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Selfie oder Porträt: Zwischen Pixelperfektion und echter Persönlichkeit

Man sagt, ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Aber was sagt ein Selfie? Vielleicht: „Hier bin ich, schaut mich an! Und wenn ihr schon dabei seid, klickt bitte auf ‘Like’.“

Der Selfie-Blick ist die Mona Lisa der Moderne – nur mit weniger Geheimnis und mehr Filter. Er schwebt irgendwo zwischen „leicht debil“ und „bin ich gerade im Begriff, umzufallen?“ Aber hey, Hauptsache, das Licht stimmt.

Wie sehe ich mich?

Wenn wir uns im Spiegel betrachten, denken wir oft: „Gar nicht so üblich heute.“ Aber sobald die Selfie-Kamera ins Spiel kommt, mutieren wir zu hyperkritischen Bildbearbeitern. Jedes Haar, jede Pore wird analysiert, bis wir uns selbst nicht mehr erkennen. Wir suchen die perfekte Version von uns – oder zumindest eine, die weniger aussieht wie „nach drei Tagen ohne Schlaf“. Der Witz ist: Unsere Freunde und Follower sehen uns ohnehin meist mit den Augen der Zuneigung (oder des Neids). Doch wir selbst? Wir sehen nur die Pickel.

Dabei ist es faszinierend, wie unterschiedlich wir uns selbst wahrnehmen. Im Spiegel blicken wir uns aus einem gewohnten Winkel an, begleitet von einem wohlwollenden inneren Monolog: „Okay, mit dem Licht könnte ich durchgehen.“

Doch das Selfie ist gnadenlos. Es zeigt uns aus einer Perspektive, die uns fremd ist – und manchmal denken wir: „Wer ist dieser Mensch und warum sieht er so müde aus?“

Wie will ich gesehen werden?

Der Selfie-Blick ist eine Botschaft an die Welt: „Seht her, ich bin attraktiv, cool, lustig – oder zumindest so, wie ich hoffe, dass ihr mich wahrnehmt.“ Aber oft scheitert dieser Versuch spektakulär.

Die Augenbraue, die sexy wirken soll, sieht plötzlich aus wie ein Fragezeichen. Das charmante Lächeln kippt ins Unheimliche. Und der Versuch, „casual“ zu wirken, endet meistens irgendwo zwischen „Ich habe mich verschluckt“ und „Ich habe gerade einen Geist gesehen“.

Es ist fast schon eine Kunstform, wie wir uns selbst inszenieren. Der Versuch, die perfekte Balance zwischen Natürlichkeit und Perfektion zu finden, gleicht einer olympischen Disziplin.

Und doch zeigt uns das Ergebnis oft, dass unser Wunschbild und die Realität zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Aber ist das schlimm? Vielleicht nicht. Vielleicht liegt gerade in diesen Unvollkommenheiten ein gewisser Reiz?!

Der typische Selfie-Blickwinkel

Ah, der Klassiker: Kamera leicht über Augenhöhe, Kinn runter, Augen groß – und bitte nicht blinzeln! Es ist der perfekte Winkel, um das Gesicht zu strecken und den Hals zu verstecken.

Niemand sieht im echten Leben so aus. Außer vielleicht, wenn man ständig von Drohnen gefilmt wird. Aber das stört uns nicht. Wir wollen schön aussehen, nicht realistisch. Realistisch ist für die Steuererklärung.

Manchmal frage ich mich, was passieren würde, wenn wir unsere Selfies aus einem anderen Blickwinkel aufnehmen würden – zum Beispiel von unten.

Vermutlich würden wir alle aussehen wie auf einem Passfoto aus der Hölle. Und doch ist es dieser typische Winkel von oben, der uns ein Gefühl von Kontrolle gibt. Er ist unser kleiner Beitrag zur Ästhetik der digitalen Welt. Und seien wir ehrlich: Ohne ihn wäre Instagram ein sehr düsterer Ort.

Selfie-Blick: Zwischen debil und schlaganfallartig

Warum wirken Selfies oft so… skurril? Weil wir uns in einen Zustand der absoluten Selbstüberwachung versetzen.

Wir starren auf den Bildschirm, als wären wir Chirurgen, die gerade ein Gesicht transplantieren. Die Folge: Ein Lächeln, das aussieht, als hätte man Zahnschmerzen, und Augen, die entweder zu weit aufgerissen sind oder halb geschlossen – nichts dazwischen. Es ist ein feiner Balanceakt zwischen „Ich bin wach“ und „Rettet mich!“

Vielleicht liegt das Problem auch darin, dass wir uns zu sehr auf den Moment konzentrieren. Während wir versuchen, alles perfekt zu machen, vergessen wir, dass echte Schönheit oft in der Spontaneität liegt.

Das perfekte Selfie ist wie ein Einhorn – man glaubt daran, aber man hat es noch nie wirklich gesehen.

Die Ästhetik und Professionalität eines guten Porträts

Ein gutes Porträt ist mehr als nur ein hübsches Bild. Es ist ein Blick hinter die Fassade, ein Moment der Wahrheit. Als Fotograf weiß ich: Es geht nicht nur darum, wie jemand aussieht, sondern wer jemand ist.

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(c) Gudera Pictures: Beispiel für Portraitshooting

Ein Porträt erzählt eine Geschichte – über Charakter, Emotionen und das Leben selbst. Anders als ein Selfie, das oft zwischen Tür und Angel entsteht, braucht ein Porträt Zeit. Es erfordert Geduld, Vertrauen und das richtige Licht. Es ist eine Zusammenarbeit zwischen Fotograf und Motiv, ein Tanz zwischen Technik und Intuition.

Ein professionelles Porträt entsteht mit hochwertiger Optik und sorgfältig ausgewählter Technik. Brennweiten, Blenden und Belichtungszeiten werden so eingesetzt, dass eine perfekte Balance zwischen Schärfe und Unschärfe entsteht.

Große Sensoren schaffen eine Tiefe und Detailgenauigkeit, die Selfies niemals erreichen können. Das Spiel mit der Unschärfe im Hintergrund – das sogenannte Bokeh – lenkt den Fokus auf das Wesentliche: den Menschen im Bild. Diese künstlerische Kontrolle ist es, die ein Porträt einzigartig macht.

Ein professionelles Porträt kann etwas, das ein Selfie nie erreichen wird: Es zeigt uns, wie andere uns wirklich sehen. Nicht durch die verzerrte Linse der Selbstdarstellung, sondern durch die Augen eines Künstlers.

Und genau deshalb sollte man sich hin und wieder ein Porträt leisten. Es ist ein Geschenk an sich selbst, ein Moment des Selbstwerts. Denn in einer Welt, in der wir uns ständig selbst optimieren, ist es eine Wohltat, einfach mal zu sagen: „Das bin ich, so wie ich bin.“

Dokumentation: Zeit nehmen oder zwischen Tür und Angel

Selfies sind oft Schnappschüsse, kleine Momente des Alltags, eingefroren in Pixeln. Sie sind schnell gemacht, schnell geteilt – und genauso schnell vergessen. Doch wahre Dokumentation braucht Zeit.

Ein Porträt, das mit Bedacht aufgenommen wird, ist wie ein gutes Buch: Es hat Tiefe, es hat Bedeutung, und es bleibt. Es lädt uns ein, innezuhalten und wirklich hinzusehen.

KI und die Grenzen der Kreativität

Künstliche Intelligenz hat beeindruckende Fähigkeiten. Sie kann Gesichter retuschieren, Filter anwenden und sogar ganze Kunstwerke schaffen. Aber was KI nicht kann, ist Regie führen. Sie kann keine Anweisungen geben, kein Motiv platzieren, kein echtes Lächeln einfangen.

Ihre Lichter sind virtuell, ihre Perspektiven algorithmisch – und sie hat keine Intuition, kein Gefühl für den Moment, ihre Ästhetik ist der statistische Durchschnitt der hochgeladenen (Handy) Bilder.

Ein gutes Porträt entsteht aus dem Zusammenspiel von Technik und Menschlichkeit. Es ist die Fähigkeit des Fotografen, den richtigen Augenblick zu sehen und ihn festzuhalten. Etwas, das keine Maschine ersetzen kann.

Fazit: Selfie oder Porträt – was bleibt?

Am Ende bleibt die Frage: Was wollen wir wirklich festhalten? Das flüchtige „Ich war hier“ des Selfies oder die zeitlose Tiefe eines Porträts?

Selfies sind wie Fast Food: schnell, praktisch, aber selten sättigend. Ein Porträt hingegen ist ein Festmahl – mit Liebe zubereitet, voller Nuancen und etwas, das man in Erinnerung behält.

Also, lasst euch nicht von der Selfie-Kamera diktieren, wie ihr euch sehen sollt. Gönnt euch ab und zu die Erfahrung eines professionellen Porträts. Es ist wie der Unterschied zwischen einem Pappbecher-Kaffee und einer perfekt gebrühten Tasse aus einer italienischen Espressomaschine. Beide haben ihren Platz, aber nur eines davon schmeckt nach echter Hingabe.

Und wenn ihr das nächste Mal ein Selfie macht, denkt daran: Der perfekte Winkel ist nicht alles. Ein echtes Lächeln – auch mit Doppelkinn – schlägt jeden Filter. Schließlich sind wir alle nur Menschen. Und das ist doch eigentlich ziemlich großartig.

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