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Bosheit – Intrinsisch, erlernt oder vermittelt?

Bosheit – ein Wort, das unmittelbar Unbehagen und Faszination zugleich auslöst. Doch was bedeutet „das Böse“? Sind Menschen von Natur aus böse, werden sie es, oder ist Bosheit Folge äußerer Einflüsse? Die Diskussion über den Ursprung des Bösen reicht von der Antike bis in aktuelle gesellschaftliche Debatten. Dieser Artikel verknüpft historische, psychologische, philosophische und religiöse Perspektiven zu einer pointierten Analyse.

Bereits die antiken Philosophen beschäftigten sich mit der Frage nach dem Bösen: Platon unterschied zwischen dem gerechten und dem ungerechten Menschen; Augustinus führte das Böse auf den freien Willen und die Abkehr vom Guten zurück. Später entwarfen Aufklärer wie Rousseau und Hobbes konträre Menschenbilder: Ist das Böse unserer Natur innewohnend, oder wird es durch die Gesellschaft in uns geweckt? Die Moderne wiederum betont die Bedeutung von Erziehung, Milieu und Machtstrukturen. Jüngere Debatten wie zur „Banalität des Bösen“ (Hannah Arendt) zeigen, dass das Böse oft mit Alltäglichkeit, Gleichgültigkeit und Bürokratie einhergeht – und nicht zwangsläufig mit „Böswilligkeit“.

Aus psychologischer Sicht liegt Bosheit selten im Individuum allein begründet: Experimente wie das Milgram-Experiment oder das Stanford-Prison-Experiment belegen, dass soziale Kontexte und Gruppendruck moralische Grenzen verschieben. Auch gesellschaftliche Narrative, die Feindbilder schaffen, können destruktives Handeln fördern.

Religionsgeschichtlich tritt das Böse als eigenständige Kraft auf – als Versuchung, Antichrist, Dämon, gefallener Engel. Doch selbst hier ist das Böse meist nicht Schicksal, sondern eng mit Moral, Entscheidung und Eigenverantwortung verknüpft.

In der Gegenwart zeigt sich Bosheit nicht nur in dramatischen Gewalttaten, sondern oft subtil: durch Ausgrenzung, Lügen, soziale Kälte, aber auch durch das Wegschauen und die Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden anderer. So wird deutlich, dass der Begriff des Bösen sowohl individuelles Handeln als auch kollektive Dynamiken umfasst und die Auseinandersetzung damit aktueller ist denn je.

Was ist das Böse? – Begriffsbestimmung

Das Böse ist ein vielschichtiger Begriff, dessen Bedeutung je nach kulturellem, religiösem oder philosophischem Kontext stark variiert. In der Alltagssprache wird es meist mit absichtlicher Grausamkeit, Unrecht oder moralischer Verwerflichkeit gleichgesetzt. In der Ethik beschreibt es Handlungen, die bewusst und willentlich Leid verursachen und damit gegen das moralisch Gute verstoßen.

Philosophisch betrachtet stellt sich jedoch die Frage, ob „das Böse“ eine eigenständige Wirklichkeit ist oder lediglich das Fehlen des Guten darstellt – wie es Augustinus formulierte: „Malum est privatio boni“ (Das Böse ist die Abwesenheit des Guten). Für ihn ist das Böse keine Substanz, sondern ein Mangel an Ordnung und göttlicher Ausrichtung.

Im Kontrast dazu sah Immanuel Kant das Böse als Fähigkeit des Menschen, entgegen der moralischen Vernunft zu handeln – also der Missbrauch des freien Willens. Dieser Ansatz erhebt die persönliche Verantwortung und Entscheidungsfreiheit zum zentralen Kriterium.

In der Theologie tritt das Böse oft als Wesen oder Macht auf: als Teufel, Antichrist oder Dämon, insbesondere im Christentum. Im Judentum gibt es das Konzept des Jetzer ha-Ra, des „bösen Triebs“, das jeder Mensch neben dem guten Trieb (Jetzer ha-Tow) in sich trägt. Im Islam wiederum wird die Figur des Iblis bzw. Shayṭān inkarnierter Versuchung und Rebellion gegenüber dem Guten.

Hannah Arendt wiederum verwies in ihrer Analyse des Eichmann-Prozesses auf die „Banalität des Bösen“: Das wirklich Erschreckende an Akteuren wie Adolf Eichmann sei nicht ihre diabolische Motivation, sondern ihre gedankenlose Mitwirkung an einem mörderischen System – ohne Reflexion, Schuldempfinden oder tiefer Überzeugung, sondern im Rahmen bürokratischer Routinen. Das Böse erscheint so nicht als Ausnahmezustand, sondern als banaler Bestandteil strukturierter Alltagsrealitäten (Quelle).

Damit ist das Böse nicht nur ein moralisches Problem, sondern auch ein soziologisches, politisches und gesellschaftliches – eng verknüpft mit Macht, Struktur und Verantwortung.

Ist man böse oder wird man böse?

Die Ursprungsfrage des Bösen fasziniert Philosophen, Psychologen und Theologen seit Jahrhunderten – und sie bleibt brisant. Handelt es sich bei Bosheit um einen angeborenen Wesenszug des Menschen, oder ist sie das Ergebnis von Erziehung, Umwelt und individuellen Entscheidungen?

Die Philosophie kennt dazu zwei zentrale Grundannahmen:

  • Intrinsisch: Vertreter wie Thomas Hobbes sehen den Menschen als von Natur aus selbstsüchtig und zur Grausamkeit fähig. In seinem Werk Leviathan beschreibt Hobbes den Naturzustand des Menschen als einen Krieg „aller gegen alle“ (bellum omnium contra omnes), aus dem nur durch starke Gesellschaftsverträge und äußere Ordnung Frieden entstehen kann.
  • Erlernt/vermittelt: Jean-Jacques Rousseau argumentiert im Gegensatz dazu, dass der Mensch ursprünglich gut sei. Erst durch zivilisatorische Prozesse, soziale Ungerechtigkeit und institutionelle Gewalt werde er korrumpiert und moralisch deformiert.

Beide Positionen spiegeln sich bis heute in aktuellen Diskursen wider. Während konservative Denkschulen oft die „menschliche Natur“ als verdorben darstellen, betonen emanzipatorische Bewegungen die Prägung durch soziale Machtverhältnisse.

Die moderne Psychologie bringt eine differenzierte Perspektive ein: Sie geht davon aus, dass bösartiges Verhalten selten monokausal ist, sondern in einem komplexen Zusammenspiel entsteht – zwischen genetischer Disposition, frühkindlicher Bindungserfahrung, familiärem Klima, gesellschaftlichen Normen, Rollen und situativen Faktoren.

Berühmt geworden sind zwei sozialpsychologische Experimente, die das „Böse im Menschen“ unter Laborbedingungen sichtbar machten:

  • Stanford Prison Experiment (Philip Zimbardo, 1971): In einem simulierten Gefängnis nahmen Studierende die Rollen von Wärtern und Häftlingen ein. Bereits nach kurzer Zeit entwickelten sich Demütigungen, Missbrauch und Gewalt. Das Experiment musste vorzeitig abgebrochen werden (Quelle).
  • Milgram-Experiment (Stanley Milgram, 1961): Probanden waren bereit, unter Anleitung einer Autoritätsperson anderen Menschen scheinbar tödliche Stromstöße zu verpassen – nur weil ihnen gesagt wurde, sie „müssten“ es tun. Das Experiment zeigte, wie schnell Menschen die moralische Verantwortung an Systeme oder Vorgesetzte abgeben.

Was lässt sich daraus folgern? Der Mensch trägt beides in sich: die Fähigkeit zu Mitgefühl wie zu Grausamkeit, zur Fürsorge wie zur Vernichtung. Ob und wie diese Potenziale aktiviert werden, hängt entscheidend vom Kontext ab. Eine Kultur des Wegschauens, autoritäre Strukturen und Feindbilder können das Böse hervorrufen – selbst unter „ganz normalen Menschen“.

Gerade deshalb kommt individueller Haltung, moralischer Bildung und gesellschaftlicher Wachsamkeit besondere Bedeutung zu: Nicht, um das „Böse“ auszurotten – sondern, um seine Entfaltung zu erkennen, einzuhegen und im besten Fall zu verhindern.

Bosheit vs. Ignoranz: Betriebsblind gegenüber dem Guten?

Oft resultiert Böses nicht aus bewusster Bosheit, sondern aus einer tiefgreifenden Ignoranz des Guten. Wer betriebsblind ist, verliert die Fähigkeit, moralische Maßstäbe zu erkennen und anzuwenden. Hannah Arendt hat in ihrem Bericht zum Eichmann-Prozess den Begriff der „Banalität des Bösen“ geprägt, der genau dieses Phänomen beschreibt: Täter wie Adolf Eichmann, die keine finsteren Genies oder überbordend böse Figuren waren, sondern im Gegenteil Menschen mit durchschnittlicher Persönlichkeit und Gedankenlosigkeit – unfähig zur kritischen Selbstreflexion, zur Sprache des Gewissens und zur Empathie.

Arendt zeigt, dass Eichmann sich niemals als richtig böse empfand. Er war vielmehr ein pflichtbewusster Bürokrat, der sich in der Rolle als Rädchen im System eingerichtet hatte – getrieben von Karrieredenken, Gehorsam und moralischer Gleichgültigkeit. Diese „banale“ Qualität des Bösen äußert sich nicht in tiefer Überzeugung oder sadistischem Willen, sondern in geistiger Faulheit und blinder Regelbefolgung. Es ist die konsequente Abwesenheit von Urteilskraft, nicht das Vorhandensein klassischer Boshaftigkeit.

Diese Betriebsblindheit gegenüber dem Guten ist kein individuelles Versäumnis allein – sie ist sozial induziert, kulturell begünstigt und organisatorisch stabilisiert. Wer im System funktioniert, ohne es zu hinterfragen, läuft Gefahr, das eigene moralische Empfinden zu verlernen. Dies gilt nicht nur für historische Diktaturen, sondern auch für moderne Bürokratien, wirtschaftliche Abwägungen und politische Entscheidungsprozesse. Wachsende Entfremdung, Sprachverflachung und Verantwortungslosigkeit können das Klima schaffen, in dem Unrecht geschieht – während „niemand“ verantwortlich ist.

Das Böse erscheint hier nicht als Ausnahme, sondern als strukturierte Möglichkeit. Gefährlich ist nicht das Monsterhafte, sondern das banale, unreflektierte Mitlaufen. Arendt warnt davor, dass moderne Gesellschaften das Böse gerade dort erzeugen, wo sie moralisches Denken durch Funktion und Gehorsam ersetzen.

Die Konsequenz? Empathisch denken, Verantwortung übernehmen, moralisch wachsam bleiben. Wer reflektiert, fragt, widerspricht und sich ein Gewissen bewahrt, unterbricht die Kette der Gedankenlosigkeit. Und genau hier liegt vielleicht der schärfste Kontrast zwischen Bosheit und dem Guten: nicht in der heroischen Tat, sondern im einfachen Akt des Denkens.

Bösartigkeit durch überlagerte Geschäftigkeit – der „Buchhalter des Todes“

Im Zuge der Nürnberger Prozesse wurde deutlich, wie systematisches Unrecht und administrative Kälte zusammenkommen können: Organisationen machen das Böse verrechenbar, planbar, verantwortungsentkoppelt. Menschen wie Adolf Eichmann – von Arendt als „Buchhalter des Todes“ beschrieben – verkörperten eine neue Form von Bösartigkeit: nicht jene des offenen Hasses, sondern die der funktionalen Mitwirkung.

Eichmann war nicht der Gestalter ideologischer Vernichtungsphantasien, sondern ein Mann des Kalenders, der Logistik und der Transportplanung – ein Beamter, der mit pedantischer Genauigkeit Deportationen und Massenmord organisierte, nicht aus Grausamkeit, sondern im Bewusstsein beruflicher Effizienz. Seine Verteidigung vor Gericht: Er habe nur „Befehle ausgeführt“, ja sogar gute Büroarbeit geleistet. Diese absurde Entfremdung von Verantwortung steht exemplarisch für eine neue Art des technisierten Bösen.

Überlagerte Geschäftigkeit beschreibt genau diesen Zustand: Es geschieht Ungeheuerliches, aber eingebettet in formale Abläufe, Dienstpläne, Excel-Logik, Juristendeutsch. Der Mord wird zu einer Verwaltungsleistung. Der Täter verschwindet im System, und die Moral im Protokoll. Dies führt zu einem erschütternden Befund: Bösartigkeit kann getarnt im Betriebsmodus existieren.

Diese Form enthumanisierter Tatfähigkeit ist keine historische Ausnahme. Sie spiegelt sich bis heute in militärischen Drohneneinsätzen, staatlicher Abschottungspolitik, algorithmischer Diskriminierung oder wirtschaftlichen Entscheidungen, die kalkuliertes Leid verursachen – ohne, dass jemand „sich schuldig“ fühlt.

Was bleibt, ist die Frage: Ab wann beginnt Mitwirken am Unrecht? Wenn Verantwortung vollständig ausgelagert wird – sei es auf Vorgesetzte, Protokolle oder Marktlogiken – dann wird nicht nur Schuld verdrängt, sondern auch das moralische Immunsystem ganzer Institutionen ausgeschaltet.

Der „Buchhalter des Todes“ ist deshalb nicht bloß eine Figur der NS-Vergangenheit. Er ist ein generalisierbares Warnbild – überall dort, wo der Mensch aufhört zu fragen, aber weitermacht zu funktionieren.

Bösartigkeit = krankhaft? Manfred Lütz: „Hitler war kein Geisteskranker“

Manfred Lütz, Psychiater und Theologe, warnt ausdrücklich davor, das Böse pathologisch zu erklären oder zu psychologisieren. Er betont, dass Adolf Hitler keine klinische Geisteskrankheit hatte, sondern seine Grausamkeit und menschenverachtenden Verbrechen auf extremistischer Ideologie und bewusster Entscheidung beruhen. Lütz stellt klar, dass das Böse nicht automatisch mit psychischen Erkrankungen gleichzusetzen ist, sondern häufig Ausdruck von absichtlichem Hass, fanatischem Denken und moralischem Versagen ist (Quelle).

Der Psychiater kritisiert die verbreitete Tendenz, Diktatoren und Massenmörder wie Hitler als „verrückt“ oder „krank“ zu stigmatisieren, da dies die individuelle sowie gesellschaftliche Verantwortung für böses Handeln relativiere. Hitlers Handeln sei keine Folge einer psychiatrischen Störung, sondern beruhe auf einem klaren ideologischen Kalkül, politischer Strategie und einem extremen Machtstreben.

Diese Sicht wird von vielen Fachleuten unterstützt, die betonen, dass die Suche nach einer „psychischen Krankheit“ bei Hitler kaum überzeugende Belege findet. Zwar gab es im Laufe der Geschichte verschiedene Diagnosen – von Schizophrenie, Narzissmus, Psychopathie bis hin zu posttraumatischer Belastungsstörung –, doch bleiben sie spekulativ und verhindern nicht die klare moralische Verurteilung.

Manfred Lütz‘ Argumentation erinnert daran, dass „Bösartigkeit“ nicht zwangsläufig krankhaft sein muss, sondern auch bei psychisch gesunden Menschen auftreten kann, insbesondere wenn Ideologien, Machtstrukturen und gesellschaftliche Bedingungen dies fördern. Dies unterstreicht die wichtige Differenzierung zwischen bösem Handeln und psychischer Krankheit.

Bösartigkeit in der Geschichte

Die Geschichte der Menschheit ist keine lineare Abfolge von Fortschritt und Aufklärung – sie ist zutiefst durchzogen von Gewalt, Unterdrückung und struktureller Grausamkeit. Wer das Böse nur als Extrem begreift, der verkennt seine Normalität im Strom der Geschichte. Vielmehr zeigt sich: Bosheit ist immer wieder Ausdruck organisierter Machtentfaltung und kollektiver Verrohung, oft getarnt als Ordnung, Mission oder Fortschritt.

  • Diktaturen des 20. Jahrhunderts (Nazideutschland, Stalinismus, Rotes-Khmer-Regime) gelten heute als Paradebeispiele systematisierter Bösartigkeit. Hier wurde der Mord industrialisiert, der Mensch entwürdigt, das Gewissen ausgeschaltet. Millionen Menschen fielen ideologisch motivierter Gewalt zum Opfer – nicht selten mit bürokratischer Präzision und logistisch durchdachter Effizienz.
  • Kolonialismus und Sklaverei sind weitere historische Großverbrechen, die lange Zeit beschönigt oder ausgeblendet wurden. Doch gerade in den kolonialen Gewaltakten Europas – von der systematischen Ausbeutung Afrikas über Völkermorde in Namibia bis zur Versklavung ganzer Bevölkerungen – zeigt sich das Böse nicht nur als Ideologie, sondern als ökonomische Kalkulation. Hier verband sich menschliche Gier mit strukturellem Rassismus zu einer über Jahrhunderte wirksamen Unrechtsordnung.
  • Die Nürnberger Prozesse markieren einen historischen Wendepunkt: Zum ersten Mal wurde versucht, individuelles Handeln in einem totalitären System juristisch wie moralisch zu erfassen. Führende Nationalsozialisten wurden nicht als Kranke oder bloße Befehlsempfänger behandelt, sondern als verantwortliche Täter – und damit wurde der Grundstein für heutige Menschenrechtsgerichtsbarkeit gelegt.

Auch andere Grausamkeiten der Geschichte – von den Gulags über die ethnischen Säuberungen auf dem Balkan bis hin zu aktuellen Despotien – machen klar: Das Böse ist keine historische Ausnahmeerscheinung, sondern eine immer wiederkehrende Option im politischen und sozialen Handeln. Häufig entsteht es dort, wo ideologische Systeme Empathie und individuelle Verantwortung ausschalten – und wo Menschen sich selbst in Strukturen verlieren.

Bösartigkeit in der Religion – Antichrist, Dämonen, dunkle Engel

In religiösen Weltdeutungen nimmt das Böse eine zentrale Rolle ein – nicht nur als moralische Kategorie, sondern als metaphysisches Gegenprinzip zum Guten. Besonders in den abrahamitischen Religionen (Judentum, Christentum, Islam) wird das Böse häufig personalisiert dargestellt: als Teufel, Antichrist, Dämonen oder gefallene Engel. Diese Figuren sind dabei nicht bloßer Aberglaube, sondern Ausdruck einer tieferen anthropologischen und spirituellen Annahme – dass das Böse nicht zufällig entsteht, sondern in jedem Menschen herausgefordert wird.

Im Christentum steht der Antichrist für eine endzeitliche Macht, die sich mit List, Täuschung und zerstörerischer Autorität gegen Christus wendet (vgl. Offenbarung des Johannes). Er ist nicht nur eine symbolische Figur, sondern ein reales Gegenmodell zum Erlöser – das Böse in charismatischer Maske. Dämonen und gefallene Engel wie Luzifer verkörpern die Abkehr vom göttlichen Willen: einstige Lichtwesen, die aus Stolz, Neid oder Rebellion aus dem Himmelreich verstoßen wurden. Ihre Existenz verweist auf einen Kern religiöser Botschaft: Bösartigkeit ist nicht angeboren, aber möglich – durch Entscheidung, Eitelkeit, Willensverzerrung.

Auch im Judentum findet sich das Konzept einer inneren Spannung: Der Jetzer ha-Ra („böser Trieb“) steht dem Jetzer ha-Tow („guter Trieb“) gegenüber. Jeder Mensch trägt beides in sich. Das Leben besteht darin, Gutes zu wählen – das Böse ist dabei ein Teil der menschlichen Freiheit, nicht ein übermächtiges Schicksal.

Im Islam wiederum ist Iblis (auch: Shayṭān) der Widersacher Gottes, der sich weigert, sich vor Adam zu verbeugen – ein Akt des Stolzes und der Auflehnung. Seine zentrale Versuchung gegenüber dem Menschen: Er tarnt das Böse als Gutes (vgl. Sure 7, Vers 16-17). Während der Mensch Fehler machen darf, zeigt sich das eigentliche Böse in der Verweigerung von Reue und der bewussten Irreführung anderer.

Religiöse Vorstellungen vom Bösen sind also keine irrationalen Mythen, sondern vielschichtige Ethikmodelle: Sie erklären nicht nur das Dasein von Bösartigkeit, sondern appellieren zugleich an Verantwortung, Entscheidungsspielraum und spirituelle Wachsamkeit. Der Teufel erscheint weniger als Wesen mit Hörnern – sondern als innere Möglichkeit: Der Moment, in dem der Mensch aufhört, gut sein zu wollen.

Böse in der Kunst – Faszination des Grauens

Die Darstellung des Bösen übt in der Kunst seit jeher eine starke Faszination aus. Ob in der bildenden Kunst, der Literatur oder der Plastik – Künstler verarbeiten das Thema auf vielfältige Weise, um mit dem Grauen, der Dunkelheit und der moralischen Ambivalenz des Bösen zu ringen.

In der bildenden Kunst hat sich die Darstellung des Bösen im Lauf der Jahrhunderte stark gewandelt: Von dämonischen Gestalten, Teufeln und Höllenszenen im Mittelalter und der Renaissance (wie bei Hieronymus Bosch) über heroisch-pathetische Kriegsszenen in Barock und Klassizismus bis zur kritischen und oftmals symbolisch-düsteren Auseinandersetzung in der Moderne und zeitgenössischen Kunst. Das Böse wurde zunehmend nicht nur als äußere Bedrohung, sondern auch als innere, menschliche Abgründe sichtbar – es wird „ästhetisiert“ und erhält manchmal sogar eine schöne, faszinierende Gestalt, die zugleich abstößt und anzieht.

In der Literatur zieht sich die Faszination des Bösen durch alle Epochen und Gattungen. Klassiker wie Goethes „Faust“ bearbeiten die Verführung durch dunkle Mächte und moralische Zwiespälte, während die Schauerliteratur des 19. Jahrhunderts (Edgar Allan Poe, E.T.A. Hoffmann) Angst und Grauen in psychologische Tiefen verlagert. Das Böse wird hier oft als ambivalente Kraft dargestellt, die nicht nur zerstört, sondern auch zum Spiegel der menschlichen Seele wird.

In der Plastik und Skulptur sind Dämonen, Teufel und groteske Mischwesen eine lang etablierte Bildsprache, die das Böse zu greifbaren, oft furchterregenden Wesen macht. Diese dreidimensionalen Werke bannten das Unheimliche in eine physische Form und laden Betrachter ein, sich unmittelbar mit den Grenzen zwischen Gut und Böse auseinanderzusetzen.

Insgesamt erzeugt die künstlerische Darstellung des Bösen eine Spannung zwischen Abstoßung und Anziehung. Sie fungiert als ästhetische Inszenierung des Grauens, die einerseits das tief verinnerlichte Schreckbild des Bösen hervorruft, andererseits die Neugier auf das Dunkle und Verbotene weckt. Diese Ambivalenz macht die Faszination des Bösen in der Kunst bis heute lebendig und relevant.

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Fazit

Bosheit ist kein Randphänomen, sondern ein wiederkehrendes Element menschlicher Geschichte, Gesellschaft und Psychologie. Sie zeigt sich nicht nur im offenen Hass, sondern oft in Gleichgültigkeit, Gedankenlosigkeit und institutionalisierter Kälte. Das Böse tritt selten dramatisch auf – es wächst im Schatten der Normalität, in der Anpassung, in der überlagerten Geschäftigkeit von Systemen, die Moral durch Funktionalität ersetzen.

Weder lässt sich das Böse allein auf „kranke Individuen“ abwälzen, noch darf man es als fatales Resultat von Strukturen bagatellisieren. Die Nürnberger Prozesse, psychologische Experimente und theologische Modelle zeigen: Individuum und System sind stets ineinander verschränkt. Verantwortung ist nicht delegierbar – sie beginnt im Denken, im Urteil, im Verhalten jedes Einzelnen.

Der wirksamste Schutz gegen das Böse ist darum nicht Gesetz, Technik oder Bürokratie, sondern bewusste Reflexion, gelebte Empathie und der Mut zur Zwischenfrage. Bosheit entsteht, wo niemand mehr fragt – aber alle funktionieren. Zivilcourage, moralische Bildung und die Fähigkeit zur Selbstkritik sind keine Extras, sondern die zivilisatorische Antithese zum Bösen.

Ob als verführerische Ideologie, als bürokratische Routine oder als verdrängte Verantwortung – das Böse bleibt eine Herausforderung unserer Zeit. Widerstand beginnt mit Bewusstheit.

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