Die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus wirft lange Schatten auf die globale Technologielandschaft. Während der t3n-Artikel die Herausforderungen für Europa beleuchtet, bedarf es einer noch tiefgreifenderen Analyse und mutigeren Vision für Europas digitale Zukunft.
Gerechte Besteuerung als Fundament
Ein Kernaspekt, den der ursprüngliche Artikel nur streift, ist die dringende Notwendigkeit einer gerechten Besteuerung von Tech-Konzernen.
Europa muss aufhören, aus Bequemlichkeit oder Angst vor wirtschaftlichen Konsequenzen die Steuervermeidungsstrategien multinationaler Unternehmen zu tolerieren. Eine faire Besteuerung würde nicht nur die Staatskassen füllen, sondern auch gleiche Wettbewerbsbedingungen für europäische Unternehmen schaffen. Um dies zu erreichen, sollte Europa:
- Eine einheitliche EU-Strategie entwickeln, einschließlich der Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips bei Steuerfragen im EU-Rat.
- Eine EU-weit gemeinsame konsolidierte Bemessungsgrundlage für Körperschaftsteuern einführen.
- Das Konzept der „digitalen Betriebsstätte“ im europäischen Steuerrecht umsetzen.
- Transparenz durch konsequente Umsetzung und Erweiterung der Richtlinie über öffentliche länderspezifische Berichterstattung fördern.
- Aktiv an globalen Initiativen wie den OECD-Vorschlägen zur Digitalsteuer teilnehmen.
- EU-Mitgliedstaaten ermutigen, vorübergehend nationale Digitalsteuern einzuführen.
Diese Maßnahmen würden nicht nur zu einer gerechteren Besteuerung führen, sondern auch Europas Position in der globalen Technologielandschaft stärken.
Überwindung der Tech-Dominanz durch proaktives Handeln
Europa muss aufhören, die Dominanz der Tech-Giganten aus Bequemlichkeit hinzunehmen. Stattdessen gilt es, eine zielführende Agenda aufzubauen, die menschenzentriert ist und nicht auf Gewinnmaximierung ausgelegt ist.
Dies könnte beinhalten:
- Förderung von Open-Source-Projekten, die gesellschaftlichen Nutzen in den Vordergrund stellen
- Investitionen in Bildungsprogramme, die digitale Kompetenz und ethisches Bewusstsein fördern
- Entwicklung von KI-Systemen, die speziell auf europäische Werte und Bedürfnisse zugeschnitten sind
Strategische Ausrichtung
Der zweite Strategieplan für Horizont Europa 2025-2027 legt einen Schwerpunkt auf ein „widerstandsfähigeres, wettbewerbsfähigeres, inklusiveres und demokratischeres Europa“. Dies unterstreicht die Absicht, technologische Entwicklungen stärker an den Bedürfnissen der Bürger auszurichten.
Ethik und Vertrauenswürdigkeit
Die EU setzt sich aktiv für „innovative, sichere, vertrauenswürdige, menschenzentrierte und nachhaltige Künstliche Intelligenz (KI)“ ein. Dies zeigt das Bestreben, ethische Aspekte und Vertrauenswürdigkeit in den Mittelpunkt der Technologieentwicklung zu stellen.
Nutzerzentrierte Gestaltung
Es wird betont, dass neue Anwendungen „den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Menschen gerecht werden, Neugierde und Begeisterung wecken, hinlänglich verstanden werden sowie deutliche Vorteile und ein positives Nutzererlebnis versprechen“ müssen. Dies unterstreicht die Wichtigkeit einer nutzerzentrierten Gestaltung von Technologien.
Gesellschaftlicher Nutzen
Neue Technologien werden nicht nur als Wirtschaftsfaktor gesehen, sondern auch als „Schlüssel zur Lösung wesentlicher gesellschaftlicher Fragen“ wie Klimaschutz, Ressourceneffizienz und Stabilisierung des Gesundheitssystems. Dies zeigt den Fokus auf den breiteren gesellschaftlichen Nutzen von Innovationen.
Kommunikation und Einbindung
Es wird die Notwendigkeit einer „transparenten und faktenbasierten Kommunikation von Technologie- und Innovationsthemen“ betont, um „Ängste vor technologischen Neuerungen zu nehmen und für die Chancen zu begeistern“. Zudem wird die Wichtigkeit der Einbindung von Belegschaften bei der Einführung neuer Technologien hervorgehoben.
Diese Aspekte verdeutlichen, dass die europäische Technologie- und Innovationspolitik zunehmend darauf abzielt, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und Technologien so zu gestalten, dass sie den Bedürfnissen und Werten der Gesellschaft entsprechen.
Agenda der Zusammenarbeit ohne Vorurteile
Europa sollte eine Agenda der Zusammenarbeit ohne Vorurteile, überholte Narrative oder überzogenes Ego verfolgen. Dies erfordert:
- Offenen Dialog zwischen Tech-Unternehmen, Regierungen und Zivilgesellschaft
- Förderung von internationalen Kooperationen in Forschung und Entwicklung
- Schaffung von Plattformen für den Austausch von Best Practices in der Technologieregulierung
Länderübergreifende Zusammenarbeit als Pares Inter Parem
Die EU strebt eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit internationalen Partnern an. Dies spiegelt sich in den digitalen Partnerschaften wider, die die EU mit Japan, der Republik Korea, Singapur und Kanada eingegangen ist.
Diese Partnerschaften basieren auf dem Prinzip der Gleichberechtigung und des gegenseitigen Respekts.
Stärken und Schwächen kennen und berücksichtigen
Ein wichtiger Aspekt der EU-Strategie ist die realistische Einschätzung der eigenen Position.
Die EU erkennt die Notwendigkeit, strategische Abhängigkeiten in wichtigen Technologiebereichen und Wertschöpfungsketten zu verringern, während sie gleichzeitig ihre Stärken in Bereichen wie Regulierung und Standardsetzung nutzt.
Dies zeigt sich in der Fokussierung auf Schlüsseltechnologien wie KI, Quantencomputing und Halbleiter in den internationalen Partnerschaften.
Ego zurückfahren
Die EU setzt verstärkt auf multilaterale Zusammenarbeit und offene Wissenschaft, um globale Herausforderungen anzugehen.
Dies erfordert eine Haltung, die das kollektive Wohl über nationale Eitelkeiten stellt. Der Bericht zur Umsetzung des globalen Ansatzes für Forschung und Innovation betont die Bedeutung der Wissenschaftsdiplomatie und die Integration der Forschungs- und Innovationspolitik in die breitere Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Dies unterstreicht den Willen der EU, einen kooperativen und inklusiven Ansatz in der internationalen Zusammenarbeit zu verfolgen.
Europa als einheitlicher Wirtschaftsraum
Um die Marktmacht von 450 Millionen potenziellen Nutzern wirklich zu nutzen, muss Europa als einheitlicher Wirtschaftsraum agieren. Dies erfordert:
- Abbau von Vorteilen einzelner Länder, insbesondere von Steueroasen innerhalb der EU
- Harmonisierung von Digitalgesetzen und -standards über Landesgrenzen hinweg
- Schaffung eines echten digitalen Binnenmarktes, der Innovationen fördert und Skaleneffekte ermöglicht
Holistische Konzepte für eine nachhaltige Zukunft
Um wirklich zukunftsfähig zu sein, muss Europa in holistischen Konzepten denken. Dies bedeutet:
- Integration von Technologiepolitik mit Umwelt-, Sozial- und Wirtschaftspolitik
- Förderung von Technologien, die zur Lösung globaler Herausforderungen wie Klimawandel beitragen
- Entwicklung von KI-Systemen, die nicht nur effizient, sondern auch ethisch und nachhaltig sind
Fazit: Mut zur Vision
Der t3n-Artikel bietet einen guten Ausgangspunkt für die Diskussion über Europas digitale Zukunft. Doch um wirklich voranzukommen, braucht es mehr als nur Reaktionen auf amerikanische Politik. Europa muss den Mut haben, eine eigene, visionäre Agenda zu entwickeln – eine Agenda, die Technologie als Mittel zum Zweck sieht, um eine gerechtere, nachhaltigere und menschlichere Gesellschaft zu schaffen.
In einer Welt, die von Polarisierung und technologischem Wettrüsten geprägt ist, könnte Europa eine dritte Option bieten: einen Weg, der Innovationen fördert, ohne ethische Prinzipien zu opfern, der wirtschaftlichen Erfolg mit sozialer Verantwortung verbindet und der die Macht der Technologie nutzt, um das Leben aller Bürger zu verbessern.
Diese europäische Antwort auf die Herausforderungen des digitalen Zeitalters basiert nicht nur auf Regulierung und Besteuerung, sondern auf einer ganzheitlichen Vision für eine digitale Zukunft, die allen dient. Sie erfordert Mut, Zusammenarbeit und den Willen, über kurzfristige nationale Interessen hinauszudenken. Nur so kann Europa seine Position in der globalen Technologielandschaft nicht nur behaupten, sondern auch als Vorreiter für eine ethische und menschenzentrierte Technologieentwicklung vorangehen.