Missachtung eines Berufsstandes

Missachtung eines Berufsstandes

Was gibt es nicht alles für Vorurteile. Lehrer, vormittags haben sie recht, nachmittags frei. Und da wären ja auch noch die Ferien, usw.

Krisen trennen Spreu vom Weizen – das zeigt die Corona-Pandemie auch mal wieder auf hervorragende Weise.

Aber fangen wir von vorne an. Der Lehrerberuf hat Tradition in meiner Familie, alleine sechs Lehrer in direktem Umfeld ermöglichen schon einen gewissen Einblick in die Situation, ein bisschen kann ich also mitreden und auch aus dem Nähkästchen plaudern.

Auf die Feriensituation angesprochen kann man nur sagen, „Intelligenz beginnt mit der Berufswahl“. Natürlich sind Ferien keine reguläre Arbeitszeit, aber reine Freizeit sind sie nun mal auch nicht. Den Blick von potentiellen Themen für Schüler, Arbeitsmaterialien oder Weiterbildungsangebote kann ein Lehrer kaum abschalten.

Den Vorwurf des „nachmittags frei“, kann man getrost zu den Mythen des Lehrerberufs zählen. Unterricht bereitet sich nicht von alleine vor, Arbeitsmaterialien fallen nicht vom Himmel und so sitzen viele Lehrer oft nächtelang und erreichen locker die 40 Stunden in der Woche, die jedem anderen Arbeitnehmer Standard sind. Es können aber auch schnell mehr Stunden werden, wenn mal wieder Proben zu erarbeiten, zu korrigieren oder Zeugnisse zu erstellen sind.

Kommen dann noch Nebenthemen wie die Arbeit an einer Schülerzeitung dazu, wo wir uns den Spaß gemacht haben, die Stunden mal zu erfassen, fallen 160 Stunden mal ganz nebenbei an. Die Stunden der Arbeitsgemeinschaft sind da nicht mit eingerechnet.

Aber das soll’s zur Rechtfertigung auch schon gewesen sein. Die Argumente sind nicht neu, genausowenig wie die Vorwürfe. Man hat sich daran gewöhnt und letztlich damit arrangiert.

Womit man sich aber nicht arrangieren darf, ist die technische Ausstattung der Lehrer. Gerade jetzt, wo Home-Schooling zur Lösung Nummer 1 im Lerngeschehen wird, zeigt sich, was Staat, Bundesland und Träger von Schulen verweigern.

Fangen wir bei der technischen Ausstattung an.

Kein Ingenieur, Architekt oder Buchhalter bringt seinen eigenen Computer in die Arbeit mit, geschweige denn, die spezifische Software ginge auf Privatkosten. Vom Lehrer wird das einfach so erwartet.

Nicht nur, dass die Laptops oder Tablets von Lehrern in der Regel Privateigentum sind, die Qualität der Administration der Rechner hängt wesentlich von der Technikaffinität der Familienmitglieder ab. So auch der Datenschutz.

Unverschlüsselte Festplatten und USB-Sticks dürften die Regel statt die Ausnahme sein, Datenträger, auf denen Schülerdaten bis hin zur Kommunikation mit den Eltern, ggf. auch Schulbehörden oder gar schulpsychologischen Diensten enthalten sind.

Die ganz große Nummer hat dann der Lehrer gezogen, bei dem solche Verstöße aktenkundig werden. Dann können sich Schulämter & Co. aus der Verantwortung ziehen und den engagierten Lehrer an den Pranger stellen. Er hätte es ja wissen müssen.

Aber muss ein Lehrer sich tatsächlich mit IT-Themen auskennen? Ist es nicht seine Aufgabe, Wissen zu vermitteln? Studieninhalte dürften wohl eher im Bereich Pädagogik, also Wissensvermittlung, Psychologie und die jeweiligen Fachthemen sein, die der Lehrer ausgewählt hat.

Ein kurzer Blick auf die Ausbildungspläne von Lehrern hat ein Dilemma schnell aufzeigen können – Computerkurse sind deutlich unterrepräsentiert. Technisches Wissen über Computer, Basis-Knowhow bzgl. Betriebssystemen, potentiellen Medien zur Wissensvermittlung – also das Handwerkszeug des modernen Unterrichtens wird kaum oder gar nicht gelehrt.

Toolwissen alleine wäre zwar schon mal ein guter Anfang, Wissen über Datenschutz in Theorie und Praxis gehört mittlerweile zum Mindestrüstzeug des Lehrers, was zwar durch Schulungen auf freiwilliger Basis vermittelt wird, in der Anwendung dann aber oft scheitert.

Medienkompetenz ist ein weiterer, unglaublich wichtiger Punkt, der nicht nur für Lehrer sondern auch die Schüler immer mehr Bedeutung erlangt.

Selbst im Umgang mit dem Web Erfahrene scheitern immer öfter an den ständig undurchsichtiger werdenden Informationsquellen und deren Hintergründen, von (un)sozialen Medien ganz zu schweigen.

Die persönliche, technische Ausstattung von Lehrern hängt also stark von deren technischen Präferenzen ab, die mangelhafte Ausbildung in IT-Belangen sehe ich als Verschulden der Lehrerausbildung. Aber was ist mit der Ausstattung der Schulen?

Ein sehr spannendes Thema ist die Ausstattung von Schulen mit technischem Equipment. Hier ist der Träger zuständig.

Machen wir uns nichts vor, zuständig sind in der Regel Leute, die weder Kompetenzen im Schulbetrieb aufweisen können, noch was IT-Themen angeht. Damit ist Schindluder Tür und Tor geöffnet. Ausschreibungen gehen an Firmen, die ebenfalls keine Ahnung von Schulanforderungen haben, mit Vorstellungen, die jenseits von einem praktischen Umgang mit Computern und Schülern stehen und der Bauernschläue, sich Fehlberatung auch noch gut bezahlen zu lassen, man kennt sich ja schließlich.

Ergebnis sind Netzwerke, die mit vernünftigem Aufwand kaum noch administrierbar sind, Server und andere Zentralrechner, die eigene Administratoren erfordern usw.

Ich spreche bewusst nicht vom Föderalismus, sondern vom Klein-Klein lokaler Behörden und Schulträger, Ausschreibungsrichtlinien und vorauseilendem Gehorsam.

Eines muss aber klar sein, mit fehlenden oder Fehlentscheidungen steigt die Frustration bei denjenigen, denen wir unser höchstes Gut anvertrauen, unsere Kinder. Machtspielchen um Freigaben von Geldern stellen eine massive Missachtung des Lehrerstandes dar.

In früheren Tagen waren im Ort der Bürgermeister, der Pfarrer und der Lehrer die angesehensten Bürger. Heute steht der Lehrer auf der Stufe von unbedeutenden Dienstleistern. Es sollte uns zu Denken geben!

2 Replies to “Missachtung eines Berufsstandes”

  1. Du hast vergessen die katastrophale Führungsstruktur in Bezug auf Stellenbesetzung, Weisungsbefugnis und Unterrichtskonzepte (Wechsel- Distanz- und Präsenzunterricht) hinzuweisen. Was bei Alltagsarbeit idR einigermaßen funktioniert, wenn aber wegen kurzfristigen Entscheidungen nach dem Motto ab morgen nutzen wir folgende Unterrichtsform, der Arbeitsaufwand auch nochma drastisch erhöht wurde.

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