Es war wieder einmal ein Podcast, der mich getriggert, meine „kleinen grauen Zellen“ animiert hat.
Pablo Picassos Verhältnis zu Frauen wurde in Relation zu seinem Werk gestellt. #MeToo.
Nun ist Picasso beileibe nicht der Einzige, dessen bedeutendes Werk durch sein Verhalten, seine Neigungen oder „begleitenden“ Taten in Relation gesetzt werden müssten.
Michelangelo Caravaggio war Saufkumpan und Mörder, seine Gemälde wiederum Höchstleistungen der Malerei.
Benvenuto Cellini war ebenfalls als Schläger berüchtigt, aber wiederum einer der begabtesten Bildhauer und Goldschmiede seiner Zeit. Das Veruntreuen von Material wurde durch Anklagen wegen Mordes und Sodomie ergänzt.
Gerüchten zufolge, war auch Niccolò Paganini ein Mörder, was ihn abseits der Kunst in moralisch bedenkliche Sphären hebt.
Sexuelle Nonkonformitäten mit teilweise juristischer Relevanz sind bei Michael Jackson, Roman Polański oder Bill Cosby bekannt geworden.
Antisemitisches Kind seiner Zeit war Immanuel Kant, der trotzdem als großer Philosoph gilt. Damit ist er mit Martin Heidegger in guter Gesellschaft.
Die Liste könnte also immer weiter fortgesetzt werden, was das eigentliche Problem nicht leichter macht.
Kann man einzelne Leistungen eines Menschen vom restlichen Leben dieser Person entkoppeln, muss man den Menschen getrennt von seinem „Opus Magnum“ betrachten?
Bedingen sie sich vielleicht, wie die anatomische Präzision eines Michelangelo di Lodovico Buonarroti Simoni mit dessen damals gesellschaftlich und kirchlich verbotenen Leichenschauen?
In letzterem Fall wurden vermutlich „nur“ gesellschaftliche Konventionen verletzt, die heute als überholt gelten.
#MeToo hat eine interessante Bewegung ins Rollen gebracht, die eine Trennung von Mensch und Werk erschwert, nach heutigen Gesichtspunkten vielleicht sogar unmöglich macht.
Mit der Befreiung von sexueller Unterdrückung kam eine Unterdrückung der freien Werkbetrachtung, das große „Ja aber“.
Ich stehe für mich damit vor dem Dilemma, Einzelleistungen nicht mehr unbefangen sehen zu „dürfen“.
Wer hat aber Recht? Toleriert der Betrachter von „Judith und Holofernes“ automatisch einen Mörder? Werde ich durch Kant zum Antisemiten?
Lösen kann ich dieses Dilemma tatsächlich nur in der Separation von Werk und Urheber, im übertragenen Sinne Tat und Täter genau so, wie es in der christlichen Tradition von Jesus gefordert wurde, wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen.
Der Zöllner, die Prostituierte, sie wurden als Mensch frei von ihren Taten gesehen. Also genehmige ich mir die Umkehrung und erlaube mir, das Werk vom Menschen zu trennen und in seiner Genialität zu betrachten.
#MeToo hat seine Berechtigung in der Betrachtung und Bewertung der Verhaltensweisen von Menschen, darf aber kein Gradmesser für die Betrachtung deren Werke darstellen.