Jobranking – Ursache für Fachleutemangel?

Über das Thema „Jugend“ habe ich mich ja erst kürzlich ausgelassen. Jetzt schlug ein Beitrag auf YouTube in eine weitere Kerbe, die es zu Beleuchten gilt.

Frau Dr. Steffi Burkhart hat ein paar interessante Aspekte über die künftige Arbeitswelt zusammengetragen, die ich durchaus unterschreiben kann. Allerdings spricht sie nur für ein bestimmtes Klientel, die typischen Bürojobs, „Schreibtischtäter“.

Für dieses Klientel sind die angesprochenen Themen ziemlich weit erörtert. Aber wie schaut es mit anderen Bevölkerungsschichten aus? Wo wird das Handwerk beleuchtet? Wo wird Ursachenforschung für diese Menschen betrieben?

Hier geraten wir in eine spannende Schieflage. Wir sägen uns den potentiellen Nachwuchs auf verschiedene Weisen ab.

Jobranking

Egal wohin man schaut, es wird in der Medienlandschaft1 ein virtuelles Jobranking dargestellt, bei dem ein paar wichtige Kennziffern fehlen.

Ganz oben im Ranking stehen Jobs wie Influenzer, „irgendwas mit Medien“, Spieleentwickler. Die Kennziffer Auftretenswahrscheinlichkeit mit minimal über Null fehlt. Präsentiert wird das Einkommen von einigen Wenigen, ihr persönlicher Einsatz und Aufwand, ihre soziale Einbindung und das erforderliche Glück werden komplett ignoriert.

Gezeigt wird ein Spinnwebdiagramm mit Aspekten, die ein Job mitsich bringt.
Qualitative Darstellung von 6 Berufsbildern anhand der von Faktoren, die diese Berufsbilder auszeichnen

Schauen wir uns doch ein paar Faktoren an, die im Diagramm aufgeführt sind:

potentielles Einkommen

Was man potentiell im jeweiligen Job verdienen – nein bekommen kann – variiert sehr stark und ist von den meisten der anderen Faktoren abhängig. So geht ein potentiell hohes Einkommen ja immer mit einem nicht zu verachtenden Risiko einher, erfordert üblicherweise ein hohes Maß an Glück und verträgt sich nur sehr selten mit einem guten Sozialgefüge. Natürlich hängt das potentielle Einkommen auch an der Zahl der Verfügbaren Stellen und – notwendiges Talent vorausgesetzt – an angebotenen Fachkräften.

Risiko

Hohes potentielles Einkommen hängt fast immer mit einem immensen Risiko zusammen. Das kann sich gesundheitlich äußern2, juristisch/finanziell3 oder auch in der Dauer der Unternehmung4 kein reiner Selbstläufer. Besondere Risiken gibt es eben überall, wo besondere Einkommen erzielt werden – aber auch bei besonders niedrigen Einkommen.

Ruhm, Anerkennung

Für den Pflegeberuf wurde zwar viel geklatscht, den Oscar beziehen aber nur ein paar wenige Menschen, genau wie ein Coverbild auf der Forbes. Stars und Sternchen, A-Z Promis erlangen Ruhm, Anerkennung und Bekanntheit in einem extremen Maße, was aber auch nicht unbedingt „gesund“ ist. Ruhm und Risiko hängt genauso zusammen, wie Kurt Cobain und die Schrotflinte oder Amy Whinehouse und der Alkohol & Drogencocktail.

Glücksbedarf

Je nach Branche ist eine große Portion Glück erforderlich, um eine Stelle überhaupt zu bekommen. Glück ist zwar kein Ersatz für Talent, aber extrem hilfreich und sollte nicht unterschätzt werden.

Zeitgeist

Manche Jobs oder Berufe unterliegen einem Zeitgeist. Philosoph scheint bis auf ein paar Ausnahmen keiner mehr wirklich werden zu wollen, ebenso wenig wie scheinbar Handwerker. Liegt es am Alter der Berufe oder an der Überhöhung durch Randerscheinungen wie „Superstar“, „Topmodel“, „Influencer“ oder „irgendwas mit Medien“?

Der Zeitgeist ist ein kraftvoller, wenn auch unlogischer Faktor in der Berufswahl. Ansich sagt er nichts aus, bremst aber in vielen Fällen die Jobsuche.

verfügbare Stellen

Hier sind wir bei einem Faktor, der in der Debatte um Fachkräftemangel sehr interessant wird. Viele Stellen sind verfügbar, werden aber wegen mangelndem Zeitgeist, Ruhm und Anerkennung, Sozialverträglichkeit etc. nicht wahrgenommen. Oder ist es vielleicht auch Publicity, die hier nicht ausreichend wirksam wird?

Aufwand

Welcher Aufwand ist heute noch zumutbar? Welcher führt zu einem bestimmten Einkommen? Hier streiten sich die Geister. Fragt man erfolgreiche Influencer, werden die Stunden nicht gezählt, was dann aber auch ein entsprechendes Einkommen generiert.

Leider wird der erforderliche Aufwand fast immer mit „den anderen“ verglichen, eine hinkende Angelegenheit. Man vergleicht sich nur selten mit „seinesgleichen“, sondern dem „Selfmademillionär“ oder dem Luxuserben oder aber dem einen Ausnahmetalent.

Bedarf

Wie viele Influencer werden eigentlich gebraucht? Wie viele Topmodels? Wieviele Pflegekräfte und Ärzte? Wie viele BWLer?

Denkt man hierüber nach, könnte das Missverhältnis auffallen, zwischen denen, die die Positionen anstreben und der notwendigen Anzahl, um die Gesellschaft am Laufen zu halten.

Sozialverträglichkeit

Wie familienkompatibel ist eine Position, ein Job bzw. Beruf? Immerhin hier haben die Menschen auch durch Corona eine gewisse Normierung im Verständnis bekommen – was jedoch bei Führungskräften in gewissen Branchen scheinbar nicht überall ankommt. Folge? Nachwuchsmangel, Fachkräftemangel – jedoch hausgemacht.

Talent, Können

Den Zertifikatewahn hat Frau Dr. Burkhart ja schon angesprochen. Die Wurzel dieses Übels liegt aber viel tiefer.

Zertifikate werden über Talent und Können gestellt, Abschlüsse über die Fähigkeiten, Tätigkeiten ausführen zu können. Dieser Wildwuchs hat zumindest in den letzten 20 Jahren immer mehr zugenommen, was auch mit dem nachstehenden Faktor Technologieabhängigkeit einhergeht.

Wir brauchen immer mehr Tools für Tätigkeiten, die es „zu vereinfachen“ gilt, oder „zu erleichtern“. Dabei verschiebt man nur Kraft in Richtung Knowhow und hängt ganze Bevölkerungsschichten ab.

Technologieabhängigkeit

Sie war eigentlich meine Ausgangsüberlegung. Durch den Zwang, bestimmte Technologien bedienen zu müssen, haben wir uns in ein Abhängigkeitsverhältnis manövriert, was zu überdenken ist.

Muss eine Drechselbank CNC gestützt arbeiten? Müssen wir wirklich alles dokumentieren und uns von Computern und Wolken abhängig machen? Leben Kühe mit Bluetooth-Ohrmarken tatsächlich besser oder bluten sie letztlich genauso im Schlachthof aus, wie Tiere mit Plastikscheiben?

Denken wir einfach mal nach, analysieren und – das wäre das Wichtigste – ziehen wir Konsequenzen. Nivellieren wir die Faktoren neu aus und schreien nicht nur „Fachkräftemangel“. Oft sind es nämlich gar nicht die Stellen selber, die zur Nichtbesetzung führen, sondern die Bedingungen, unter denen man arbeiten soll.

Ob ich alle Faktoren aufgelistet habe? Mit Sicherheit nicht! Ich würde mich nicht einmal trauen, ihnen ein Ranking oder eine Wertung zu geben. Allein, sie haben sich in meine Gedanken eingegraben und stellen eine kleine Sammlung dar, die es zu vervollständigen gilt.

Ich habe fertig.

 

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