Schulfach Fotografie?

Es war wieder mal ein Podcast, den ich zwar als erweiterter Hobby-Fotograf gehört habe – Andy Scholz im Gespräch mit Frank Schumacher.

Frank Schumacher, Leiter Abteilung Fotografie am Lette-Verein in Berlin, spricht sich für Schulbildung im Fach Fotografie aus – und ich kann ihm hier nur beipflichten. Warum? Hierfür gibt es mehrere Gründe:

Erlangung Medienkompetenz

Machen wir uns nichts vor, in Sachen Medienkompetenz hat so ziemlich jeder noch offene Baustellen, sei es bewusst oder unbewusst.

Dass die Medienlandschaft – so quantitativ vielfältig sie auch sein mag – trotzdem in den Händen Weniger liegt, hat kaum jemand so treffend auf den Punkt gebracht, wie Volker Pispers.

Aber das ist nur ein Aspekt in der Medienkompetenz. Hinzu kommen so Phänomene, wie ich sie bereits angesprochen habe, die Filterblase zum Beispiel.

Extrem wirkmächtig sind Bilder, zumal der Mensch i.d.R. visuelle Präferenzen aufweist. Daher ist eine besondere Kompetenz im Umgang mit Bildern besonders wichtig.

Urheber

Wer ist der Urheber eines Bildes? War es früher üblicherweise ein Pressefotograf, dessen Aufnahmen Eingang in die Berichterstattung gefunden haben, kann es heute jeder Besitzer eines Smartphones sein.

Nachdem die Bildqualität dieser Mobilgeräte im Laufe der letzten Jahre deutlich zugenommen hat, ist – zumindest theoretisch – die Verwendung dieser Fotos aus qualitativer Sicht nicht einmal abwegig. Aber wie sieht es inhaltlich aus?

Wer macht vom Tagesgeschehen Fotos, die den Eingang in die Berichterstattung finden? Hier kann man im Laienumfeld m.E. zwei Hauptgruppen identifizieren. Da wären zum Einen die Gaffer und zum Anderen Betroffene.

Und genau hier haben wir ein Dilemma.

Gaffer

Sie sind ein Phänomen, das vermutlich uralt ist. Neugier ist eben eine Triebfeder des Homo Sapiens Sapiens. Bekommt die Neugier aber geeignete Werkzeuge, wie eben das besagte Smartphone mit Online-Anbindung an das Internet, wird aus der weitestgehend harmlosen1 Neugier eine Botschaft mit Potential.

Zeigt man als Gaffer Aufnahmen von bestimmten Situationen, ist dies bereits thematisch an die Präferenzen der eigenen Neugier gebunden. Interessieren mich eher Unfälle oder vielleicht doch eher Obdachlose in der Innenstadt?

Hat man präferierte Themen, so schärft sich natürlich der Blick auf genau diese Situationen und man transportiert die Berichte hierzu ohne die Relativierung, die notwendig wäre, um die Häufigkeit der Situationen oder auch deren Ausmaß angemessen wiederzugeben. Schaut her, schon wieder ein Unfall mit so-und-soviel Beteiligten2, schon wieder ein Fahrzeug der Marke XY u.s.w.

Aus der eigenen Interessensbubble wird ein ungebremster Informationsstrom.

Ohne die Möglichkeiten des World Wide Web wäre das ein Gespräch am Stammtisch, bei dem fast jeder Informationsempfänger den Informationssender einschätzen und den Informationsgehalt bewerten kann. „Ja, der oder die Person kennen wir ja. Von ihr kommen immer solche Meldungen, ist halt ihr Hobby.“

Viel schwieriger ist es aber, Informationsgeber ohne persönlichen Kontakt einzuschätzen. Natürlich bekommt man irgendwann mit, welches Geistes Kind jemand ist, aber es dauert erheblich länger.

Betroffene

Die Neugier als Gaffer ist ein Blickwinkel, der zwar interessensgebunden ist, aber im Wesentlichen zwar nicht quantitativ aber inhaltlich immer noch relativ objektiv daher kommt.

Melden sich Betroffene, gibt es klare Ziele in den ausgesendeten Informationen, die aber oftmals nur schwer zu durchschauen sind.

Ich spreche hierbei noch nicht einmal unbedingt von einer gezielten Lüge – was natürlich auch in die Auswahl der Möglichkeiten einfließen sollte – es geht um das Selbstbild in der Situation, um Beweiskraft von Aussagen, Schuldzuweisungen usw.

Betroffene sind hier oft schlechte Informationsgeber, zumal sie nicht unbedingt preisgeben, inwieweit sie in die Situation involviert sind.

Glaubt man der Story eines Betroffenen ohne Wissen in die Verwicklung des Informationsgebers, stellt sich die Frage nach Gegendarstellungen oft erst gar nicht. Ein Dilemma.

Informationsempfänger

Wenn man von Medienkompetenz spricht, ist damit die Kompetenz des Informationsempfängers gemeint. Wer nutzt also die angebotenen Informationen?

Privatnutzer

Da wäre natürlich erst einmal der Privatnutzer, also jeder, der Zugang zu der bereitgestellten Information hat.

Da hätten wir bereits das nächste Problem. Auf welchen Kanälen erreichen mich welche Informationen?

Bereits bei der Auswahl der Social Networks gibt es eine gewisse Bandbreite, sei es nun das blaue F mit diversen Untergruppen, Business Networks mit X und L, oder aber Gruppen in Messengern, deren Einstufung als Social Network noch nicht wirklich begriffen wurde.

Es spielt also eine große Rolle, über welchen Kanal die Information mich erreicht, welcher technischen Wissensstand mir welche Zugänge ermöglicht oder welches Verständnis über das individuelle Filtern von Informationen durch die Social Media Konzerne vorliegt.

Als Informationsempfänger bin ich also schon auf dem Empfangsweg durchaus vorgeprägt. Das Interpretieren der Information ist also hier noch gar nicht enthalten.

Das wäre also der nächste Schritt in der Informationsempfangskette.

Im Prinzip könnten man die Argumente der „Gaffer“ hier bereits wiederverwenden. Interessiert mich das Thema, kann ich es wirklich qualitativ und quantitativ einschätzen? Kann ich die Information – oder das Bild – richtig deuten und verstehe Subtexte?

Journalisten

Vielleicht ist es der Preisdruck, Kostenthemen, Konzernvorgabe oder auch zu erfüllende Schlagzahlen – Journalisten bedienen sich scheinbar immer öfter Meldungen aus Social Networks.

An sich ist das nicht einmal verwerflich, sollte man sich doch jeder Quelle bedienen, derer man habhaft werden kann. Wirklich spannend ist jedoch, wie mit den Informationen umgegangen wird. Werden die Zusammenhänge geprüft? Werden die gefühlten „Häufungen“ von Meldungen in einen statistisch relevanten Kontext gebracht? Werden die Intensionen der Quellen analysiert und relativiert?

Gehen wir davon aus, dass es oft der Fall ist. Dass aber auch immer wieder Meldungen überbewertet werden und eben keine ordentliche journalistische Arbeit gemacht wird, zeigt die Überrepräsentation bestimmter Themen, die dann oftmals auch sich als „bad news“ und somit Quotenbringer erweisen.

Foto als Information

Wenn ich von Informationen spreche, schließe ich natürlich das Foto mit ein. Es ist schließlich einer der direktesten Kanäle in der Informationsvermittlung, unabhängig davon, wie bewusst es dem Informationsgeber ist.

Welchen Informationsgehalt weisen nun aber Fotos auf? Wie objektiv sind sie? Wie glaubwürdig sind sie?

Spricht man mit Menschen ohne tiefgreifende Kenntnis der Fotografie, wird das Bild aus der Kamera als das angesehen, was in der Realität passiert ist, ein Schnappschuss eben. Ist das aber der Fall?

Mitnichten. Selbst wenn der Urheber des Fotos „lediglich“ auf den Auslöser gedrückt hat, wurde bereits die Bildaussage bestimmt. Ich möchte (noch) nicht einmal von Manipulation sprechen, auch wenn es hier bereits so gesehen werden kann. Blickwinkel, Bildausschnitt sind vom Urheber bestimmt und somit Teil seiner Wahrnehmung, die wir auch als Solche begreifen müssen.

Werden von Bildern nur Ausschnitte gezeigt, kann dies ebenfalls bereits einen Eingriff auf die Bildaussage und die Glaubwürdigkeit darstellen. Wir müssen dem Urheber und/oder Bearbeiter einfach glauben.

Fotos können ohne Probleme aus dem zeitlichen und räumlichen Bezug genommen werden. War das Gemetzel jetzt wirklich im Land A oder doch B oder gar C?

Nachdem die Bildqualität digitaler Aufnahmen keinen zeitlichen Veränderungen unterliegt, wird es immer schwieriger, zeitliche Diskrepanzen zu erkennen. Eigentlich müssten zu jedem Foto manipulationssicher die Rohdaten zur Analyse bereitgestellt werden, um Bearbeitungen sowie Raum- und Zeitbezug sicherzustellen.

Das sind erst einmal nur relativ offensichtliche Probleme, in die man als Betrachter von Fotos hineingeraten kann und bei der Interpretation berücksichtigen sollte. Aspekte der Fototechnik sind hier noch gar nicht erwähnt worden.

Ich muss also Frank Schumacher absolut recht geben, Fotografie gehört definitiv schon allein aus dem Aspekt der Medienkompetenz in die Schule, als Gestaltungswerkzeug mit seinen vielfältigen Möglichkeiten natürlich auch.

 

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