Wissen – erlangen, dokumentieren und weitergeben

Mein Beruf basiert auf einem wichtigen Gut, dem Wissen. Also ist es klar, dass ich mich damit intensiv beschäftigen muss und auch will. Was es aber für ein diffiziles Thema ist, kommt mir aber dann, wenn es darum geht, sich selbst, seine eigenen Methoden und das Vorgehen beim Kunden zu hinterfragen.

Also habe ich meine Gedanken mal sortiert und aufgeschrieben.

Wie ist es also Wissen zu…

… erlangen

Wie jeder für sich Wissen erlangt, ist äußerst verschieden. Das liegt m.E. an mehreren Aspekten:

Die Varianz der persönlichen Interessen ist sehr groß. Selbst innerhalb eines Fachgebietes hat jeder Mitarbeiter so „seine Steckenpferde“ und „Hassobjekte“, mit denen sie/er sehr viel oder auch gar nichts verbindet. Daher ist das Erlangen des Wissens nicht nur an die bereitgestellten Wissensschätze sondern eben nicht unerheblich an Interessen geknüpft.

Auch das Vorwissen spielt eine nicht unerhebliche Rolle beim Wissenserwerb. Basierend auf Vorkenntnissen ableitbares Wissen muss nicht „gespeichert“ werden. Es wird also weniger Energie darauf verwendet, als bei Kollegen ohne entsprechendes Vorwissen.

Die Art des Denkens1 ist natürlich auch höchst individuell, was ich in meinem Berufsleben tagtäglich erfahren kann.

Zwar konnte ich es mir nur schwer vorstellen, die Praxis zeigt aber, dass das Systemdenken, das Denken über die Grenzen des Themengebiets hinaus relativ schwach vertreten ist. Auch treffe ich immer wieder auf Menschen mit recht chaotischen Denkmustern, die aber trotzdem zu guten Ergebnissen kommen. Systematische Pedanten treffe ich natürlich ebenso!

Höchst variantenreich sind daher auch die Lernmethoden, die zum Aufnehmen des Wissens Verwendung finden.

Brauchen manche Kollegen eine persönliche Anleitung und Erklärung mit Coaching-Charakter, ist anderen Kollegen das Studium von Handbüchern deutlich lieber.  Das hat natürlich auch massiven Einfluss auf das Verständnis und dem Umgang damit, wie später Wissen dokumentiert wird.

… dokumentieren

Ebenso vielfältig, wie das Erlangen von Wissen ausgeprägt ist, ist auch die Art und Weise, Wissen zu dokumentieren höchst individuell. Das fängt bereits damit an, auszuwählen, was vermittelt werden soll.

Während die Einen auch sämtliche Basics mit dokumentieren und damit einen kaum mehr überschaubaren Wissensschatz aufschreiben, kommen von Anderen nur Stichwörter, die ohne deren persönliches Hintergrundwissen kaum noch interpretierbar sind.

Zusätzlich kommen natürlich auch noch die persönlichen Sprachkenntnisse hinzu sowie der Schreibaffinität und -stil und die jeweilige Struktur der Dokumente. Und so ist es immer wieder interessant, wenn man bei Kunden Dokumentation vorfindet, die entweder in die eine oder andere Richtung tendiert, von „Stichpunkten“ bis zu „Romanen“.

In meinem Buch F.A.Q. Thesis habe ich über die Sprache ein paar Regeln formuliert, die auch für Dokumentation hilfreich sein könnten:

  • Sätze nicht länger, als zwei Zeilen
  • einfache Sätze formulieren, Schachtelsätze vermeiden
  • nicht nur ‘auf Masse’ schreiben
  • Füllwörter vermeiden
  • eigene Sprache2 und Formulierungen verwenden
  • Gesamtwerk auf einheitlichen Schreibstil prüfen (lassen)
  • wissenschaftlich knapp und präzise schreiben, keine Prosa!
  • Fremdwörter3 vermeiden oder zumindest (kurz) erklären4

Ein wichtiger Aspekt für Dokumentation ist auch die Auffindbarkeit und die Zugänglichkeit von Dokumenten.

Brav in Systemen abgelegte Dokumente, zu denen die potentiellen Nutzer keinen Zugang haben, sind genauso nutzlos, wie chaotische Ordnerstrukturen, bei denen man den Überblick verliert.

… weitervermitteln

Mittels Dokumentation Wissen weiterzuvermitteln, ist eine Herausforderung die einen Zirkelschluss zum „Wissen erlangen“ darstellt. Wie bei jeder Kommunikation müssen „Sender“ und „Empfänger“ kompatibel sein, was aufgrund der Varianz der Verhaltensweisen und deren Kombinatorik eine große Herausforderung darstellt.

Dazu kommt aber auch ein „didaktisches Händchen“ und auch der innige Wunsch und das Bedürfnis, Wissen weiterzugeben, was nicht selbstverständlich ist.

Wissensvermittlung ist nicht einfach die Umkehrung des Lernens, gehören hier doch wesentlich mehr Aspekte berücksichtigt als nur die Bereitstellung von Material.

Zielgruppen

Allein die Definition der Zielgruppen ist kein einfaches Unterfangen. Wem will/soll ich Wissen vermitteln? So sind in meinen Augen die nachstehenden Punkte durchaus relevant, um die Zielgruppen zu definieren.

  • Motivation
    • Freiwilligkeit, Interesse, Neugier
    • Spieltrieb5
    • Pflicht
    • Einsicht6
  • Vorwissen
    • kein Vorwissen
    • Branchen- aber keine Fachkenntnisse
    • angrenzendes Fachwissen
    • eigene Profession, Expertenwissen
  • Erwartungshaltungen7
    • Befriedigung von Neugier
    • Wiedererkennen von „Buzzwords„, Fachgespräche besser verstehen können
    • Zusammenhänge erkennen können, Erlerntes anwenden können
    • Prüfungen bestehen, Zertifizierung erlangen
    • Thema selber vermitteln8 können
    • Prüfungen abnehmen können

Diese drei Aspekte korrelieren natürlich miteinander und haben großen Einfluss auf Aufwand, Inhalte, Methoden und Medien.

Aufwand

Wieviel Zeit (und Geld) ist ein Lernender bereit, für den Wissensaufbau zu investieren? Auch diese Frage sollte bei der Wissensvermittlung gestellt werden. Zwischen „beiläufigem Erklären“ und „Druckbetankung“ liegen schließlich Welten, sowohl für den Lernenden als auch für den Lehrenden.

Auch führen Abweichungen in der Aufwandsabschätzungen schnell zu Frustration auf beiden Seiten.

Inhalte

Schaut man sich aktuelle Schulbücher oder Lehrmaterialien an, ist ein immenser Umfang an Inhalten eher die Regel als die Ausnahme. Da stellt sich mir immer öfter die Frage, sind die enthaltenen Informationen tatsächlich sinnvoll? Auch hier habe ich für mich einen kleinen Fragenkatalog erstellt, den es zu analysieren gilt.

  • Umfang9
  • Detaillierungsgrad10
  • Relevanz11
  • Anwendbarkeit12
  • Verständlichkeit13
  • Nachvollziehbarkeit14

Bei der Wissensvermittlung ist der Versuch, zu viel zu wollen, kontraproduktiv, führt zu Überforderung und dann auch zu Frustration. Weniger ist hier tatsächlich mehr.

Methoden

Als Nichtpädagoge tue ich mich etwas schwer,  über Lernmethoden zu philosophieren, ein paar Beispiele hat mir glücklicherweise Google aber bereitgestellt, die ich aber etwas reduziert habe:

Eingangstests

Vorwissen testen kostet natürlich Zeit und sollte zielgruppenorientiert15 geschehen, oder auch weggelassen werden.

Notizen

Handschriftliche Notizen führen zu einen besseren Lernergebnis und sollten je nach Lernziel in die Wissensvermittlungskonzepte aufgenommen werden.

Mindmapping

Das Visualisieren von Zusammenhängen ist eine sehr praktische Methode, die ich selber sehr gerne anwende. Allerdings gibt es Menschen, die mit dieser Methode ihre Probleme haben.
Ich nutze die linke Seite von Mindmaps gerne als Stichwortsammler. Auf der rechten Seite sortiere ich die Stichworte dann in eine Struktur, bis die linke Seite leer ist. Auf diesem Wege erstellen sich sehr leicht Gliederungen für Themen.

Lernroutinen

Jeder Mensch hat unterschiedliche Lernroutinen. So kann man in seinem Tagesablauf Lerninhalte je nach Medium und Affinität zur Nutzung integrieren und so quasi „nebenbei“ Wissen „aufsaugen“.
Wichtig in Lernroutinen sind Pausen, die einzulegen den Lernerfolg steigern.

Assoziationen und Analogien

Gerade bei komplexen Sachverhalten sind das Bereitstellen von Assoziationen und Analogien eine gute Hilfe beim Verstehen der Lerninhalte.

Schlüsselwörter

Manchmal ist es nützlich, Schlüsselwörter quasi als Starthilfe für Zusammenhänge zu installieren. Unter Umständen sind es nämlich nur Fachbegriffe, die schwer zu verstehen, über Schlüsselwörter aber gut zu umschreiben sind.

Vortrag, Lehrgespräch, Unterweisung

Eine Standardmethode der Wissensvermittlung, die immer wieder abgeschrieben wird, aber doch nicht ausstirbt, aus gutem Grund. Sie ist – geschickt angewendet – sehr effektiv! Zwar setzt der Vortrag Wissen und Können bzgl. Rhetorik voraus, kann dann aber durch Mimik, Gestik und eingesetzte Medien Inhalte gut ins Gedächtnis bringen. Ähnlich, aber etwas individueller wäre das Lehrgespräch, dass dann auch gut auf konkrete Fragestellungen eingehen kann.

Story-Telling, Visualisieren

Nichts geht so gut ins Gedächtnis, wie eine gut erzählte Geschichte. Zugegeben, es liegt nicht Jedem, Wissen in Geschichten zu verpacken und auch noch spannend „rüberzubringen“, hilfreich ist es aber allemal, mit (mehreren) Beispielen Inhalte zu vermitteln. Auch das visuelle Darstellen von Zusammenhängen in Grafiken oder Sequenzen kann das Verständnis für ein Thema verbessern.

Zusammenfassen

Mit seinen eigenen Worten Vermitteltes wiederzugeben, fördert ebenfalls das Verstehen und Memorieren. Vielleicht ist es sogar eine der effektivsten Lernmethoden überhaupt.

Beim Zusammenfassen werden Lücken schnell deutlich. Bei mir persönlich wirkt das mündliche Zusammenfassen oft am Besten.

Gruppenarbeit

Ob eine Gruppenarbeit funktioniert, hängt stark vom Aufbau der Lerngruppe ab. Gibt es zu dominante oder extrem introvertierte Gruppenmitglieder, hilft die Gruppenarbeit nur begrenzt. Auch ist die Gefahr des persönlichen „Abschaltens“ vergleichsweise hoch.

Lernerfolge belohnen

Natürlich ist ein bestandenes Zertifikat, eine erfolgreiche Prüfung eine Motivation, das Feiern eines Lernerfolges wird vielleicht etwas unterschätzt. Als Stichwort sei hier die Gamification genannt, das Spielerische, das mit Belohnung arbeitet.

In der Fachliteratur stolpert man dann auch über die SQ3R16, PQ3R17 oder TQ3L18 Methoden. Diese sind im Wesentlichen Anwendungen der o.g. Methoden.

Egal welche Lernmethoden man anwendet, vermeiden sollte man:

  • Überdosierung
  • Einseitigkeit
  • Sätze auswendig lernen
  • wiederholtes Durchlesen
  • Textstellen markieren

Medien

Die Verwendung von unterschiedlichen Medien zur Wissensvermittlung ist ein durchaus komplexes Gebiet, weil es stark die persönlichen Lernpräferenzen tangiert.

Lehr- und Fachbuch

Manche lieben es, manche hassen es, das Lesen von Büchern im Allgemeinen und Lehrbüchern im Besonderen. Je nach Thema kann ein Lehrbuch auch durchaus schnell veralten oder an Gültigkeit verlieren. Neue Erkenntnisse einbringen ist bei Lehr- und Fachbüchern kaum realisierbar.

Begleitende Stoffsammlungen sind da etwas weniger problematisch. Sie müssen aber dann auch entsprechend konzipiert sein. Im Idealfall folgen sie einer dazugehörigen Präsentation und ergänzen diese.

Präsentation

Die Präsentation ist die Standard- und Allzweckwaffe bei der Lernstoffvermittlung, aber nur, wenn sie gut gemacht ist. Zugegeben, ich bin kein Freund von PowerPoint, zumal ich mich mehr auf Kontext als Formatierungen konzentrieren möchte. Zum quasi „Hassobjekt“ wurden Präsentationen aber durch eine oft falsche Anwendung. Was mich abschreckt, habe ich hier mal zusammengefasst, so z.B.:

  • zu viel Text, ganze Sätze
  • zu viele Animationen
  • Leseinhalte statt Stichpunkte
  • zu kleine Schrift
  • unübersichtliche Grafiken
  • „springende“ Überschriften

Es gibt ganze Regelwerke zur Erstellung von Präsentationen, in der Anwendung habe ich sie aber eher selten gesehen. Ob man es nun Zen nennt, auf dessen Grundlagen man Präsentationen erstellt oder einfach nur Ästhetik und Logik, sei dahingestellt, Reduktion ist auf jeden Fall ein guter Ratgeber. Die Konzentration sollte auf dem Vortrag liegen, nicht der Präsentation.

Die Präsentation als Nachschlagewerk ist jedenfalls eine denkbar schlechte Idee.

Handout

Eigentlich bietet es sich an, die Präsentationen mit Zusatzinformationen versehen dem Lernenden mitzugeben. Meist bleibt es aber bei der reinen Präsentation ohne weiterführende Erklärungen, sind die ja schon auf überfrachteten Folien zu lesen.

Betrachtet man das Handout aber als eigenständiges Medium, kann es eine gute Alternative zum Lehr- und Fachbuch werden, vielleicht sogar zum Nachschlagewerk.

Tafel, Whiteboard

Ich liebe dieses Medium, weil nicht nur eine (grafische) Darstellung präsentiert wird, was in einer Präsentation oder einem Bild genauso ginge – der Weg zum Ziel wird mit dargestellt. Man kann spontane Ideen mit einbringen und vorgefertigte Pfade verlassen. Im Zweifelsfall ist man am Problem des Lernenden viel näher dran, als in der Vorbereitung zum Thema.

Video

Die Sinnhaftigkeit und der Nutzen von Videos zum Lernen hängt von vielen Faktoren ab.

Handelt es sich um ein erklärendes Beispiel, wird kaum jemand den Nutzen anzweifeln. Abstraktionen hingegen oder Aufzeichnungen von gehaltenen Präsentationen oder Kamingesprächen hängt sehr von der Affinität des Lernenden zu diesem Medium ab.

Beim Anfertigen von Videos sollte auf jeden Fall die potentiellen Erwartungshaltung des Lernenden abgeglichen werden.

Positiv beim Video ist, Inhalte visualisieren19 zu können und – wenn man als Person vor einer Kamera steht, auch Rhetorik einsetzbar ist.

Audio

Spricht man über Podcast, werden manche Lernende abwinken, andere wiederum begeistert sein. Für mich sind Audio-Beiträge ein willkommenes Lernmedium für Autofahrten. Natürlich hängt der Wissensaufbau stark von meiner Erwartungshaltung ab. Reine Audioinhalte können eher der Befriedigung von Neugier, dem Wiedererkennen von „Buzzwords“ und dem Verstehen von Fachgesprächen dienen. Viel mehr würde ich hier nicht erwarten.

 

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