Zähle ich eigentlich schon dazu, mit knapp 50 Jahren? Bin ich einer der „alten, weißen Männer“? Und warum triggert mich das geflügelte Wort derart?
In öffentlichen Debatten wird der Begriff „alte, weiße Männer“ häufig als Synonym für eine als rückständig empfundene Machtelite verwendet, die angeblich den Fortschritt blockiert und verkrustete Strukturen aufrechterhält. Doch diese Bezeichnung, die drei Merkmale – Alter, Hautfarbe und Geschlecht – zusammenführt, steht in Gefahr, selbst diskriminierend zu sein und die Komplexität der realen Verhältnisse zu übersehen.
Ein Blick auf die Hintergründe dieser Debatte und eine nüchterne Analyse zeigt, dass die Dominanz alter, weißer Männer in der Medienlandschaft mehr mit gesellschaftlichen Entwicklungen und historischen Zusammenhängen zu tun hat, als es auf den ersten Blick scheint.
Kommunikation und Geschlecht – Männer prägen die Diskurse
Nach der Kommunikationsexpertin Vera F. Birkenbihl sind Männer in vielen Kulturen historisch stärker in öffentliches Sprechen und Debatten eingebunden. Dieses Muster lässt sich auf eine jahrtausendelange Entwicklung zurückführen, in der Männer durch ihre Rolle als Krieger, Politiker und Führer gelernt haben, Macht durch Worte und Argumente zu behaupten. Männer tendieren laut Birkenbihl auch eher dazu, sich durch Kommunikation und Diskussion zu profilieren, insbesondere in hierarchischen und kompetitiven Strukturen.
Dieses historisch und kulturell gewachsene Kommunikationsverhalten trägt sicherlich dazu bei, dass in den Medien viele Männer als Meinungsführer und Entscheidungsträger sichtbar sind. Dies bedeutet nicht, dass Frauen weniger zu sagen hätten, sondern dass gesellschaftliche Mechanismen – oft implizit – Männer in den Vordergrund drängen, insbesondere wenn es um den öffentlichen Diskurs geht.
Ist es also nicht einfach eine logische Konsequenz, wenn die Männer hier also dominieren?
Expertise braucht Zeit – und ältere Menschen haben sie
Expertise wird nicht über Nacht erworben. Um sich in komplexen Systemen wie den Medien durchzusetzen und als Autorität anerkannt zu werden, braucht es Erfahrung, Wissen und Zeit. Ältere Menschen haben – naturgemäß – mehr Zeit in ihrem Fachgebiet verbracht, was sie in die Lage versetzt, Expertenpositionen zu besetzen. Dies trifft auf viele Berufe zu, aber besonders auf solche, in denen das gesammelte Wissen über Jahre oder Jahrzehnte hinweg eine wesentliche Rolle spielt, wie in den Medien.
In den führenden Positionen von Verlagen, Rundfunkanstalten und großen Medienhäusern treffen wir deshalb oft auf ältere Menschen – nicht, weil das Alter an sich eine Qualifikation darstellt, sondern weil der Weg zu diesen Positionen lange ist. Der Umstand, dass in Europa viele dieser Positionen von weißen Männern besetzt sind, ist zum Teil eine Reflexion der demografischen Struktur der Region.
Europa ist historisch und demografisch mehrheitlich „weiß“, und es ist deshalb kaum überraschend, dass viele Medienakteure dieser Gruppe angehören.
Die dreifache Diskriminierung: alt, weiß und männlich
Der Ausdruck „alte, weiße Männer“ enthält gleich drei Kategorien, die häufig negativ konnotiert sind: Alter, Hautfarbe und Geschlecht. Diese dreifache Diskriminierung führt jedoch zu einer problematischen Verkürzung der Realität. Jede dieser Eigenschaften für sich betrachtet, sagt wenig über die individuellen Fähigkeiten, Charaktereigenschaften oder die Weltanschauung eines Menschen aus.
In einer Zeit, in der wir uns zu Recht gegen Altersdiskriminierung, Sexismus und Rassismus aussprechen, sollte es bedenklich stimmen, dass es akzeptabel erscheint, Menschen aufgrund genau dieser Merkmale zu kritisieren.
Das Alter – ein unvermeidbarer Bestandteil des Lebenszyklus – ist ein Merkmal, das wir alle irgendwann erreichen werden, und es sollte als Zeichen von Erfahrung und Weisheit gewürdigt werden, statt als Belastung betrachtet zu werden. Ebenso sollte die ethnische Herkunft nicht zum Vorwurf gemacht werden.
Die Tatsache, dass viele Entscheidungsträger weiß sind, spiegelt die historische und demografische Realität wider, ebenso wie in anderen Regionen der Welt Menschen anderer Hautfarben in Führungspositionen zu finden sind. Dass es sich um Männer handelt, spiegelt letztlich gesellschaftliche Machtstrukturen wider, die sich über Jahrhunderte hinweg entwickelt haben und nicht ausschließlich das Ergebnis bewusster Diskriminierung sind.
Europäische Herkunft als neutral betrachten
Ein wesentlicher Punkt der Debatte ist die Frage, ob die weiße, europäische Herkunft per se problematisch ist. Rassismus ist in jeder Form abzulehnen, und es wäre ebenso unangemessen, Menschen aufgrund ihrer europäischen Herkunft zu kritisieren, wie es falsch wäre, Menschen aus Asien, Afrika oder Amerika aufgrund ihrer Herkunft herabzusetzen.
Die Identität als „weiß“ ist im Kontext europäischer Gesellschaften absolut nicht außergewöhnlich und sollte nicht allein aus dieser Perspektive bewertet werden.
Koloniale Dominanz hinterfragen – bei allen, nicht nur bei den „alten, weißen Männern“
Die Debatte um die Vorherrschaft der „alten, weißen Männer“ in der Medienlandschaft berührt auch Fragen der historischen Kolonialisierung und der daraus resultierenden Machtstrukturen.
Es ist unbestreitbar, dass koloniale Strukturen weltweit Ungerechtigkeiten geschaffen haben, die sich bis heute in ökonomischen, politischen und sozialen Systemen manifestieren. Doch wenn wir von der Notwendigkeit sprechen, koloniale Dominanz „aus den Köpfen zu streichen“, sollte das Ziel sein, diese Denkweisen bei allen Menschen zu hinterfragen – nicht nur bei einer bestimmten Gruppe.
Die Idee, dass nur „alte, weiße Männer“ von kolonialen Denkstrukturen geprägt sind, greift zu kurz. Wir alle – unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht oder Alter – müssen uns bewusst machen, wie tief verankert diese Strukturen in unseren Gesellschaften sind. Dies erfordert nicht nur die Dekonstruktion alter Machtstrukturen, sondern auch die kritische Reflexion darüber, wie wir selbst in einer globalisierten Welt mit Macht und Privilegien umgehen.
Fazit: Ein differenzierter Umgang mit dem Begriff „alte, weiße Männer“
Anstatt uns auf eine vermeintliche Schuldzuweisung an eine bestimmte demografische Gruppe zu konzentrieren, sollten wir die Komplexität der gesellschaftlichen Machtstrukturen verstehen.
Es ist nicht produktiv, Menschen aufgrund ihres Alters, ihrer Hautfarbe oder ihres Geschlechts pauschal zu kritisieren. Vielmehr sollten wir daran arbeiten, gerechtere und inklusivere Strukturen zu schaffen, die jedem – unabhängig von Herkunft und Identität – die gleichen Chancen bieten.
Die Dominanz alter, weißer Männer in der Medienlandschaft ist ein Spiegelbild historischer und gesellschaftlicher Entwicklungen. Doch statt diesen Ausdruck abwertend zu verwenden, sollten wir uns darauf konzentrieren, Systeme zu schaffen, die eine vielfältigere Repräsentation ermöglichen. Dabei gilt es, Diskriminierung in jeder Form zu bekämpfen – auch wenn sie sich gegen diejenigen richtet, die heute in Machtpositionen stehen.