Immer wieder komme ich in Situationen, dass ich in der Kommunikation mit Menschen auf Hindernisse stoße. Ich finde das faszinierend und erschreckend zugleich, lassen sich die Hürden doch recht einfach erklären.
Schauen wir uns also die Kommunikation im Detail an.
Intension
Fangen wir bei dem an, wofür ich die Sprache einsetzen möchte. Da gibt es zunächst die Intension der Kommunikation, also dem Wunsch, dass mein Gegenüber mich versteht. Und nein, das ist nicht automatisch so, dazu aber später.
Kommunikation
Verwende ich Sprache als Kommunikationsmittel, bedeutet das, auf jegliche Formen einer Verschlüsselung zu verzichten, Fremdwörter zu vermeiden, mich dem (vermuteten) Niveau des Informationsempfängers anzupassen.
Das ist unter Umständen gar nicht so einfach, gerade, wenn Sender und Empfänger aus unterschiedlichen Alters- oder Bildungsklassen kommen.
Will man also sichergehen, dass das zu Vermittelnde tatsächlich beim Empfänger ankommt, ist es zielführend, eine einfache Sprache zu verwenden, die – wie bereits erwähnt – auf Fremdwörter verzichtet, aber auch unnötig komplizierten Satzbau vermeidet.
Kurze Sätze ermöglichen es dem Empfänger auch bei verminderter Merkfähigkeit, der Information zu folgen und vergleichsweise schnelle und treffsichere Schlüsse aus dem Vermittelten zu ziehen.
Distinktion
War der Begriff bekannt oder musste eine Suchmaschine zurate gezogen werden?
Ich kann Sprache zur Abgrenzung verwenden, mein Niveau in ein Verhältnis zum Gegenüber setzen. Beispiel gefällig?
Mit diesem Satz drückt Kant nicht nur seine Intension aus, sondern differenziert sich gleichzeitig von seinen Mitmenschen. Die Unterschicht muss oder vielleicht soll den Satz nicht verstehen. Die Oberschicht wiederum soll die Brillanz der Aussage würdigen, sich ggf. auch bewundernd auf eine geistig niedrigere Stufe als Kant stellen.
Bei gleichem Kontext hätte Kant auch sagen können:
Die Verständlichkeit wäre damit auf jeder sozialen wie Bildungsniveau zu fast 100% gegeben.
Kontent
Die Bandbreite von dem, was mit der Sprache vermittelt werden kann, ist immens. Die Wordcloud gibt schon mal einen kleinen Einblick in die Vielzahl der Inhalte.
Wenn man sich bei der Auswahl der zu verteilenden Informationen an die drei Siebe des Sokrates hält, hat man schon mal einen guten Filter für die ausgesendeten Signale an die Empfänger.
Mit dem Kontent der beabsichtigen Kommunikation hat man aber schon mal eine potentielle Fehlerquelle. Ist meine Intension überhaupt korrekt? Stimmt die Information mit meiner Absicht überein? Will ich Gutes tun, richte aber Schaden an?
Ich denke, spätenstens während der Grundschulzeit, ist dieses Zitat nicht nur einmal an unsere Ohren gedrungen. Inwieweit die Bedeutung angekommen ist, sei mal dahingestellt.
Sprache, Dialekt
Logisch, wenn man eine andere Sprache spricht, als der Empfänger, sind zumindest Missverständnisse vorprogrammiert, selbst, wenn das Gegenüber über Kenntnisse in der ausgesandten Sprache verfügt.
Auch Dialekte erleichtern Kommunikation nicht unbedingt, was ich zu meinem eigenen Leidwesen mehrfach feststellen musste.
Sprache ist übrigens nicht nur länder- und regionsspezifisch, sondern ebenso von der Branche und deren Subfunktionalitäten. Entwickler sprechen oft nicht die gleiche Sprache, wie Tester oder die Qualitätssicherung. Vom Service will ich gar nicht sprechen!
Formulierung
Nach der Intension kommt bereits die zweite, potentielle Fehlerquelle. Drücke ich mich sprachlich so aus, dass meine Intension in geeigneter Weise das Kommunikationsmedium erreicht?
Das erscheint zwar logisch, aber wie oft ist der Mund schneller als der Gedanke, die Finger auf der Tastatur ungeschickter sogar als die Autokorrektur?!
Unterschätzen wir also nicht, was eine Formulierung aus der Intension verdrehen oder verhackstücken kann.
Medium
Ich gebe zu, es gibt eigentlich nur zwei Medien, die ich glaube gut genug zu beherrschen, sie für gezielte Kommunikation einsetzen zu können. Das wären Stimme und Schrift.
Natürlich kann ich graphisch meine Aussagen ergänzen, vielleicht auch Aspekte schärfen. Genauso gut kann ich aber auch dank Stiftlegasthenie das Gegenteil erreichen und für ordentlich Chaos bei meinem Informationsempfänger sorgen.
Daher beschränkte ich mich bei den Betrachtungen auf die erwähnten beiden Medien Stimme und Schrift.
Stimme
Besucht man ein Sprachtraining, wie z.B. bei dem Schauspieler und Sprachtrainer Peter Engel, bekommt man erst einmal einen Eindruck von dem, was das gesprochene Wort für Wirkungen erzielen kann.
Zu leise, zu laut, zu hoch, zu tief, zu schnell, zu langsam, zu viel Modulation, zu wenig davon – all das beeinflusst, welche Möglichkeiten der verbalen Akustik gegeben werden. Dieses Feld ist so breit gefächert, dass ich es lieber den Profis überlassen und nur auf die Grundkonzepte hinweisen möchte.
Schrift
Ähnlich variantenreich wie die Stimme ist die Schrift.
Zu groß, zu klein, zu eng, zu weit, zu geneigt wäre erst einmal eine erste Sammlung an Aspekten, die Schrift vom Kommunikationsmedium zur Kryptografie verwandeln können.
Schriftsysteme, Schriftausrichtung sind weitere Argumente für das Vereinfachen oder Verkomplizieren von Kommunikation.
Kognition
Während sich die bisherigen Ausführungen mit dem Sender von Informationen beschäftigt haben, kommen wir nun zur Empfängerseite, die Antennen, die Augen, das Ohr.
Die auf dem verwendeten Medium übermittelten Informationen erreichen den Empfänger zunächst über die Kognition, primär das Sehen und Hören.
Fähigkeiten
Jetzt wird die Sache aber spannend. Kann der Empfänger die Informationen überhaupt aufnehmen? Liegen die erforderlichen Fähigkeiten vor? Kann mein Gegenüber ausreichend hören oder lesen?
Die Fähigkeiten können aus verschiedensten Gründen eingeschränkt sein. Geschriebenes beim Kleinkind wird genauso wenig auf Anklang stoßen, wie leise Worte beim altersgeschwächten Ohr, wie kyrillische Buchstaben beim Lateiner oder arabische Zeichen für den Chinesen.
Es gehören also durchaus Fähigkeiten dazu, selbst bei ausreichender Kognition, dass Informationen aufgenommen werden können.
Filter
Habe ich nun die Vermutung, dass meine Intension bis ins Hirn des Informationsempfängers unverändert vorgedrungen ist, kommt bereits die nächste Hürde, ein Filter, der von verschiedenen Aspekten abhängig ist.
Interesse
Erzählen Kinder vom neusten Computerspiel, bin ich raus. Mein Filter blockt, dieser Kontent erreicht mein Verständnis höchstens, wenn ich mich thematisch mit dem Inhalt beschäftige. Umso besser funktionieren meine Antennen bei Themen, für die ich mich interessiere, ich also (positiv) getriggert werde.
Diese Filter sind zugegebenermaßen auch altersabhängig.
Geschlecht
Männer und Frauen – ich belasse es mal bei diesen beiden Hauptgruppierungen – können nicht reibungslos miteinander kommunizieren. Informationsverluste, wohin das Ohr hört, das Auge schaut.
Dass diese Aussage nicht (nur) auf Vorurteilen basiert, erklärte schon Vera F. Birkenbihl auf sehr spannende Art und Weise.
Kultur, Religion
Nicht zu vernachlässigen sind auch kulturelle oder religiöse Befindlichkeiten in der Verarbeitung von Informationen. So können die Geschlechterrollen1 zum Teil stark variieren, religiöse Befindlichkeiten die Wahrnehmung von Informationen beeinflussen.
Auch wenn die politischen Grenzen zwischen den Menschen immer durchlässiger werden, die Lokalisierung in den Köpfen besteht oft über Generationen. Und auch wenn man es einer Person äußerlich nicht ansieht, können ihre Verhaltensweisen von landestypischen Eigenheiten geprägt sein.
Neurodiversität
Nachdem die Neurodiversität2 immer bekannter wird, sollte einem bewusst werden, das die Sprache sender- und empfängerseitig auch durch diese Spielart der Denkmechanismen variiert. Immerhin sind 10-20% der Bevölkerung mehr – oft aber auch weniger ersichtlich betroffen.
Natürlich muss man nicht explizit nachfragen, ob das Gegenüber neurodivers ist, man sollte nur die Möglichkeit in Anbetracht ziehen und ggf. bei Missverständnissen das Kommunikationsschema wechseln.
Beruf/Erfahrung/Mindset/Affinität
Wie unter Sprache/Dialekt bereits erwähnt stellen Beruf, Erfahrungen oder das Mindset3 die Filter für Informationen auf Durchlass oder sperren einfach.
Wenn ich z.B. rein zufällig mit Themen aus der Fotografie behelligt werde, könnte es sein, das meine Ohren ganz besonders geschärft werden und meine Filter weit offen stehen. Bei Themen den Garten betreffend, wandert mein nicht-grüner Daumen ganz tief in die Gehörmuschel.
Interpretation
Haben die Informationen mit ihrer Intension neben den Eingang ins Hirn auch den Weg ins Bewusstsein und Interesse gefunden, ist noch immer nicht klar, was aus dem Empfangenen gemacht wird.
Die Interpretation der Information stellt gewissermaßen die letzte Instanz in der Verarbeitung der ausgesendeten Intension dar. Und hier kann genauso viel schiefgehen, wie bei den ganzen vorhergegangen Schritten in der Kommunikation.
(Re-)Kombination
Es ist die (Re-)Kombination empfangener und vorhandener Informationen, die zum Gesamtbild der übermittelten Information führt.
Angenommen, die ausgesendete Nachricht passt in mein Denkschema, sind Zustimmungen zu erwarten, genauso wie Widerspruch bis hin zum Protest, wenn sie meiner kulturellen, moralisch/ethischen Erfahrung oder persönlicher Evidenz zuwider steht.
Persönliche Ziele
Manchmal sind es aber auch die persönlichen Ziele des Informationsempfängers, die trotz Widerspruch zum Wissen, konträre Reaktionen nach sich ziehen.
Schaut man sich also den ganzen Pfad der Kommunikation an, wird klar, wie viele Unabwägbarkeiten von der Intension zur Reaktion zu erwarten sind.
Ich bin kein Sprachwissenschaftler, nur Ingenieur und somit einer technischen Sichtweise auf das Kommunikationsproblem auf der Spur. Daher soll meine Herleitung nur eine kleine Ideensammlung für mögliche Missverständnisse darstellen – und im besten Falle helfen, beide Seiten besser zu verstehen.