Ich bin Ficus Benjamini. Stehpflanze, stiller Beobachter und zynischer Seelenverwalter dieses Haushalts. Mein Dasein besteht aus Lichtsuche, Wassermangel und dem ständigen Risiko, umgestoßen zu werden. Doch all das ist nichts gegen den Terror, den ich mit zwei Dingen teilen muss: der Katze und dem Sofa. Gemeinsam bilden wir das epischste Dreieck der modernen Wohnzimmertragödie. Hier ist unsere Geschichte – in drei Akten.
Akt I – Das Sofa zieht ein (und ich werde umplatziert)
Es beginnt mit einem Möbelstück. Neu. Groß. Aus grauem Stoff, der laut Beschreibung „kratzfest, fleckresistent und familiengeeignet“ ist. Ich wusste sofort: Das Ding wird leiden. Die Familie versammelt sich wie bei einer Einweihungszeremonie. „Endlich genug Platz für alle!“ ruft die Mutter euphorisch. Der Vater macht Selfies mit der Fernbedienung.
Ich? Ich werde „ein bisschen verschoben“, weil das neue Sofa „mehr Raum braucht“. Ich lande drei Meter weiter links, direkt neben dem Heizkörper. Licht? Nur noch sporadisch. Aufmerksamkeit? Null. Die Katze hingegen springt sofort auf das neue Möbelstück, als hätte sie es bestellt.
Sie schnuppert, kratzt, rollt sich genüsslich ein. Ihre Augen blitzen. Sie hat einen Plan. Ich sehe es. Ich bin nicht dumm. Ich bin nur grün.
Akt II – Die Besetzung des Sofas
Die Katze übernimmt. Komplett. Niemand darf sitzen, wo sie liegt. Sie thront wie eine Gottheit, umgeben von Fernbedienungen, Krümeln und resignierten Familienmitgliedern. Das jüngere Kind legt sich einmal auf sie – es gibt Kratzspuren, psychische Narben und einen Lerneffekt. Seitdem sagt man: „Lass sie. Das ist jetzt ihr Platz.“
Doch die Beziehung zwischen Katze und Sofa ist… intensiv. Sie liebt es. Zu sehr. Ihre Krallen bohren sich täglich in die Seitenlehnen. Sie testet die Reißfestigkeit der Polster mit akribischer Konsequenz. Der Vater kauft ein Abwehrspray. Die Katze niest – und kratzt weiter.
Ich beobachte das Drama. Ich könnte lachen, wenn meine Photosynthese nicht so eingeschränkt wäre. Stattdessen verliere ich leise ein Blatt – mein stilles Lachen.
Akt III – Der Krieg eskaliert (und ich werde Kollateralschaden)
Eines Abends stürzt das pubertierende Kind aufs Sofa – laut, schwer, theatralisch. Die Katze liegt dort. Sekunden später: ein Aufschrei, ein Fauchen, eine Explosion aus Fell und Emotion. Die Katze flüchtet. Direkt in meine Richtung. Sie springt auf meinen Topf. Nicht daneben. Nicht vorbei. MITTEN DRAUF.
Ich schwanke. Ich kippe. Meine Erde verteilt sich wie ein Teppich der Trauer. Meine Wurzeln liegen blank. Die Familie ruft: „Oh nein, der Ficus!“ – aber niemand reagiert. Die Mutter rennt der Katze hinterher. Der Vater sucht die Polsterreinigung. Ich werde… ignoriert. Wieder einmal.
Nach Stunden werde ich halbherzig aufgerichtet. Meine Erde zurückgestopft. Meine Blätter aufgesammelt – wie Trostpreise in einem Spiel, das ich nie gewinnen kann. Das Sofa bekommt eine Schonauflage. Die Katze bekommt ein Kissen. Ich bekomme – nichts.
Fazit: Das Sofa lebt, die Katze regiert, ich… ertrage
Ich bin Ficus Benjamini. Ich habe eine Couchkrise überlebt, eine feline Belagerung, eine mittlere Verwurzelungskatastrophe. Ich bin Zeuge eines absurden Wohnzimmer-Kräftemessens geworden – und wie immer: unbeachtet, stumm, grün.
Aber ich stehe noch. Und wenn mich das nächste Mal jemand fragt: „Was ist los mit deiner Pflanze?“ – dann sage ich nichts. Ich schüttel nur leise ein Blatt ab. Als Geste. Als Kommentar. Als Warnung.