Ständig lese ich so aufrüttelnde Beiträge, wie man die „blau-braune Partei“ „bekämpfen“ müsste. „Die haben doch keine Lösungen und sie sind keine Lösung für Deutschland!“, ist ein typisches Argument, dem aber eigentlich der Nachsatz fehlt, „… wir aber auch nicht.“.
Dass das politische System mit diversen Problemen zu kämpfen hat, ist nichts Neues. Ich selbst habe diverse Male bereits über Änderungsbedarfe geschrieben. Jetzt kann man sich darüber aufregen oder auf Wunder hoffen, nützen wird es (vorerst) nichts.
Genausowenig bringt es m.E. etwas, den politischen Gegner zu „bashen“, deren Defizite aufzuzeigen. Haben wir es nur mit Symptombekämpfung statt Lösungssuche zu tun?
Wir brauchen nur ins Geschichtsbuch zu schauen, um zu sehen, warum etwas passiert und wie es passiert. Wirtschaftliche und soziale Probleme verbunden mit politischen Zeigefingern in alle erdenklichen Richtungen gaben bereits schon einmal einer „Protestpartei“ die Chance zum Aufstieg.
Der Geschichtslehrer der neubraunen Partei hat völlig richtig Analogien gezogen und sich positioniert, nämlich möglichst weit oben. Er hat auch seine Gefolgschaft auf potentielle Opferbarkeit hin ausgesucht, die entweder intellektuell unbewaffnet sind oder aber durch sexueller Orientierung einen vermeintlichen Normverstoß darstellen. Leichte Ziele mit großem „Obvious-Faktor“.
Was macht aber die politische „Mitte“ und die, die sich dafür halten? Man sucht den Splitter im Auge des Bruders, sieht den Balken im Eigenen jedoch nicht.
Dass die Blauen erstarken konnten, ist die Konsequenz aus Lobbyismus, Klientelpolitik, Ignoranz gegenüber der Bevölkerung und – auch wenn wir es nicht hören wollen – mangelndem Idealismus.
Da nützt es vergleichsweise wenig, wenn eine Partei die richtigen Ziele verfolgt, aber unrealistische Methoden verwenden möchte und die Bevölkerung nicht abholt, die andere Partei glaubt, dass die Wirtschaftsspitzen aus Leistungsträgern besteht. Es nützt auch nichts, wenn man friedliche konservative Zeiten der Alten mit dem konfliktbeladenen Heute vergleicht.
Aufgabe für die nicht-braunen Parteien wäre, in eine präzise Analyse einzusteigen. Wo drückt den Menschen der Schuh, egal welche Farbe er hat? Was man nämlich leider immer wieder vergisst, die Wähler haben echte Nöte und Sorgen. Sie haben eine Zukunft vor Augen, die Arbeitsplätze wegrationalisiert und gleichzeitig Alternativen wie z.B. Bürgergeld abschafft.
Vor ihren Augen spreizt sich die Schere zwischen Arm und Reich, die auf ihren Mieten beruhen. Sie erleben, dass der Schutz der Menschen, den die EU durch Verordnungen erreichen will, sehr teuer erkauft wird und normale Vorgänge bis zur Unlösbarkeit erschwert.
Die Wähler sehen, wie der Nachwuchs zum Überlebensrisiko gerät, bereits bevor es zu einer Geburt kommt, dass die Konservativen zwar über Fachkräftemangel klagen, aber Frauen durch mangelnde Kinderbetreuung aus qualifizierter Arbeit drängen. Sie sehen auch, wie man sich im Dauerwahlkampf zerfleischt, statt während der Zeit zwischen den Wahlen Burgfrieden herbeizuführen und konstruktiv zu arbeiten.
Auch wenn das Bildungssystem massive Schwächen hat, haben wir den Wähler noch nicht dumm genug bekommen, dass ihm die Zusammenhänge nicht früher oder später klar werden. Da braucht es keine Lösungsansätze aus dem braunen Sumpf, ein einfaches „Wir machen es anders!“ reicht dann schon!
Wenn ihr, liebe Volksvertreter der unblauen Parteien euch endlich um euere Aufgabe kümmern würdet und Lösungen für die offensichtlichen Probleme herbeiführen würdet, müsstet ihr auch nicht in den Kampf gegen die Ewiggestrigen ziehen. Wie mir aber scheint, ist euch der einfache Weg des „Bashings“ lieber, das Vergessen leglicher demokratischer Grundregeln, was möglicherweise auch „Finanzministern aus Verzweiflung“ zu vernünftigen Entscheidungen verhelfen könnte.
Brot und Spiele sind euch wichtiger, als das Lösen milliardenschwerer Steuerhinterziehung. Ihr hängt euch das Plakat der Meinungsfreiheit um den Hals, gebt aber der Medienlandschaft alle Macht zum Framing, zum Nudging. Ihr habt die Herrschaft der Deutungshoheit der Nachrichten aufgegeben, zugunsten der eigenen Brieftasche. Ihr fordert Resilienz, wo Wut angebracht wäre!