„Wumms“ für Digitalisierung der Schule

So ist es doch am Einfachsten – die Lehrer werden von Tankred Schipanski, seines Zeichens „Digitalexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion“ aufgefordert, sich für die digitale Schule in den Ferien „fit zu machen“. Intension: Bringt die Lehrer endlich in die digitale Gegenwart.

Die gefühlte Erfahrung gibt ihm natürlich recht – in der Schule hat sich (scheinbar) in den letzten Jahrzehnten nicht viel getan.

Was sagt aber der Faktencheck? Wer hat welche Aufgaben?

Inhaltliche Vorgaben

Lehrer sind die Ausführenden in einem System von Vorgaben, die aus den jeweiligen Kultusministerien als Lehrpläne bereitgestellt werden.

Jedes Bundesland erstellt die Lehrpläne individuell. Ein Rüffel durch einen MdB ist also eher kritisch zu sehen – er hat schlicht keine Befugnis (Art. 30 GG) und sollte sich also in seinem Amt diesbezüglich zurücknehmen1. Eine Vereinheitlichung des Bildungssystems ist zwar m.E. zwingend notwendig, aber derzeit nicht angedacht.

Zusammengefasst bedeutet das also, die Vorgaben kommen aus den Ländern und Lehrer sind „nur“ Ausführende.

Situation Lockdown

Der Lockdown traf Lehrer, Schüler, Eltern gleichermaßen mit voller Wucht, oder sollte man „Wumms“ schreiben?

Ihrem Lehrauftrag entsprechend hat das Gros‘ der Lehrer versucht, die Stoffvermittlung unter Verwendung technischer Hilfsmittel aufrecht zu erhalten. In kürzester Zeit wurden (noch analoge) Lehrmaterialien digitalisiert und über diverse Videokonferenz-Systeme an die Schüler vermittelt. Hierbei handelte es sich im Wesentlichen um Initiative der Lehrer, die sich um entsprechende Lösungen gekümmert haben! Ein Bashing á la Schipanski ist wieder einmal nicht gerechtfertigt.

Ganz nebenbei haben Lehrer bzw. Lehrerinnen die Direktbeschulung von gesplitteten Klassen übernommen, müssen aber auch für Homeschooling Material bereitstellen. Nachdem 73 % der Lehrkräfte weiblich sind, kann auch davon ausgegangen werden, dass sich speziell die Belastung der Lehrerinnen dank eigenem Nachwuchs gleich einmal verdreifacht hat: Vorbereitung/Durchführung Direktunterricht2, Bereitstellung Lehr- und Lernmaterial für Homeschooling und Betreuung des eigenen Nachwuchses.

Was für eine Leistung, die da vom Lehrpersonal erbracht werden musste – Umstellung von Methoden, Erlernen von neuen Technologien, der Arbeitsumfang insgesamt, was natürlich mit dem normalen Gehalt abgegolten ist.

Und jetzt kommt ein MdB, bekennender Steuersünder, und will einen Wumms durch die Lehrerschaft? Wäre es nicht erst einmal notwendig, die Kultusminister auf ihre Aufgaben hinzuweisen, den Lehrern eine vernünftige, technische Grundlage zu schaffen? Wo gibt es einheitliche, juristisch abgesicherte Lehrplattformen3, wenigstens auf Länderebene?

Das wäre erst einmal eine technische Grundlage.

Digitalpakt Schule

Schaut man auf der Seite des Bundesministeriums für Bildung und Forschung BMBF, wird der Digitalpakt in zwei Teile untergliedert, die Schaffung von Content und die technische Ausstattung der Schulen und Einrichtungen.

Mit dem Art. 30 GG im Hinterkopf, ist bereits die Schaffung von Content Ländersache. Einfluss Bund – wohl eher Null!

Die technische Ausstattung von Schulen und Einrichtungen obliegt den jeweiligen Trägern. Und es klingt ja toll, wenn jedes Klassenzimmer digital aufmunitioniert wird, Schüler an Tablets und Co. herangeführt werden.

Denkt aber mal irgendjemand an die Lehrer? Wie viele Lehrer arbeiten mit privater Hardware? Wie viele Lehrer bezahlen erforderliche Software aus ihrer eigenen Tasche? Wie viel private Zeit geht für die Administration der Geräte drauf?  Wie legal mag die Softwareausstattung der privaten Rechner sein? Und mit wie viel fachlichem Wissen werden Themen wie der Datenschutz  und Urheberrechte behandelt worden sein?

Es wird langsam Zeit, dass die (staatlichen) Arbeitgeber sich endlich mal um ein paar wirklich relevanten Themen kümmern, unterstützt von (steuerzahlenden) MdB!

  • Schaffung einer landes- besser bundesweiten Lernplattform unter Berücksichtigung von Datenschutz, ausreichender Skalierung, vernünftigen Kommunikationswegen
  • Ausstattung der Lehrer mit aktueller Computertechnik und erforderlicher Software
  • ausreichende Ausstattung mit dediziertem IT-Personal4Es kann nicht die Aufgabe der Lehrer sein, sich zusätzlich um administrativen Aufgaben zu beschäftigen![/efn_Note] für Lernplattform, aber auch die zugewiesene Dienst-Rechner der Lehrer

Es gäbe viel zu tun, Herr Schipanski, MdB, Unterstützung der Lehrer in ihren ureigenen Aufgaben, der Lehre – Digitalisierung ist lediglich ein Werkzeug.

 

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