a number of owls are sitting on a wire

Flanieren & Fotografieren – eine Allianz?

Einen wundervollen Podcast ohne Aufreger, Politik oder Polemik war heute morgen auf dem Weg zur Arbeit das „Lob des Flanierens“ vom SWR3 Wissen. Hört doch mal rein!

Das Flanieren ist sicher nicht die typischste Weise sich im Dschungel der Stadt zu bewegen, trifft aber mein persönliches Empfinden ziemlich genau. Man geht im urbanen Umfeld einfach ziellos vor sich hin und unvermittelt steht man vor Sehenswürdigkeiten oder beobachtet die interessantesten Dinge.

Wunderbarerweise lässt sich das Flanieren auch mit dem Fotografieren verbinden, wenn man es dabei nicht übertreibt. Und so schweifen Augen und Gedanken ziellos aber findend herum. Wenn man nicht aufpasst, kann – im richtigen Umfeld unterwegs – auch schnell ein Tagebuch1 werden, wie ich es während meiner Zeit in Italien geführt hatte – immerhin gut 490 Seiten mit ca. 400 Fotos. Ich finde, es wird Zeit, mal wieder drin zu schmökern und die alten Gedanken hervorzugraben.

Zum Flanieren gehört für mich auch das Kaffee, in dem ich gerade in Italien sehr gern gesessen, beobachtet und auch meine Tagebucheinträge vorgenommen habe. Und so kam auch dieser Eintrag vom 24.05.2009 zustande:

So wie geplant sitze ich also grad’ im Kaffee, hoffe darauf, dass mir eine Bedienung einen Cappucho vorbei bringt und bin mit dem Netbook vor mir natürlich eine Attraktion für einen Buben, so Erst- oder Zweitklässler, der gerade neugierig mir auf den Bildschirm geschaut hat. Er hat natürlich nichts davon verstanden und sicherheitshalber gleich noch einmal nachgeschaut.

„Was schreibst du da?“, hat er mich gefragt, aber ich weiß nicht, was Tagebuch auf Italienisch heißt. Schade.

Nach seiner erfolglosen Erkundigung sitzt er nun mit seiner Schwester (so vermute ich mal) und hört Musik vom Handy, dessen Ohrhörer sich die beiden teilen. Ein niedliches Bild. Ein paar Minuten später zogen die Beiden die Kopfhörer raus und schalteten das Handy auf Lautsprecher, so dass ich auch etwas von der Musik hab. Nicht nur der Gesang (so eine Art italienischer Rap) klingt zu mir herüber, sondern auch das Mitsingen der Zwerge!

Simone, der Bub, schaut immer mal wieder vorbei. Seine Mama findet das natürlich nicht so toll, da sie sicher vermutet, dass der Kleine etwas ‘indiskret’ ob des von mir Geschriebenen ist. Könnte ich italienisch, würde ich sie beruhigen und erklären, dass er das Deutsche sicher nicht mal lesen könnte und ich seine Neugier nur menschlich und sogar belustigend finde.

Still sitzen ist nun wirklich nichts für Kinder. So stoppten sie die Musik und Simone las mal ganz spontan die an der Fensterscheibe angebrachten Schilder vor: "LE ORDINAZIONI SI PRENDONO ALL’INTERNO GRAZIE" oder "NOI DOBBIAMO RESTARE FUORI".

 

Kirche von Sant'Agata Bolognese

Wenn die wüssten, dass sie gerade von mir beobachtet und beschrieben wurden?!

Mit etwas ‘spiccioli‘ bewaffnet machen sich die Beiden grade über einen Spielzeugautomaten her, der in Ei-großen Kunststoffbehältnissen kleine Spielzeugfiguren bereithält. Streit kommt natürlich auf, da die Schwester sich das erste ‘Plastikei’ geschnappt hat. Mama muss es richten.

Da der Cappucho auf sich warten lässt, schalte ich kurz auf Standby und hole ihn mir selber. Der Fernseher innen lauft obligatorisch und ich sehe gerade, dass der „Große Preis von Montecarlo“ läuft. Formel 1 – im Normalfall hätte ich jetzt doch meine Beschäftigung gewechselt, aber der Venedigbericht macht sich ja nicht von allein. Also, Kaffee greifen und wieder raussetzen - immer unter der strengen Beobachtung von Simone.

Der wechselt seine Beschäftigungen ‘altersgerecht’. Mal springt er auf eines der leeren Kunststoffeier oder jagt Tauben, die hier zwar nicht in großer Zahl, aber mit gewisser Zutraulichkeit unter den Arkaden Schatten suchen.

Meine Präsenz mit Laptop sorgt aber nicht nur bei den Jüngsten für Interesse. Einer der Alten versucht auf ‘diskretere’ Art und Weise hinter das Geheimnis meines Schreibens zu geraten. Er schaut aus etwa anderthalb Metern in den Bildschirm um dann unverrichteter Dinge weiterzulaufen.

Neben dem Schreiben schaue ich immer mal wieder zu dem Tisch rüber, an dem Simone mit seiner ‘Sippe’ sich die Zeit vertreibt.

Man ist ja modern in Italien und kann neueste Handytechnik vorweisen. So testen sie gerade einen Videoanruf, bei dem der Papa am anderen Ende war. Simon ruft permanent ”Papa, Papa“ und winkt ganz aufgeregt in die winzige Kamera des Kommunikationsapparillos hinein, ebenso wie die Mama.

Schade, jetzt sind sie aufgebrochen und Simone hat sich bei mir verabschiedet und mich irgendetwas gefragt. Ich konnte nur mit den Schultern zucken und sagen "no italiano". Das traurige Gesicht, dass ich dabei gemacht hab, war sogar ernst gemeint, weil es bestimmt interessant und lustig gewesen wäre, zu erfahren, was der Kleine die ganze Zeit so vor sich hingebrabbelt hatte.

Arrivederci, Simone.

Ja, Flanieren, Kaffee und Fotografieren sind eine Allianz, zumindest für mich und ich freue mich schon auf den Moment, wo ich wieder einmal flanieren, beobachten und gelegentlich fotografieren kann.

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