Ein Gedankenspiel mit WLAN-Lücke
Stellen wir uns vor: Jesus von Nazareth lebt heute. Er ist ein charismatischer Wanderprediger, Influencer mit Hang zur Tiefgründigkeit und einem Faible für disruptive Lebensweisheiten. Er spricht auf TEDx, postet Storys über Nächstenliebe, lässt Algorithmen schwitzen – und dann ist er plötzlich drei Tage offline. Kein Snap, kein Reel, kein Livestream aus der Wüste. Einfach Stille.
Was passiert in einer Welt, die gewohnt ist, jederzeit erreichbar zu sein?
„Gesehen um 12:43 – keine Antwort“
Die ersten Stunden: Sorge in den Gruppen-Chats. Maria Magdalena schreibt „Bist du okay?“ in mehreren Varianten. Johannes startet einen neuen Telegram-Kanal mit Verschwörungstheorien. Petrus liked vorsichtshalber alle alten Posts, in der Hoffnung auf ein digitales Lebenszeichen.
Dann: Nachrichten-Tsunami. Die Welt dreht sich weiter. Kriege brechen aus, Börsenkurse schwanken, ein Politiker sagt wieder etwas Fragwürdiges. Zwischen Shakira-Comebacks und neuen iPhones verblasst die Erinnerung. Der Algorithmus vergisst schnell – oder will vergessen lassen.
Kein Hashtag, kein Hero
Und doch: Kein Trend. Kein Hashtag #ReturnOfTheKing, kein viraler Hype um eine Superheldenfigur. Jesus kommt nicht zurück mit einem Sponsoring-Deal. Keine Post-Credit-Scene mit Marvel-Logo. Sondern mit offenen Wunden, ohne Branding, aber mit einer Botschaft, die unbequem bleibt.
Denn er kam nicht, um Klicks zu sammeln, sondern um Missstände zu zeigen – und auszuhalten. Kein Filter für das, was wehtut.
Die Nachrichten, die er verpasste – oder ignorierte?
In seiner Abwesenheit hat sich die Welt weitergedreht. Aber auch die kleinen, menschlichen Nachrichten gingen verloren: Ein Freund verlor seinen Job, eine Schwester wurde Mutter, jemand beichtete öffentlich, dass er heimlich glaubt – oder zweifelt.
Jesus hätte vieles verpassen können. Oder auch nicht. Vielleicht ging es gerade darum: Um das Aushalten von Stille, das Zulassen von Nicht-Kommunikation. Darum, dem Dauerrauschen zu entkommen.
Römische Spannungen und digitaler Gehorsam
Damals war es der vorauseilende Gehorsam gegenüber den Römern, der das Schweigen forderte. Heute sind es Algorithmen, wirtschaftliche Interessen, Cancel Culture und Meinungstrends, die darüber entscheiden, wer spricht – und wer schweigt. Der Druck, sich zu äußern, Stellung zu beziehen, sich zu inszenieren, ist allgegenwärtig.
Doch Jesu Offline-Zeit war keine PR-Pause. Sie war Protest. Gegen Ungerechtigkeit. Gegen Systemlogiken, die Leben in Zahlen messen. Gegen eine Welt, die nur das laute Leiden sieht – nicht das stille.
Die Wiederkunft als Push-Nachricht?
Was, wenn das Comeback kam – und niemand war online? Oder alle dachten, es sei ein Deepfake?
Vielleicht ist das größte Wunder nicht die Auferstehung an sich, sondern dass jemand drei Tage lang nicht erreichbar war – und wir heute noch darüber sprechen. Vielleicht ist der leere Grabstein das erste Zeichen eines Offline-Modus, der uns retten kann.
Fazit: Auferstehung als digitaler Reset
Jesus war drei Tage offline. Kein Empfang, keine Signale, keine Updates. Und trotzdem – oder gerade deswegen – veränderte sich alles. Vielleicht ist es an der Zeit, unsere eigenen Offlines ernst zu nehmen. Nicht als Rückzug, sondern als Rebellion gegen das Vergessen. Gegen das Oberflächliche. Gegen eine Welt, die alles weiß – und nichts versteht.
Die Frage ist: Wenn dein letzter Post alles wäre, was von dir bleibt – was würdest du schreiben?
Influencer mit Dornenkrone
Stellen wir uns vor: Die Rückkehr passiert doch. Jesus taucht auf – irgendwo zwischen Kommentarspalte und Nachrichten-Ticker. Kein Blitz, kein Donner. Kein „Ich bin’s wirklich“ mit Zertifizierungshaken. Nur ein Mensch mit einem Blick, der durch die Filter sieht.
Die Interviewanfragen stapeln sich, Talkshows buhlen um Exklusivrechte. Doch er bleibt still. Lässt sich nicht zu Kurzstatements drängen. Kein „Wie fühlen Sie sich?“ vor der Kamera. Kein Clickbait-Zitat fürs Abendprogramm. Nur Gesten. Nur Gegenwart.
Und auf TikTok? Ein 10-sekündiger Clip, unbearbeitet, mit dem Text: „Folge mir – aber nicht nur hier.“
Drei Millionen Likes. Fünfzigtausend Duettversuche. Und trotzdem verstehen die wenigsten, worum es geht.
Der Algorithmus der Barmherzigkeit
In einer Welt, in der Künstliche Intelligenzen längst unsere Stimmungen besser kennen als unsere Freunde, wäre Jesu Botschaft eine radikale Unterbrechung. Kein Optimierungsversuch. Keine Performance. Stattdessen: Barmherzigkeit als Bug im System.
Er heilt – nicht, um viral zu gehen, sondern weil es weh tut, nicht zu helfen. Er spricht – nicht, um zu überzeugen, sondern um zu verbinden. Und er schweigt – dort, wo Worte nur noch Lärm wären.
Plötzlich hat „Follower“ wieder Gewicht. Nicht als Metrik, sondern als Beziehung. Nicht „Fans“, sondern Menschen auf dem Weg. Mit Zweifeln. Mit Brüchen. Mit offenen Fragen.
Kapitalismus und das verlorene Schaf
Während Großkonzerne mit Erlösungsversprechen um sich werfen – „Jetzt abonnieren und Frieden finden!“ – läuft Jesus einem einzigen Verlorenen hinterher. Kein Massenmarkt. Keine Conversion-Rate. Nur der Wert eines Einzelnen.
Die Wirtschaft versteht ihn nicht. Die Politik fürchtet ihn. Die Influencer kopieren ihn.
Und trotzdem – oder gerade deswegen – bleibt er unerreichbar. Kein Product Placement im Abendmahl. Kein NFT der Dornenkrone. Kein Sponsoring-Deal mit einem Tech-Giganten.
Die Timeline endet nicht am dritten Tag
Vielleicht geht es gar nicht um das große Finale. Sondern um die stille Revolution danach.
Darum, wie jemand lebt, nachdem alles hätte enden können – und doch weitergeht. Ohne Groll. Ohne Rache. Aber mit offenen Händen.
Was, wenn Auferstehung weniger ein Event ist – und mehr eine Haltung?
Ein täglicher Neustart. Jenseits der Likes, jenseits der Rankings, jenseits des Lärms.