Was für eine Schlagzeile. Volkswagen und Automotive Linux treffen aufeinander.
Warum die Schlagzeile für mich durchaus interessant ist? Ganz einfach. a) ich liebe Technik und Technologie, b) ich liebe Linux als alternatives, stabiles Betriebssystem und c) ich beschäftige mich mit Autos, sogar beruflich.
Dass Linux im Fahrzeug Einzug gehalten hat, war unvermeidlich. Immer mehr Systeme benötigen statt reiner „embedded systems“ hochgradig leistungsfähige Multimediafähigkeiten, die mit bisherigen Automotive-Betriebssystemen gar nicht oder zumindest nicht effizient realisierbar waren.
Wer meine Beiträge gelesen hat, weiß was kommt. Richtig, ein ABER.
Mit Linux hat man auf jeden Fall schon mal keinen groben Fehler gemacht. Mir stellt sich jedoch die Frage, ob und in welchem Maße Multimediasysteme überhaupt zwingend ins Auto müssen?!
Wirklich notwendig ist Linux in den Bereichen, wo es um (hochauflösende) grafische Anzeigesysteme geht. Ein Besuch auf der letzten electronica zeigte mir einen deutlichen Trend zu immer mehr und immer größeren Displays im Fahrzeug auf. Anzeigeelemente für Fahrzeuginformationen, Navigation, TV, Videostreaming, Internetbasierte Inhalte, Designelemente – all das verlangt nach genau der Grafikleistung, für die Linux das Betriebssystem stellt. Als entsprechende Hardware-Anbieter treten mittlerweile seit einiger Zeit sogar Grafikkartenhersteller wie NVIDIA auf.
Mein ABER bezieht sich auf mehrere Aspekte:
Sicherheit
Überall da, wo Informationen über Displays bereitgestellt werden, gibt es auch reichlich Möglichkeiten, in den Informationsfluss hackend einzugreifen, da bereitwillig Schnittstellen ins World Wide Web zur Verfügung gestellt werden.
Das Ganze geht dann soweit, dass über ein kleines Bisschen Hintergrundwissen die Schnittstelle in die Fahrzeugtopologie missbraucht werden kann. Wie weit Manipulationen dann gehen können, habe ich schon öfter dargelegt, u.a. auch in meinem Buch „Beware of Car Hacking„.
Energieverbrauch
Was derzeit vielleicht nicht unbedingt so deutlich im Fokus steht, aber einen wichtiger Aspekt in der Multimediaflut unserer Zeit darstellt, ist der Energieverbrauch. Größere Displays mit immer höheren Auflösungen verlangen nach immer leistungsstärkeren GPU’s1, die dann wiederum neben den Displays selbst für ihren Betrieb viel Energie benötigen.
Angesichts rein elektrisch betriebener Fahrzeuge stellt der Energieverbrauch immerhin eine Reichweitenreduktion dar, von der ökologischen Belastung brauchen wir gar nicht reden.
Faktor Mensch
Den Faktor Mensch würde ich aus zwei Gesichtspunkten als relevant ansehen.
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Ablenkung
Jeder Bildschirm stellt bereits Content-unabhängig als Lichtquelle eine Ablenkung dar. Betrachtet man nun noch die durch Monitore vermittelten Inhalte, wird der Ablenkungsfaktor noch deutlicher. Eine Steigerung von Content durch Monitore im Auto sollte also immer an eine Steigerung des Automatisierungsgrades des Fahrens gekoppelt werden.
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Informationsflut
Vielleicht ist meine Ansicht etwas überzogen, aber ich denke trotzdem, dass wir mit viel zu viel Informationen zugespammt werden, ein Abschalten des Geistes wird kaum noch zugelassen, man fährt auf innerem Anschlag bis hin zum Burn-out. Wir nehmen uns die Chance, wenigstens die Zeit des Autofahrens, sei es nun aktiv oder passiv, aus dem Schwall an Nachrichten herauszulösen und ein bisschen zur Ruhe zu kommen.
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Psychische Auswirkungen
Das dürfen wir auf keinen Fall vernachlässigen, unabhängig von bestimmungsgemäßer oder missbräuchlicher Anwendung und Content haben Bildschirme eine psychische Wirkung. Mein Smartphone reduziert z.B. schon abends den Blauanteil in den Bildschirmfarben, um den Übergang zum Schlaf zu verbessern. Eine Langzeitstudie über die Auswirkungen von Bildschirmen würde vermutlich meine Befürchtungen bestätigen, dass wir hier uns unnötigen psychoaktiven Lichtemissionen aussetzen.
Fazit
Nutzen mit Bedacht ist angesagt, eine Reduktion auf das Notwendige, Anwendung des KISS-Prinzips. Informationen sollten nicht nur dem „need-to-know“-Prinzip folgen, sondern auch den „drei Sieben des Sokrates„.