Wenn man sich die aktuellen politischen Entwicklungen ansieht, drängt sich eine unbequeme Frage auf: Wie weit ist die sogenannte „Führungselite“ der Parteien eigentlich noch mit ihrer Basis verbunden? Die Antwort scheint ernüchternd.
Beispiel CDU/CSU: Abgehoben und realitätsfern
Nehmen wir die CDU/CSU als Beispiel. Eine Partei, die sich gerne als „Volkspartei“ inszeniert, aber deren Führungsriege mit beeindruckender Regelmäßigkeit realitätsferne Entscheidungen trifft. Da werden Personen1 in Spitzenpositionen gehievt, die nicht einmal ansatzweise die Qualifikation oder das Vertrauen der eigenen Anhänger genießen. Politik wird gemacht, als wäre das Volk ein zu ignorierender Störfaktor. Entscheidungen entstehen in abgeschotteten Hinterzimmern, gestützt von Beraterkreisen, die genauso weit von der Realität entfernt sind wie die Entscheidungsträger selbst. Homophilie vom Feinsten!
Wo bleibt der Aufschrei der Basis?
Man könnte annehmen, dass die Basis irgendwann die Geduld verliert. Aber wo bleibt der Aufschrei? Warum erheben sich in CDU und FDP keine entschlossenen Stimmen gegen die Entkopplung der Führung von der Basis? Ist der Parteiapparat inzwischen so erstarrt, dass Widerspruch nur noch in Hinterzimmern geflüstert wird? Oder ist es schlicht die Angst vor dem Karriereende, die selbst klardenkende Politiker daran hindert, offen Kritik zu üben?
Die Folgen: Entkopplung und Vertrauensverlust
Die Gefahr ist klar: Eine Führung, die sich ausschließlich um ihre eigene Machtsicherung kümmert und nicht mehr um die Interessen ihrer Anhänger, wird irgendwann nur noch sich selbst repräsentieren. Und dann ist es mit der Volkspartei schneller vorbei, als ihre Protagonisten „erneuern“ sagen können.
AfD als Profiteur der Krise
Die Leidtragenden dieser Entwicklung sind nicht nur die Altparteien selbst. Die AfD profitiert massiv von dieser Entkopplung der Führungseliten von der Basis. Denn dort, wo die etablierten Parteien ihre eigenen Mitglieder und Wähler nicht mehr ernst nehmen, bietet sich die AfD als vermeintliches Sprachrohr der Unzufriedenen an. Die Parteispitze der AfD versteht es geschickt, die Frustration der Menschen für sich zu nutzen, während CDU, CSU und FDP in internen Machtspielchen verstrickt sind.
Das Resultat? Ein schleichender Vertrauensverlust in die etablierte Politik, der sich immer stärker in Wahlergebnissen widerspiegelt. Während CDU und FDP sich in internen Querelen und inhaltsleeren Phrasen verlieren, kann die AfD als „Anti-Establishment-Partei“ punkten – obwohl ihre eigene Politik alles andere als volksnah ist.
Politikberatung: Kritische Reflexion oder Gefälligkeitsgutachten?
Doch auch die Rolle der Politikberatung muss in diesem Kontext kritisch hinterfragt werden: Ist eine konstruktive Beratung überhaupt noch möglich? Studien zeigen, dass Politikberatung in vielen Fällen eher darauf ausgelegt ist, den politischen Entscheidungsträgern nach dem Mund zu reden, anstatt eine kritische Reflexion anzuregen.
Die Schattenseiten der Politikberatung
Lobbyismus ist dabei ein entscheidender Faktor. Experten wie Thomas Leif argumentieren, dass Politikberatung oft als Einfallstor für wirtschaftliche Interessen dient und Berater nicht selten in Abhängigkeitsverhältnissen stehen. Zudem nutzen politische Akteure Beratung vorrangig für die Legitimation ihrer eigenen Agenda, statt sich mit alternativen Szenarien auseinanderzusetzen.
Hinzu kommt, dass Expertenmeinungen in Ministerien oft nur oberflächlich wahrgenommen werden – umfangreiche Berichte erhalten nur wenige Stunden Aufmerksamkeit. Und wenn wissenschaftliche Einschätzungen nicht zur politischen Linie passen, werden sie häufig schlichtweg ignoriert. Dies führt zu einer Politisierung der Wissenschaft, in der Berater zunehmend bestrebt sind, Gefälligkeitsgutachten zu liefern, um nicht in Ungnade zu fallen.
Was muss sich ändern?
Diese problematische Wechselwirkung zwischen Politik und Beratung trägt weiter zur Entkopplung der Führungseliten von der Basis bei, da sie keine echten Debatten mehr fördert, sondern bestehende Machtstrukturen stabilisiert. Wenn die Altparteien nicht bald einen ehrlichen und tiefgreifenden Diskurs mit ihrer Basis führen und unabhängige Beratung zulassen, könnte die Entkopplung unumkehrbar werden. Und dann dürfte die politische Landschaft Deutschlands schon bald ganz anders aussehen.