Marketing hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant entwickelt. Was einst als kreative Disziplin begann, die primär durch Intuition, Erfahrung und unmittelbares Kundenfeedback geprägt war, ist heute ein komplexes Geflecht aus Datenanalyse, algorithmisch gesteuerter Ausspielung und hochgradig automatisierten Prozessen. Unternehmen verfolgen minutiös Kennzahlen wie Click-Through-Rates, Conversion-Rates und Customer Lifetime Value – doch was sagen diese Werte wirklich über den Menschen hinter dem Klick aus?
Parallel dazu wächst die Abhängigkeit von technologischen Lösungen, die Marketingverantwortlichen oft nur noch eingeschränkt verstehen. Zwischen Dashboards, Machine-Learning-Modellen und A/B-Tests droht ein zentrales Element verlorenzugehen: das tatsächliche Erleben, Fühlen und Denken der Konsumentinnen und Konsumenten. Der Mensch wird zur Metrik, zum Datensatz – reduziert auf Reaktionen, nicht aber verstanden in seinen Beweggründen.
Gleichzeitig gerät die Frage aus dem Blick, wie Werbung auf emotionaler, gesellschaftlicher und ethischer Ebene wirkt. Wird das Vertrauen der Zielgruppen gestärkt oder untergraben? Dient personalisierte Ansprache dem Mehrwert – oder nur dem Profit? Und vor allem: Wird Marketing als Solches noch hinterfragt oder ist es längst zum sich selbst rechtfertigenden Regelkreis geworden, der Feedback nur aus sich selbst schöpft?
Dieser Artikel beleuchtet kritisch die aktuellen Entwicklungen im Marketing und stellt die Frage: Läuft das Marketing Gefahr, sich selbst zu genügen und den Kunden aus den Augen zu verlieren? Und wenn ja – was können wir dagegen tun?
Der Kunde als blinder Fleck: Wird der Endverbraucher noch wahrgenommen?
In der Ära des datengetriebenen Marketings besteht die Gefahr, dass der individuelle Kunde hinter Metriken und KPIs verschwindet. Unternehmen fokussieren sich zunehmend auf quantitative Daten, während qualitative Aspekte der Kundenwahrnehmung in den Hintergrund treten. Dies kann dazu führen, dass Marketingstrategien an den tatsächlichen Bedürfnissen und Wünschen der Verbraucher vorbeigehen.
Die Konzentration auf messbare Parameter wie Klickzahlen, Engagement-Rates oder Öffnungsraten suggeriert Objektivität und Kontrolle – doch was diese Zahlen oft nicht abbilden, sind Emotionen, Kontexte und Zwischenmenschliches. Der algorithmische Blick auf den Kunden reduziert komplexe Persönlichkeiten auf digitale Muster. Marketingmaßnahmen orientieren sich dann primär daran, was sich messen lässt, nicht daran, was wirklich relevant ist.
Hinzu kommt, dass Feedbackmechanismen in vielen Fällen indirekt sind. Ein abgebrochener Kaufprozess wird als Misserfolg gewertet, aber selten hinterfragt: War es der Preis, das Produkt oder vielleicht die Tonalität der Ansprache, die abschreckte? Ohne qualitative Einblicke – etwa durch Interviews, ethnografische Studien oder direkte Kundeninteraktionen – bleiben diese Fragen unbeantwortet.
Dadurch entstehen Marketingstrategien, die zwar technisch präzise sind, aber emotional nicht berühren. Eine Kommunikation, die ausschließlich aus der Datenlogik heraus entwickelt wird, läuft Gefahr, Entfremdung zu erzeugen – besonders in einer Zeit, in der Konsumentinnen und Konsumenten zunehmend Wert auf Authentizität, Transparenz und Dialog legen. Wirklich effektives Marketing braucht mehr als Zahlen: Es braucht ein echtes Verständnis für Menschen.
Blackbox-Algorithmen: Wenn Marketing sich selbst nicht mehr versteht
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz und komplexen Algorithmen im Marketing bringt Effizienz, aber auch Intransparenz mit sich. Viele dieser Systeme agieren als „Blackbox“, deren Entscheidungsprozesse selbst für Experten schwer nachvollziehbar sind. Dies erschwert nicht nur die Kontrolle, sondern birgt auch ethische Risiken, insbesondere wenn Entscheidungen ohne menschliches Verständnis getroffen werden.
Ein zentrales Problem ist die schiere Komplexität der verwendeten Modelle: Deep-Learning-Algorithmen mit Tausenden von Parametern generieren Handlungsempfehlungen, deren innere Logik für Außenstehende – und oft auch für das eigene Marketing-Team – undurchsichtig bleibt. Warum eine bestimmte Anzeige einem spezifischen Nutzer ausgespielt wurde, kann häufig nicht mehr nachvollzogen werden. Diese Intransparenz steht im Widerspruch zum Anspruch vieler Unternehmen, kundenzentriert und nachvollziehbar zu agieren.
Ein weiteres Risiko liegt in der Verstärkung bestehender Verzerrungen. Algorithmen lernen aus historischen Daten – und reproduzieren damit auch Vorurteile, stereotype Denkmuster oder systematische Auslassungen. Ein Beispiel: Wenn bisher nur bestimmte Zielgruppen beworben wurden, wird das System diese Präferenzen perpetuieren und andere Gruppen weiterhin ignorieren oder benachteiligen. Ohne kritische Überprüfung können sich solche Verzerrungen im System verfestigen und zu diskriminierendem Marketing führen.
Darüber hinaus stellt sich die Frage nach Verantwortung: Wer haftet, wenn algorithmisch gesteuertes Marketing zu irreführenden Botschaften oder Reputationsschäden führt? Die Delegation von Entscheidungen an Maschinen darf nicht bedeuten, dass menschliche Verantwortung ausgehebelt wird. Vielmehr braucht es neue Formen der Governance – inklusive ethischer Leitlinien, algorithmischer Transparenz und interdisziplinärer Kontrolle.
Um langfristig Vertrauen bei den Konsument:innen aufzubauen, müssen Unternehmen die Blackbox öffnen. Das bedeutet nicht nur technische Offenlegung, sondern vor allem: erklärbare, nachvollziehbare und reflektierte Entscheidungen im Marketingprozess zu verankern.
Die unterschätzte Wirkung von „Nerv-Faktoren“ in der Werbung
Aufdringliche Pop-ups, übermäßige Personalisierung und ständige Wiederholungen können bei Konsumenten zu Reaktanz führen. Solche „Nerv-Faktoren“ werden oft unterschätzt, obwohl sie das Vertrauen in Marken nachhaltig schädigen können. Eine ausgewogene Balance zwischen Sichtbarkeit und Zurückhaltung ist daher essenziell.
Gerade im digitalen Raum sind Nutzer:innen tagtäglich mit einer Flut von Werbebotschaften konfrontiert. Wenn Anzeigen automatisch starten, Inhalte verdecken oder sich kaum schließen lassen, entsteht nicht nur Frustration, sondern auch ein Gefühl der Bevormundung. Der sogenannte Reaktanzeffekt – also die psychologische Abwehr gegenüber wahrgenommenem Zwang – tritt dann ein und führt im schlimmsten Fall dazu, dass Marken bewusst gemieden werden.
Auch eine übermäßige Personalisierung kann kontraproduktiv wirken. Wenn Konsument:innen das Gefühl haben, „durchschaubar“ oder permanent überwacht zu werden, schwindet das Vertrauen in die dahinterstehenden Unternehmen. Es entsteht der Eindruck, dass persönliche Daten nicht respektvoll behandelt werden – selbst wenn die technische Umsetzung korrekt erfolgt.
Besonders kritisch sind Wiederholungen identischer Inhalte über verschiedene Plattformen hinweg. Was als Reminder gedacht ist, wirkt schnell wie Belagerung. Die eigentliche Werbebotschaft wird durch ihre Omnipräsenz entwertet und negativ konnotiert. Studien zeigen, dass Nutzer:innen Werbung dann eher als Belästigung denn als Information empfinden – ein klares Alarmsignal für jede Marke.
Erfolgreiches Marketing muss daher eine Balance finden: zwischen Präsenz und Diskretion, zwischen Information und Überforderung. Unternehmen, die bewusst auf ein sensibleres Werbeverhalten setzen, stärken nicht nur ihre Markenwahrnehmung, sondern auch die Loyalität ihrer Kund:innen. Qualität ersetzt Quantität – und Empathie schlägt Penetranz.
Gewissenlosigkeit im Marketing: Ausnutzung der Unwissenheit der Kunden
Einige Marketingpraktiken zielen bewusst darauf ab, die Unwissenheit oder Unerfahrenheit von Konsumenten auszunutzen. Dies reicht von irreführenden Werbeaussagen bis hin zu komplexen Vertragsbedingungen, die schwer verständlich sind. Solche Strategien untergraben das Vertrauen der Verbraucher und werfen ethische Fragen auf.
Ein klassisches Beispiel sind sogenannte „Dark Patterns“ – manipulative Designmuster in Benutzeroberflächen, die Konsument:innen zu bestimmten Handlungen verleiten sollen, etwa durch versteckte Kosten, schwer auffindbare Kündigungsoptionen oder visuell hervorgehobene Schaltflächen für kostenpflichtige Angebote. Solche Techniken nutzen gezielt psychologische Schwächen und kognitive Verzerrungen aus und lassen sich oft nur schwer nachweisen.
Auch Werbeaussagen, die mit übertriebenen oder irreführenden Versprechen arbeiten, fallen in diese Kategorie. „Nur noch heute“, „begrenztes Angebot“ oder „Testsieger“ suggerieren Dringlichkeit oder Autorität, wo keine objektive Grundlage besteht. Besonders problematisch wird es, wenn diese Aussagen nicht transparent belegt oder bewusst missverständlich formuliert sind – etwa durch unklare Referenzen oder Fußnoten in kaum lesbarer Schriftgröße.
Ein weiteres Feld sind Verträge oder Abonnements, deren Bedingungen in juristischem Fachjargon oder umständlicher Sprache verfasst sind. Hier wird bewusst in Kauf genommen, dass viele Verbraucher:innen den Umfang ihrer Zustimmung nicht vollständig verstehen. Was formal legal ist, kann dennoch ethisch fragwürdig sein – vor allem, wenn es um finanzielle Verpflichtungen oder personenbezogene Daten geht.
Solche Praktiken beschädigen langfristig nicht nur das Image einzelner Marken, sondern schwächen auch das Vertrauen in die Marketingbranche insgesamt. Sie erzeugen ein Klima der Skepsis, in dem selbst seriöse Angebote hinterfragt werden. Umso wichtiger ist es, klare Standards für Transparenz und Fairness zu etablieren – und Marketing wieder als ehrlichen Dialog zwischen Unternehmen und Kunden zu verstehen.
Fehlende unabhängige Prüfung der Wirksamkeit von Marketingmaßnahmen
Oftmals fehlt es an unabhängigen Evaluierungen, die die tatsächliche Wirksamkeit von Marketingkampagnen überprüfen. Ohne objektive Analysen besteht die Gefahr, dass ineffektive oder sogar kontraproduktive Maßnahmen fortgeführt werden, was sowohl Ressourcen verschwendet als auch das Kundenvertrauen beeinträchtigt.
In vielen Unternehmen erfolgt die Bewertung von Marketingmaßnahmen intern – durch dieselben Akteure, die sie auch geplant und umgesetzt haben. Dieses „Closed-Loop-System“ birgt ein strukturelles Risiko: Bestätigungsfehler, Selbstrechtfertigung und betriebsinterne Dynamiken können dazu führen, dass Misserfolge schöngeredet oder gar nicht erst als solche erkannt werden. Die Folge: Fehlgeleitete Strategien werden weiterverfolgt, weil es keinen systematischen Abgleich mit unabhängigen Erkenntnissen gibt.
Ein weiterer Aspekt ist die Abhängigkeit von kurzfristigen Metriken. Kampagnen werden oft an schnell messbaren Erfolgen wie Klickzahlen oder Umsatzsteigerungen bewertet, während langfristige Effekte – etwa auf Markenwahrnehmung, Kundenloyalität oder gesellschaftliche Akzeptanz – vernachlässigt werden. Solche Eindimensionalität verkennt die Komplexität menschlicher Reaktionen und ignoriert potenzielle Folgeschäden.
Fehlende externe Perspektiven bedeuten zudem, dass kritische Fragen kaum gestellt werden: Wurde das richtige Zielpublikum adressiert? Wurde die Botschaft korrekt verstanden? Gab es unerwünschte Nebeneffekte, etwa Irritation, Misstrauen oder negative Mundpropaganda? Ohne unabhängige Evaluation bleiben solche Aspekte unsichtbar – mit möglicherweise weitreichenden Konsequenzen.
Dabei gibt es zahlreiche Möglichkeiten für objektive Überprüfungen: externe Marktforschungsinstitute, wissenschaftlich begleitete Studien oder Feedbacksysteme mit echter Nutzerbeteiligung. Gerade in einem Umfeld, das sich dynamisch verändert und zunehmend ethisch hinterfragt wird, ist eine transparente und kritische Erfolgskontrolle unverzichtbar. Nur so lässt sich sicherstellen, dass Marketingmaßnahmen nicht nur effizient, sondern auch verantwortungsvoll sind.
Fiktives Beispiel: Wenn Marketing sich selbst kontrolliert
Stellen wir uns ein Unternehmen vor, das seine Marketingkampagnen ausschließlich auf internen Daten und Analysen basiert. Ohne externe Validierung könnten blinde Flecken entstehen, wie z. B. die Vernachlässigung bestimmter Kundensegmente oder die Überschätzung der Markenloyalität. Dies könnte langfristig zu Umsatzrückgängen und Imageverlust führen.
Nehmen wir als fiktives Beispiel ein mittelständisches Unternehmen im Bereich Haushaltsgeräte. Es verlässt sich bei der Entwicklung seiner Werbekampagnen vollständig auf die eigene CRM-Datenbank und vergangene Verkaufszahlen. Die Analysen zeigen, dass vor allem Bestandskunden im mittleren Alter besonders häufig kaufen – also richtet sich das Marketing fortan gezielt an diese Gruppe. Jüngere Zielgruppen, die bisher nur sporadisch berücksichtigt wurden, geraten aus dem Fokus.
Da das Unternehmen keine externe Marktforschung betreibt und keine Rückmeldungen von außerhalb der eigenen Datenbasis einholt, bleibt ihm verborgen, dass gerade junge Menschen zunehmend Interesse an nachhaltigen Haushaltslösungen zeigen – ein Thema, das das eigene Produktsortiment eigentlich gut bedienen könnte. Die Folge: Diese potenziellen Neukunden fühlen sich nicht angesprochen, während die Stammkundschaft auf Dauer übersättigt ist.
Gleichzeitig nimmt das Unternehmen an, dass die Markenbindung seiner Kernkundschaft stark genug ist, um Preissteigerungen oder reduzierte Kommunikationsfrequenz zu rechtfertigen. Die Realität sieht jedoch anders aus: Konkurrenzprodukte mit frischer Ansprache und besserer Nutzererfahrung gewinnen an Boden, während die eigenen Verkaufszahlen stagnieren – oder gar rückläufig sind.
Dieses Szenario zeigt, wie gefährlich es sein kann, wenn Marketing sich nur auf intern erzeugte Daten und selbstdefinierte Erfolgskriterien verlässt. Ohne kritische Außenperspektive entstehen blinde Flecken, die den Blick für Marktveränderungen und neue Zielgruppen verstellen. Externe Evaluationen, offene Feedbackschleifen und regelmäßige Re-Priorisierung sind daher essenziell, um strategische Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern.
Fiktives Beispiel: Die Angst vor Umsatzeinbußen als Geschäftsmodell
Ein weiteres Szenario: Eine Werbeagentur nutzt die Angst eines Unternehmens vor Umsatzverlusten aus, indem sie teure, aber ineffektive Kampagnen empfiehlt. Ohne transparente Erfolgsmessung und unabhängige Beratung könnte das Unternehmen in eine Abhängigkeit geraten, die sowohl finanziell als auch reputativ schädlich ist.
Stellen wir uns ein Start-up im Bereich Nahrungsergänzungsmittel vor, das nach starkem Anfangswachstum ins Stocken gerät. Verunsichert von sinkenden Verkaufszahlen und steigendem Wettbewerb, engagiert es eine renommierte Werbeagentur. Diese erkennt schnell die Unsicherheit des Kunden – und empfiehlt eine groß angelegte Onlinekampagne mit Influencer-Marketing, Videospots und einem umfangreichen Media-Budget.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen klingen vielversprechend, sind aber weder auf die Zielgruppe des Unternehmens abgestimmt noch basieren sie auf fundierten Analysen. Es gibt keine belastbaren Prognosen, keine klare Zieldefinition, keine geplanten Kontrollgruppen. Dennoch setzt das Start-up die Vorschläge um – aus Angst, den Anschluss zu verlieren. Die Ergebnisse bleiben aus, die Kosten explodieren, doch die Agentur empfiehlt einfach die nächste Phase – mit noch größerem Budget.
In dieser Abwärtsspirale entsteht eine gefährliche Abhängigkeit. Da dem Unternehmen das interne Know-how für Erfolgskontrollen fehlt und keine externen Gutachter einbezogen werden, fehlt es an Orientierung und kritischer Reflexion. Die Agentur hingegen profitiert finanziell – unabhängig davon, ob die Maßnahmen funktionieren oder nicht.
Ein solches Szenario zeigt die Bedeutung von Transparenz, messbaren Zielen und unabhängiger Beratung im Marketingprozess. Unternehmen müssen lernen, gesunde Skepsis zu bewahren, sich nicht aus Angst zu vorschnellen Entscheidungen treiben zu lassen und vor allem: Kontrolle über die eigene Kommunikationsstrategie zu behalten. Nur so lässt sich verhindern, dass Marketing zur Blackbox wird – oder gar zum Fass ohne Boden.
Personalisierung im Marketing: Mehrwert oder Manipulation?
Personalisierte Werbung kann den Kundenmehrwert steigern, indem sie relevante Inhalte liefert. Allerdings besteht die Gefahr, dass übermäßige Personalisierung als aufdringlich empfunden wird oder sogar manipulativ wirkt. Studien zeigen, dass Konsumenten personalisierte Werbung schätzen, solange sie transparent und respektvoll umgesetzt wird.
Im Idealfall bedeutet Personalisierung: Die richtige Botschaft zur richtigen Zeit an die richtige Person – basierend auf tatsächlichen Interessen und Kontexten. Ein passgenaues Angebot kann den Nutzer:innen echten Mehrwert bieten, etwa durch Zeitersparnis, Orientierung oder Inspiration. Das setzt jedoch voraus, dass Daten intelligent, verantwortungsvoll und im Interesse der Nutzer:innen verarbeitet werden.
Problematisch wird es, wenn Personalisierung zur Überwachung mutiert. Wenn Nutzer:innen Anzeigen für Produkte sehen, über die sie nur kurz gesprochen oder gesucht haben, entsteht ein Gefühl der Übergriffigkeit. Die Grenze zwischen hilfreich und unheimlich ist schmal – und wird oft unbewusst überschritten. Besonders sensibel reagieren Menschen, wenn persönliche Themen betroffen sind: Gesundheit, Finanzen oder familiäre Situationen sollten kein Gegenstand algorithmischer Berechnung werden.
Zudem besteht die Gefahr, dass Personalisierung zu einer Echokammer wird: Nutzer:innen erhalten nur noch Inhalte, die in ihr bisheriges Profil passen, während alternative Perspektiven ausgeblendet bleiben. Dies kann nicht nur das Konsumverhalten verengen, sondern auch die Wahrnehmung der Welt beeinflussen – mit weitreichenden gesellschaftlichen Folgen.
Entscheidend ist deshalb die Art und Weise der Umsetzung: Personalisierung darf kein heimliches Tracking sein, sondern sollte auf informierter Zustimmung, klaren Optionen und transparenten Kriterien beruhen. Nutzer:innen sollten nachvollziehen können, warum sie eine bestimmte Anzeige sehen – und die Möglichkeit haben, Einfluss auf ihre Datenbasis zu nehmen.
Wenn Personalisierung als Dialog verstanden wird und nicht als Einbahnstraße, kann sie Vertrauen stärken und Beziehungen zwischen Marken und Menschen vertiefen. Doch dazu braucht es Mut zur Offenheit, technologisches Feingefühl – und ein ethisches Fundament.
Fazit: Ein Aufruf zur Reflexion und Transparenz im Marketing
Die modernen Entwicklungen im Marketing bieten zahlreiche Chancen, bergen jedoch auch Risiken. Es ist entscheidend, dass Unternehmen den Kunden wieder stärker in den Mittelpunkt stellen, transparente Prozesse etablieren und ethische Standards einhalten. Nur so kann Marketing langfristig erfolgreich und vertrauenswürdig bleiben.
Technologien wie Künstliche Intelligenz, datenbasierte Personalisierung und automatisierte Kommunikation eröffnen neue Dimensionen der Effizienz und Zielgenauigkeit. Doch mit dieser Macht wächst auch die Verantwortung. Wer nur auf Zahlen setzt, verliert den Menschen aus dem Blick. Wer nur intern bewertet, verliert die Realität. Und wer sich nur auf kurzfristige Erfolge fokussiert, gefährdet seine Glaubwürdigkeit.
Was es braucht, ist ein Paradigmenwechsel: weg vom selbstreferenziellen, KPI-getriebenen Marketing hin zu einem reflektierten, menschenzentrierten Ansatz. Dazu gehören kritische Feedbackschleifen, unabhängige Evaluationen, Transparenz über Datenverwendung und der bewusste Umgang mit psychologischen Einflussnahmen. Marketing muss wieder zuhören, nicht nur senden – und verstehen, nicht nur ausspielen.
Ein ethisch informierter, dialogischer und verantwortungsvoller Marketingansatz ist kein Widerspruch zu ökonomischem Erfolg – im Gegenteil: Er ist die Voraussetzung für nachhaltiges Wachstum, Markenloyalität und gesellschaftliche Akzeptanz. Denn am Ende entscheidet nicht die Technik über den Erfolg von Marketing, sondern die Beziehung zwischen Unternehmen und Mensch.
Nachtrag
Ich habe Perplexity gefragt, worin Defizite in meinem Artikel liegen. Das möchte ich natürlich nicht vorenthalten. Allerdings muss ich sagen, die aufgeführten Defizite entsprechen vielleicht der akademischen Wirklichkeit, aber nicht der Außenwirkung als Betroffener.
Defizite im Artikel zum kritischen Marketing
Nach Analyse des Artikels habe ich folgende inhaltliche Defizite identifiziert:
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Einseitige Betrachtung von datengetriebenem Marketing: Der Artikel stellt hauptsächlich Risiken dar, während er die nachgewiesenen Vorteile präziserer und effektiverer Marketingentscheidungen zu wenig würdigt 4,16.
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Unvollständige Darstellung qualitativer Forschungsmethoden: Die existierenden und weit verbreiteten qualitativen Marktforschungsmethoden, die als Ergänzung zu quantitativen Ansätzen dienen, werden nicht ausreichend berücksichtigt 3,15.
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Fehlende Anerkennung von „Explainable AI“: Der Trend zu mehr Transparenz durch erklärbare KI-Modelle wird nicht erwähnt, obwohl diese Entwicklung der kritisierten „Blackbox“-Problematik entgegenwirkt 5.
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Keine Erwähnung relevanter Datenschutzbestimmungen: Aktuelle Regelungen wie der CCPA und CPRA, die den Umgang mit Kundendaten zunehmend regulieren, bleiben unberücksichtigt 11.
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Unausgewogene Darstellung von Personalisierung: Die positiven Aspekte personalisierter Kommunikation bei korrektem, transparentem Einsatz werden kaum gewürdigt 12,16.
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Vernachlässigung von Green Marketing und ethischen Ansätzen: Die wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeit und ethischen Prinzipien im Marketing findet keine Beachtung 9,10.
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Mangel an konkreten Lösungsansätzen: Für die kritisierten Probleme werden kaum praktikable Alternativen vorgestellt, wie beispielsweise First-Party-Daten-Strategien 2,12.
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Keine Unterscheidung zwischen First-Party- und Third-Party-Daten: Die unterschiedlichen Datentypen und ihre jeweiligen Implikationen für Privatsphäre und Nutzererlebnis werden nicht differenziert betrachtet 2,12.
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Fehlende Diskussion der „Cookieless Future“: Die bevorstehenden grundlegenden Veränderungen durch den Wegfall von Third-Party-Cookies und deren Auswirkungen auf Personalisierung werden ignoriert 12.
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Unzureichende Berücksichtigung moderner Messmethoden: Während fehlende Prüfung kritisiert wird, bleiben moderne Analyse- und Auditverfahren für Marketingmaßnahmen unerwähnt 8,20.