Politiker lieben Narrative. Sie sind das Werkzeug der Wahl, um komplexe Sachverhalte auf ein verdauliches Häppchen zu reduzieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um die „Zeitenwende“, den „Klimanotstand“ oder die „Digitalisierungswelle“ handelt – Hauptsache, es klingt markant. Doch genau hier liegt die Krux: Narrative sind wie billige Tapete. Sie sehen auf den ersten Blick hübsch aus, doch wehe, jemand kratzt daran.
Ein prominentes Risiko liegt in der Faktencheck-Falle. Wer ein Narrativ ausrollt, das auf wackeligen oder gar falschen Behauptungen basiert, setzt sich in unserer datengetriebenen Welt einer gnadenlosen Demontage aus. Denn Journalisten, Aktivisten und ganz normale Bürger können heute mit wenigen Klicks ganze Aussagen entkräften. Und wenn die Statistiken ein anderes Bild zeichnen als der Politiker auf der Bühne, fällt das Kartenhaus schneller zusammen, als man „Fake News!“ rufen kann.
Hinzu kommt die Gefahr der Selbstüberhöhung. Viele Politiker fangen an, ihre eigenen Narrative zu glauben. Das ist bequem, weil es Zweifel und Unsicherheit ausschließt. Doch wenn man sich in der Rolle des Retters der Nation zu wohlfühlt, vergisst man, dass die Realität ein unangenehmer Widersacher ist. Sobald das Publikum merkt, dass die gepriesene „Transformationsstrategie“ nur eine Ansammlung von leeren Schlagworten ist, kippt die Stimmung.
Ein weiteres Risiko ist die Kognitive Dissonanz im Publikum. Wenn Narrative mit der Wirklichkeit kollidieren, entstehen Spannungen – und zwar nicht nur bei den Wählern, sondern auch innerhalb der Unterstützerbasis. Ein gutes Beispiel: Das Versprechen, die Digitalisierung werde den Mittelstand retten, mag großartig klingen. Doch wenn kleine Unternehmen sich mit Bürokratie, unsinnigen Vorschriften und fehleranfälliger Software herumschlagen müssen, wirkt das Narrativ schnell wie blanker Hohn.
Die Glaubwürdigkeitskrise ist der letzte Nagel im Sarg eines überstrapazierten Narrativs. Denn Vertrauen ist die Währung der Politik. Wer einmal mit einem plakativen Versprechen scheitert, verliert nicht nur das Vertrauen der Wähler, sondern riskiert auch, zur Zielscheibe von Spott und Kritik zu werden. In einer vernetzten Welt verbreiten sich solche Geschichten rasend schnell – und das Netz vergisst nichts. Die Blamage bleibt.
Und natürlich gibt es die Gefahr, dass sich Politiker durch die ständige Nutzung von Narrativen selbst zur Karikatur machen. Wenn jede Rede, jeder Post und jedes Interview mit den immer gleichen Phrasen gespickt ist, entsteht nicht der Eindruck von Führungskompetenz, sondern von Einfallslosigkeit. Wähler bemerken, wenn jemand sich nicht mehr die Mühe macht, echte Inhalte zu liefern, sondern nur Worthülsen serviert.
Die Ironie: Narrative sollen vereinfachen und Klarheit schaffen, doch am Ende können sie die Widersprüche in der Politik nur oberflächlich überdecken. Die Realität ist beharrlich – und sie kratzt früher oder später an der Tapete.