Eine aktuelle Meldung von Heise zeigt eine interessante Entwicklung bzw. ein spannendes Meinungsbild in der Bevölkerung auf. 5000 befragte Personen würden der Technik bei einem Unfall mit teilautonomen Fahrzeugen die Schuld eher dem Menschen als der Technik geben, so jedenfalls die Ergebnisse vom Max-Planck-Instituts, dem MIT und der University of Exeter.
Natürlich hätte ich ebenfalls mit einem solchen Ergebnis gerechnet, aber was bedeutet das in der Praxis?
An Fahrerassistenzsysteme bis SAE Level 4 werden hohe Erwartungen geknüpft, möglicherweise auch verursacht durch Werbeversprechen, die mittlerweile als möglicherweise unlauter einer juristischen Prüfung unterzogen werden. Die (potentiellen) Nutzer gehen davon aus, dass die Sensoren, Regler und Aktuatoren in den Fahrzeugen schnellere und bessere Entscheidungen treffen, als der Mensch. Ganz abwegig ist das natürlich nicht. Sensoren ergänzen die Wahrnehmung des Menschen nicht unerheblich, gerade auch auf Grundlage physikalischer Werte, die sich außerhalb der humanen Sinne befinden.
Mir stellen sich beim Lesen des Artikels allerdings mehrere Fragen.
Teil- und Vollautomatisierung
Ist den Befragten der Unterschied zwischen Teil- und Vollautomatisierung tatsächlich bewusst?
Es macht einen riesigen Unterschied aus, ob das Fahrzeug teil- oder vollautomatisiert unterwegs ist. Teilautomatisierung sagt aus, dass der Mensch mit seiner individuellen „Sensorik“ als Rückfallebene und Korrektiv vorhanden ist. Das bedeutet auch, dass der Fahrer die möglichen Fehlreaktionen des Fahrzeugs kennen und darauf entsprechend korrekt reagieren muss.
Hier wird meines Erachtens die Sache schon schwierig. Wie deutlich wird mir im Fehlerfall klar gemacht, wie ich jetzt zu reagieren habe? Es geht schließlich um OEM-spezifische Bedien- und Anzeigekonzepte!
Befragungssituation
Nachdem keine weiteren Details benannt wurden, scheint die Befragung neutral, also weitestgehend ohne persönliche (negative) Erfahrungen mit teilautonomen Fahrerassistenzsystemen durchgeführt worden zu sein.
Interessant wäre doch jetzt die Frage, wie die Befragten reagieren würden, wenn sie persönlich in einen Unfall mit entsprechenden Fahrzeugen verwickelt gewesen wären? In dem Falle, würde die Meinung doch vermutlich ganz anders aussehen?!
Nicht nur, dass man dazu neigt, Schuld gern von sich zu weisen, aber auch ich würde mir hier eine Teilschuld der Technik nicht absprechen lassen. Schließlich kann ein Unfall ja eigentlich nur noch passieren, wenn die Entwickler der Systeme nicht an alle potentiellen Fahrsituationen und -manöver gedacht haben?!
Konklusion
Aus diesen Argumenten heraus wird eine Bewertung der Schuldfrage für Politik und Judikative sowie Versicherer in deren Fahrwasser vermutlich schwer, sehr schwer. Wie weit gibt man die Schuld lieber einem einzelnen Menschen1 als einem Automobilhersteller2 mit großem Advokatenstamm? Wie kann man künftige Entscheidungen mit einem Gerechtigkeitsempfinden in der Bevölkerung in Deckung bringen? Wie stark werden sich Lobbyverbände richtungsführend einbringen?
Fragen über Fragen, die erst von der Zukunft hoffentlich zufriedenstellend gelöst werden.