tun haben.

Ein typisches Beispiel ist die DSGVO, die etwa Handwerksbetriebe betrifft, weil sie eine Website betreiben – unabhängig davon, wie minimal deren Datenverarbeitung ist. Diese Regelwerke werden oft von Juristen verfasst, die weder fundierte Kenntnisse in IT und Cybersecurity noch in der praktischen Umsetzung der Vorgaben haben.

Die Folge ist, dass die Regeln häufig so komplex und undurchsichtig gestaltet sind, dass sie weder von den Anwendern noch von den Kontrollinstanzen vollständig verstanden werden. Dennoch wird erwartet, dass sie lückenlos eingehalten werden.

Um den Druck zu erhöhen, sind Verstöße oft mit empfindlichen Strafen verbunden, die in ihrer Härte teilweise völlig unrealistisch erscheinen. Dies führt zu einer Situation, in der Unternehmen viel Zeit und Ressourcen in die Einhaltung von Vorschriften investieren müssen, ohne dass dies einen echten Mehrwert für ihr Kerngeschäft schafft.

Das Ergebnis ist ein Flickenteppich aus Vorschriften, der Innovation nicht fördert, sondern behindert.

Die Realität: Fachfremde Regulatorik trifft auf spezialisierte Innovation

Stellen wir uns vor, ein Team aus Biotechnologen entwickelt eine revolutionäre Methode zur Genbearbeitung, die Krankheiten heilen könnte. Doch bevor die Technologie den Patienten erreicht, müssen die Forscher regulatorische Hürden überwinden, die von Menschen gestaltet wurden, die weder Biologie studiert noch jemals ein Labor von innen gesehen haben.

Oder denken wir an die IT-Welt: Entwickler revolutionieren die Datenverarbeitung mit neuen KI-Algorithmen, doch die Vorschriften verlangen Sicherheitsmaßnahmen, die technisch nicht umsetzbar sind oder die Innovation in ihrer Funktionalität massiv einschränken.

Das Problem ist nicht, dass Regeln existieren – sie sind nötig. Doch wenn diese Regeln fachfremd sind, entstehen zwei zentrale Herausforderungen:

  • Regeln, die praxisfern sind: Sie berücksichtigen nicht die technischen Realitäten oder den Entwicklungsprozess der jeweiligen Innovation.
  • Regeln, die Innovationszeit fressen: Entwickler und Fachspezialisten müssen sich mit Regulierungen beschäftigen, die nicht in ihrer Kernkompetenz liegen, und verlieren dadurch wertvolle Zeit für ihre eigentliche Arbeit.

Zeitbudget und Kernkompetenzen: Der Innovationskiller Bürokratie

Regulatorik frisst Zeit. Jede Stunde, die ein Biotechnologe mit dem Ausfüllen von Formularen verbringt, in denen er gentechnische Risiken erklären soll, die längst wissenschaftlich entkräftet sind, ist eine Stunde weniger für die Entwicklung neuer Therapien.

Jede Stunde, die ein IT-Spezialist darauf verwendet, Datenschutzkonzepte zu erstellen, die nicht einmal auf seine Technologie passen, ist eine Stunde weniger für die Verbesserung seiner Algorithmen.

Der Zwang, regulatorische Anforderungen zu erfüllen, die oft nicht auf die Realität des Fachgebiets abgestimmt sind, führt zu einem weiteren Problem: Die besten Köpfe werden gezwungen, sich mit Aufgaben zu beschäftigen, die nicht in ihrem Fachgebiet liegen.

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass diese Regeln nicht aus dem Nichts entstanden sind. Sie haben ihre Berechtigung und sind meist das Ergebnis von negativen Vorfällen oder Krisen, die eine Reaktion erforderten.

Oft wurden sie als Reaktion auf Missstände eingeführt, um ähnliche Probleme in der Zukunft zu verhindern. Doch während sie einen wichtigen Zweck erfüllen, führen sie in ihrer aktuellen Form oft dazu, dass Experten ihre Zeit auf Aufgaben verwenden, die nicht zu ihren Kernkompetenzen gehören.

Das Resultat? Kernkompetenzen werden ermüdet. Hochspezialisierte Experten verlieren ihre kreative Energie, weil sie sich mit fachfremden Anforderungen auseinandersetzen müssen, die weder für die Innovation noch für die Gesellschaft einen echten Mehrwert schaffen.

Wie lösen wir das Problem?

1. Fachspezifische Regulatorik durch interdisziplinäre Zusammenarbeit

Regeln dürfen nicht im Elfenbeinturm entstehen. Stattdessen braucht es interdisziplinäre Teams, in denen Fachspezialisten mit Regulatoren aus der aktiven Praxis heraus1 zusammenarbeiten. Diese Teams könnten sicherstellen, dass Regulierungen praxisnah und umsetzbar sind, ohne die Innovationskraft auszubremsen.

Ein Beispiel: In der IT könnten Entwickler, Datenschützer und Juristen gemeinsam Sicherheitsstandards definieren, die sowohl technisch realisierbar als auch rechtlich sinnvoll sind.

2. Sandboxes für Innovationen

Ein bewährtes Konzept aus der Fintech-Welt ist die regulatorische Sandbox: Unternehmen dürfen innerhalb eines begrenzten Rahmens experimentieren, ohne sofort alle regulatorischen Anforderungen erfüllen zu müssen.

Warum nicht auch in anderen Bereichen? Biotechnologie, Medizintechnik oder KI könnten von solchen Testumgebungen profitieren, in denen Innovationen unter realen Bedingungen geprüft werden, bevor sie endgültig reguliert werden.

3. Vereinfachung und Modularisierung von Regulierungen

Regulatorische Anforderungen sollten so gestaltet sein, dass sie für Fachspezialisten verständlich und umsetzbar sind. Das bedeutet:

  • Standardisierte Vorlagen2: Statt komplexer Antragsprozesse könnten modular aufgebaute Formulare entwickelt werden, die sich an den spezifischen Anforderungen des jeweiligen Fachgebiets orientieren.
  • Klare Ansprechpartner: Regulierungsbehörden sollten Fachspezialisten als direkte Ansprechpartner bereitstellen, die nicht nur rechtliche, sondern auch technische Fragen klären können.

4. Bildung und Übersetzung als Schlüssel

Regulatoren müssen die Grundlagen der Technologien verstehen, die sie regulieren.

Gleichzeitig sollten Fachspezialisten in grundlegenden regulatorischen Prinzipien geschult werden. Hier könnten spezialisierte Übersetzer eine Schlüsselrolle spielen – Experten, die sowohl die Sprache der Technik als auch die der Regulatorik sprechen.

Künstliche Intelligenz könnte hier sogar ein positiver Faktor bei der Umsetzung darstellen!

5. Agile Regulierungsprozesse

Regulatorik sollte nicht in Stein gemeißelt sein. Stattdessen könnten agile Prozesse eingeführt werden, die es ermöglichen, Regeln schnell an neue Entwicklungen anzupassen. Feedback-Schleifen mit Fachspezialisten könnten dabei helfen, unnötige Bürokratie zu vermeiden und die Regeln praxisnah zu halten.

Fazit: Fachfremde Regulatorik – die unsichtbare Innovationsbremse

Die größte Gefahr für Innovation ist nicht der Mangel an Ideen, sondern der Mangel an Zeit und Energie, diese umzusetzen. Fachfremde Regulatorik raubt den besten Köpfen genau diese Ressourcen, weil sie mit Anforderungen konfrontiert werden, die nichts mit ihrem Fachgebiet zu tun haben.

Es ist an der Zeit, Regulatorik neu zu denken: interdisziplinär, praxisnah und flexibel. Nur so können wir sicherstellen, dass Regeln Innovationen nicht ausbremsen, sondern fördern. Denn die Frage ist nicht, ob wir regulieren – sondern wie wir es schaffen, dass Regulatorik und Innovation Hand in Hand gehen. Die Zukunft wartet nicht – und wir sollten sie auch nicht länger warten lassen.

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