Ich bin kein Arzt. Kein Gesundheitsexperte. Ich bin Ingenieur – und Vater. Und ich bin wütend. Wütend darüber, wie wir in einem der reichsten Länder der Welt mit etwas so Fundamentalem umgehen wie der Geburt. Jedes Jahr dieselbe Debatte: Kürzungen in der Geburtshilfe, Schließungen von Kreißsälen, Hebammen am Limit. Als ob wir uns das leisten könnten. Als ob es keine Rolle spielt, wie unsere Kinder zur Welt kommen.
Geburt als Luxus? – Ein gefährlicher Denkfehler
Geburt ist keine Krankheit. Aber das Gesundheitssystem behandelt sie wie ein Kostenfaktor, den man kürzen kann. Dabei müsste Geburt eigentlich unter „gesellschaftliche Prophylaxe“ laufen – wie Impfungen, wie Präventionsmaßnahmen. Denn wie Kinder geboren werden, beeinflusst ihre Gesundheit, das Wohlbefinden der Mütter und letztlich den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Stattdessen? Wird gespart. An Personal, an Räumen, an Zeit. Geburtsstationen schließen, weil sie sich „nicht mehr rechnen“. Hebammen geben auf, weil sie weder finanziell noch organisatorisch unterstützt werden. Und jedes Mal dasselbe Echo: „Wir arbeiten an Lösungen.“ – Und jedes Jahr wird’s schlimmer.
Hebammen als Freiwild der Krankenkassen?
Freiberufliche Hebammen sind das Rückgrat der außerklinischen Geburtshilfe. Doch sie sind dem System weitgehend schutzlos ausgeliefert. Honorare, die seit Jahren nicht steigen. Versicherungsprämien, die ins Absurde wachsen. Krankenkassen, die sich in Vertragsverhandlungen taub stellen. Es scheint fast so, als wolle man die freie Geburtshilfe systematisch abschaffen – ganz ohne Gesetz, einfach durch Erschöpfung.
Und nein, es geht nicht um Luxusdienstleistungen. Es geht um Betreuung, Sicherheit, Vertrauen – und darum, dass sich Frauen nicht wie Bittstellerinnen fühlen müssen, wenn sie ein Kind bekommen.
Wer schützt hier eigentlich wen?
Statt die Geburtshilfe zu stärken, wird lieber dort gekürzt, wo sich niemand lautstark wehrt. Aber warum holen wir das Geld nicht da, wo es wirklich Überfluss gibt? Warum nicht bei der Alkohol- und Zuckerlobby? Dort, wo die Ursachen für viele vermeidbare Krankheiten liegen, für die das Gesundheitssystem später teuer zahlen muss. Aber da ist der Widerstand gut vernetzt – Hebammen sind es nicht.
Ein Aufruf an Nina Warken – Handeln statt Lippenbekenntnisse
Nina Warken, als Abgeordnete und Mutter haben Sie in der Vergangenheit mehrfach betont, wie wichtig Geburtshilfe für unsere Gesellschaft ist. Jetzt ist es Zeit, zu handeln. Nicht mit warmen Worten und Runden Tischen, sondern mit echten strukturellen Maßnahmen:
- Eine faire und planbare Vergütung für Hebammen.
- Ein flächendeckendes Netz von Geburtsstationen mit echtem Versorgungsauftrag.
- Ein Umdenken im Gesundheitssystem: Geburt als gesellschaftliche Investition, nicht als Budgetposten.
Wir brauchen keine Symbolpolitik. Wir brauchen Lösungen – jetzt.
Eltern werden nicht schweigen
Ich schreibe das als Vater. Ich war dabei, als mein Kind geboren wurde. Ich habe gesehen, wie viel Glück man braucht, auf eine engagierte und verfügbare Hebamme zu treffen. Wie knapp Zeit, Personal und Ressourcen oft sind. Und wie entwürdigend es für Gebärende sein kann, wenn das System versagt.
Wir dürfen das nicht länger hinnehmen. Eltern werden lauter werden. Nicht weil wir Revolutionäre sind, sondern weil wir Verantwortung tragen – für unsere Kinder, für unsere Gesellschaft.
Fazit: Geburtshilfe ist keine Randnotiz
Geburt ist kein Einzelfall. Sie ist der Anfang von allem. Wer an diesem Anfang spart, spart an der Zukunft. Die aktuelle Politik spielt mit dem Vertrauen junger Familien, mit der Gesundheit von Müttern und Kindern – und mit der Würde eines der fundamentalsten Momente des Lebens.
Ich will, dass sich das ändert. Und ich werde nicht aufhören, das zu fordern. Wütend. Aber sachlich.