a number of owls are sitting on a wire

Der Mensch als Rohstoff – Die umfassende Ökonomisierung und Entwertung des Lebens

Die Vorstellung, Menschen als bloßes „Verbrauchsmaterial“ oder „Rohstoff“ zu behandeln, offenbart eine erschreckende Reduktion menschlichen Lebens auf rein ökonomische und strategische Kategorien. Diese Sichtweise ist keine bloße Metapher, sondern durchzieht historisch, politisch und technisch unterschiedliche Felder mit weitreichenden Folgen für die Menschenwürde.

Menschen als „Verbrauchsmaterial“ in Kriegen – Symbolik und Realität

Die Begriffe „Kanonenfutter“ und „Kaminholz“ sind mehr als nur schillernde Sprachbilder – sie stehen für die systematische Entmenschlichung von Soldaten und Zivilist*innen in Kriegen. Sie illustrieren die grausame Praxis, Menschenleben als austauschbare, verschleißbare Ressourcen zu betrachten, deren Verlust gesellschaftlich und militärisch kalkuliert wird. Historisch fanden sich solche Denkweisen in den Weltkriegen, aber auch in kolonialen Kriegen oder Bürgerkriegen wieder, wo oft marginalisierte oder kolonialisierte Bevölkerungsgruppen als verlustreiches „Material“ eingesetzt wurden.

Beispielhaft verdeutlicht das 20. Jahrhundert, etwa im Ersten Weltkrieg, wie Soldaten in Schützengräben systematisch als „Masse“ für strategische Ziele geopfert wurden. Auch heute zeigt sich dieser Umgang etwa im Ukraine-Konflikt, wo politische Akteure gezielt Menschengruppen als militärische Ressourcen einsetzen, ohne das individuelle Leben angemessen zu schützen oder zu würdigen.

Militärisch-politische Strategien der Kalkulation menschlichen Lebens

Moderne Kriegführung und politische Strategien basieren zunehmend auf präzisen Kosten-Nutzen-Rechnungen, in denen menschliches Leben als messbare Größe vorkommt. Militärische Planungen berücksichtigen Verluste als „akzeptable Kollateralschäden“ oder veraltet als bloße Statistiken in Operationen und Kalkulationen strategischer Ziele.

Die Instrumentalisierung von Menschleben erfolgt durch administrative Systeme, die Daten über Soldaten, Zivilisten, ihre Fähigkeiten, Verwundbarkeiten und Ausfälle erfassen, um sie in militärischen Entscheidungskalkülen einzusetzen. Dies macht das Leben berechenbar und in der Kriegsökonomie zu einem austauschbaren Faktor mit monetären und strategischen Werten.

Perversion der Militärindustrie: Profit durch Verletzung und Heilung

Eine besonders absurde und zutiefst verstörende Dimension dieser Ökonomisierung zeigt sich in der Perversion der Militärindustrie: Nicht nur der Krieg an sich, sondern auch die daraus resultierenden Verletzungen werden systematisch zum Profit zweckentfremdet. Hersteller von Minen, Waffen und Munition verdienen am Einsatz und Leid, während Unternehmen aus der Prothesen- und Medizintechnikbranche in gleichem Maße an der Behandlung und Rehabilitation der Verletzten profitieren. Dies schafft einen zynischen Kreislauf, in dem der Markt von vernichteter Gesundheit und menschlichem Schaden lebt und aufrechterhalten wird. Menschen werden so zu individuellen Fallzahlen in einem wirtschaftlichen Gewinnmodell, das auf Zerstörung ebenso basiert wie auf deren „Behebung“.

Ökonomische Logik hinter Krieg und Konflikten: Menschenleben als Kosten-Nutzen-Faktor

Krieg ist eng mit wirtschaftlicher Logik verflochten: Kosten für Ausrüstung, Verluste von Arbeitskraft und Humankapital, politische Gewinne oder Ressourcenbesitz stehen in einem komplexen Geflecht der Nutzenkalkulation. Dies führt zur problematischen Behandlung von Menschenleben als wirtschaftlich quantifizierbare Variablen, die in einem utilitaristischen Modell auf den Prüfstand kommen. Kosten der Verluste werden gegen den politischen oder ökonomischen Nutzen abgewogen.

Beispielsweise spiegeln sich in Kriegen oft ökonomische Interessen großer Akteure wider, sei es der Zugang zu Rohstoffen, territorialer Einfluss oder die Kontrolle von Märkten –, wobei Menschenleben im Vergleich oft niedriger bewertet werden. Diese Krisen offenbaren die kapitalistische Logik hinter der Entwertung des Lebens zugunsten von Macht und Profit.

Historische und aktuelle Beispiele der Instrumentalisierung

  • Erster Weltkrieg: Millionen junger Männer als Soldaten verheizt, statisch in Schützengräben gehalten, symbolträchtig „Kanonenfutter“.
  • Kolonialkriege: Eingesetzte indigene Bevölkerung als billige Arbeits- und Kampfkraft ohne Rücksicht auf Leben und Würde.
  • Ukraine-Konflikt: Einsatz ethnischer Minderheiten als „verlustrisikoarme“ Söldner oder Reservisten.
  • Doktrin der nuklearen Abschreckung: Menschenleben als austauschbare Variablen im globalen Drohszenario.

Philosophische und ethische Dimension: Der intrinsische Wert des Lebens

Dem utilitaristischen Kalkül der Kriegstreiber und Ökonomen steht die philosophische Perspektive entgegen, die den Menschen als einen Zweck an sich begreift – mit einem unveräußerlichen, intrinsischen Wert, der sich nicht in messbaren Größen ausdrücken lässt. Diese Vorstellung wurzelt tief in der Ethik, etwa bei Immanuel Kant, der den kategorischen Imperativ formulierte, Menschen niemals bloß als Mittel, sondern stets zugleich als Zweck zu behandeln.

Weiterführend stellt sich die Frage, wie wir als Gesellschaft den Wert des Lebens abseits ökonomischer und strategischer Verwertungslogiken verstehen und bewahren können. Die bloße Formulierung von Menschenwürde und Lebensschutz in Gesetzen reicht bei weitem nicht aus, wenn diese Werte de facto nur leere Worte bleiben, die politisch oder wirtschaftlich ignoriert werden.

Es bedarf einer tiefgreifenden gesellschaftlichen und ethischen Umsetzung dieser Werte in verbindlichen Handlungen und Entscheidungen, die der Menschenwürde echte Geltung verschaffen. Dies erfordert Mut zur kritischen Hinterfragung von Profitinteressen, Kriegspolitik und technokratischen Steuerungen, die Menschen nur noch als Zahlen oder Ressourcen betrachten.

Neue Dimensionen der Entwertung durch moderne Technologie

Die technologische Entwicklung, insbesondere Automatisierung, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI), eröffnet zusätzliche Formen der Lebensentwertung. KI kann menschliche Entscheidungen ersetzen, überwachen und rationalisieren, oft ohne Rücksicht auf die individuelle Situation oder ethische Implikationen.

Im militärischen Kontext führt KI zur potenziellen Automatisierung von Waffen und Überwachungssystemen, was eine neue Form der Entmenschlichung darstellt: Entscheidungen über Leben und Tod könnten algorithmisch und ohne menschliche Empathie getroffen werden.

Gleichzeitig ermöglichen datengetriebene Systeme die Quantifizierung und Bewertung von Menschen im wirtschaftlichen und sozialen Kontext (z.B. durch Scoring-Systeme), was die Reduzierung auf messbare Markt- oder Kontrollgrößen fortsetzt.

Gesellschaftliche Verantwortung: Den Wert menschlichen Lebens neu denken und schützen

Angesichts dieser Herausforderungen trägt die Gesellschaft eine zentrale Verantwortung, die unantastbare Würde und den Wert jedes Lebens zu wahren. Dies umfasst:

  • Politische und rechtliche Rahmenbedingungen, die Menschenwürde schützen und instrumentelle Reduktionen rechtsverbindlich verhindern
  • Bildungs- und Aufklärungsarbeit, die Empathie, ethische Reflexion und kritisches Bewusstsein stärken
  • Strikte Kontrolle und Regulierung von Technologien, insbesondere KI, um Entmenschlichung und neue Formen der Entwertung zu verhindern
  • Eine verstärkte Rolle zivilgesellschaftlicher und internationaler Menschenrechtsbewegungen

Es ist zwingend notwendig, dass die in Gesetzen verankerten Werte rund um das Menschenleben nicht nur als symbolische Formulierungen ohne echte Wirkung existieren. Gesetze müssen gelebt, geschützt und mit Nachdruck umgesetzt werden, damit Menschenwürde keine Makulatur bleibt, sondern tatsächlich die Grundlage menschlichen Zusammenlebens bildet.

Nur durch ein nachhaltiges gesellschaftliches Umdenken und konsequentes Handeln gegen ökonomische und technologische Verwertungslogiken kann die fundamentale Bedeutung des menschlichen Lebens als mehr als bloßer Rohstoff sichergestellt werden.

Die Debatte bleibt komplex und vielschichtig, doch klar ist: Menschliches Leben darf nie auf austauschbare Ressource reduziert werden – weder im Krieg, noch in der Wirtschaft oder im digitalen Zeitalter.

3 thoughts on “Der Mensch als Rohstoff – Die umfassende Ökonomisierung und Entwertung des Lebens

  1. Guten Morgen und danke für deine Beobachtungen und Anregungen.
    LEIDER mus ich dir sagen oder besser schreiben:
    Der Zug ist abgefahren!
    Während es zu meiner Kindheit (1960erJahre) noch handgeschrieben Lohntüten mit Namen, Anschrift und Stundenzeiten und Lohn und Steuer gab, man meist den Empfänger kannte, läuft heute viel über Steuerberater oder HR-Büros. Allein der Begriff HR, HumanResources, zeigt den Wert an:
    Egal, ob als Mitarbeiter, Kunde oder Arbeitgeber, sogar Politiker sind fast beliebig austauschbar!
    Erfahrung und Wissen sind wertlos! Geld zählt! Früher sammelte man Beeren um satt zu werden, jetzt Kunden! Hauptsache VIELE! Telefonie und Strom/Energie sind die wesentlichen Faktoren. Und Knollen/Gebühren für die Kommunen… Und man wird nicht mehr satt! Der Hunger ist längst Gier geworden.
    Und immer mehr spüren wir diese abwertende Behandlung. Spätestens beim Warten auf Gewährung von Rechten – als Bedürftiger (Grundversorgter) ist man selbstverständlicher in der Lage, 1000e Euros vorzustrecken, bzw. Mahnkosten zu tragen. Ironie OFF. Man (anonym) ist zur Vorgangsnummer degradiert, die kann liegen bleiben bis nach dem Urlaub…
    Verantwortliche Moral gegen das Ganze, die Gesellschaft, den anderen am Tisch ist mit der eigenen Mobilität abhanden gekommen. Mal die Bilder anschauen, wie viel WIR-Gefühl in den Anfang 6oer Jahren exstierte und heute.
    Mehr Technik, mehr Individualität und weniger Gesellschaft! Nur verbindene Aktonen wie Fußball und ähnliche Meisterschaften und noch eine usw. Verbindung im Zugucken – im Hinkommen zum Zuschauen.
    Wie bei den Gladiatoren im alten Rom…
    Der Mensch schafft sich ab. Vielleicht können andere „Religionen“ etwas verzögern –
    aber ein Aufhalten kann ich mir nicht mehr vorstellen…

  2. mal so dumm nachgefragt:
    Warum lassen wir es zu, Menschen wirtschaftlich auszuradieren, wie einen Fehler, den man mit bleistift geschrieben hat? Da ist es egal, ob Bürger mit kleinem Budget an einer Geldstrafe in den totalen Ruin gehen, ob durch Zinslasten erdrückt werden oder durch zu hohe Nudelpreise verhungern…
    Wie Habeck sagte: „wenn man Pleite ist,, dann arbeitet man nicht mehr…!“
    Wie dumm ist unser System? Wie Menschenverachtend? ich könnt im Moment in die Tastatur kotzen,
    im Strahl reinkotzen, wenn mir die Mengen der Unmenschlichkeiten bewusst werden, mit denen wir uns täglich umgeben lassen müssen!
    da schmeckt schon der Kaffee nicht mehr!
    Trotzdem, dir und deinen lieben einen schönen Tag

    1. Berechtigte Frage. Vermutlich, weil wir das Denken jenseits der Masse als Bedrohung empfinden und damit uns vor korrekten Schlüssen fürchten. Schubladen sind doch viel einfacher. Schubladen, wie Monarchie, Imperialismus, Kapitalismus, Kommunismus, Sozialismus, Liberalismus. Da stören die Verbindungen zwischen den Schubladen. Weil am Ende würde vielleicht genau das helfen – die Schubladen durchlässiger machen, für Ideen, für Handlungen.

      Das Perfide von deinem Gefühl, alles wäre zum Kotzen ist, dass es sich fortpflanzt, auch wenn man es nicht will. Epigenetik bringt nachgewiesenermaßen auch im Erbgut den Stress von einer zur nächsten Generation. Vielleicht ist das sogar die Quelle der aktuellen Flut an ADHS?

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