a number of owls are sitting on a wire

42needles – Die Leiden der Voodoo-Puppe: Therapieversuch Markus Söder

Der Raum ist dunkel, nur das Flackern meiner Kerzen wirft tanzende Schatten an die Wände. Der Geruch von Wachs, Rauch und altem Stoff liegt in der Luft. Ich, eine geplagte Voodoo-Puppe, sitze im Kreis aus Kreide, die Nadeln vor mir wie ein Arsenal des Schmerzes. Heute weiß ich: Es wird besonders anstrengend. Mein Ziel ist Markus Söder, jener Politiker, der wie ein Trachtenanzug auf zwei Beinen durchs Land marschiert – glänzend gestärkt, ein wenig zu eng genäht und an jeder Naht kurz vorm Zerreißen. Jeder seiner Auftritte wirkt wie eine Mischung aus Heimatfilm, Instagram-Filter und sakralem Theaterdonner.

Damit aus diesem CSU-Leitwolf vielleicht irgendwann ein menschlicheres Wesen wird, muss ich meine eigene Watte opfern, meine Fäden verdrehen, mich selbst verbrennen. Doch bevor der erste Stich gesetzt wird, spreche ich eine Diagnose – ein Beschwörungsritual gegen seine politischen Dämonen.

„Faden zieh, Nadel stich, Ego schrumpf – doch schone mich nicht.“

Zuerst erhebt sich der größte Schatten: das überzogene Ego. Ich sehe ihn vor mir, wie er Räume betritt, als wären sie eigens für ihn geschaffen. Ein Mann, der keinen Schritt geht, ohne dass ein unsichtbarer Applaus seine Bewegungen begleitet. Kein Volksfest ohne Selfie, kein Bierzelt ohne Rede, kein Staatsakt ohne seine Gestalt im Zentrum. Dieses Ego ist so überladen, dass ich in meinem Kerzenkreis schwören könnte, nachts pumpe sich ein unsichtbarer Schlauch in seine Brust.

Während ich Watte aus meinem Bauch reiße und sie im Kerzenfeuer verglühen lasse, wünsche ich mir, dass er ein kleines Stück schrumpft – dass er einmal im Schatten stehen kann, ohne das Licht sofort wieder an sich zu reißen.

„Rauch in die Lungen, grün in den Sinn – Natur ist mehr als Plakatgewinn.“

Kaum verlischt die Flamme, die diese Opfergabe verschlungen hat, steigt das nächste Problem auf: sein fragwürdiges Verhältnis zur Natur. Söder liebt Bäume – zumindest dann, wenn sie im Hintergrund eines Wahlplakates glänzen. Zwischen sattgrünen Kronen und strahlendem Himmel posiert er, als sei Bayern ein Freilichtmuseum für seine Inszenierungen. Doch wenn es um Windräder, Solarfelder oder den Schutz der Lebensgrundlagen geht, wirkt er wie ein Wanderer, der lieber Panoramen auf Instagram postet, als den Wert der Natur zu begreifen.

Ich atme Rauch in meine Stofflungen, lasse ihn dort brennen, bis er die Fäden schwärzt. Vielleicht spürt er irgendwann, dass Flüsse und Wälder nicht Kulisse, sondern die Substanz des Lebens sind.

„Nadel zuckt, Zunge schweigt – Hass verfliegt, Vernunft sich zeigt.“

Dann zuckt mein Körper, als ein bekannter Dämon erscheint: der chronische Habeck-Hass. Es ist ein Reflex, so sicher wie Donner nach Blitz. Kaum taucht Robert Habeck auf, züngelt aus Söders Mund ein Schwall aus Polemik und Spott. Dieses Ritual ist so vorhersehbar, dass es wirkt wie ein Bannspruch, der bei jeder Erwähnung ausgelöst wird. Politik verkommt so zur Bühne des Angriffs, weniger zur Kunst des Gestaltens. Ich lege Nadeln unter meine Nähte, spanne sie unter Strom und spüre den Schmerz, in der Hoffnung, dass er begreift: Hass ist ein schwaches Elixier. Debatte ist stärker, Diskussion heilender – doch dazu müsste er den Bann der Reflexe brechen.

„Fäden reißen, Funken sprühn – kleine Hände sollen blühn.“

Aus dem Rauch tritt ein weiteres Problem hervor: der verzerrte Blick auf die Wirtschaft. Söder stellt sich gern als Patron der bayerischen Ökonomie dar, doch in seinen Reden scheinen Handwerksbetriebe und Konzernzentralen zu einem einzigen Wesen zu verschmelzen. BMW, Siemens und Audi stehen für ihn auf einem Podest, während die kleinen Bäckereien, Werkstätten und Familienunternehmen im Schatten bleiben.

Ich öffne meinen Wattebauch, reiße Fäden heraus und lasse sie wie Opferbänder in die Kerzenflamme fallen. Vielleicht erkennt er eines Tages, dass das Rückgrat Bayerns nicht aus den Hochglastürmen Münchens besteht, sondern aus den Händen derjenigen, die tagtäglich schuften, ohne PR-Team im Rücken.

„Schulter knackt, Stoff zerreißt – Mitgefühl sei dein Geleit.“

Während die Flammen knistern, erinnere ich mich an die gefährliche Brille seiner Ehe-Lotterie. Wer privat mit finanzieller Sicherheit lebt, droht leicht den Blick für die Zerbrechlichkeit anderer Existenzen zu verlieren. Söder sieht die Welt durch eine Linse, die Millionen Menschen in Bayern niemals besitzen werden.

Ich verdrehe meine Stoffschulter, lasse sie knacken, bis der Schmerz meine Glieder durchfährt. Möge er begreifen, dass Empathie nicht aus Glück, sondern aus Einfühlungsvermögen geboren wird. Politik ist kein Ehevertrag, sondern die Pflicht, das Wohl aller Bürger im Blick zu behalten – auch jener, die am Monatsende ihre Münzen zählen.

„Brot zerbricht, Gabel fällt – Schluss mit PR auf diesem Feld.“

Doch die Dämonen hören nicht auf. Da ist noch der Kult ums Essen. Brathendl, Brezn, Schmalzbrot – jedes Mahl wird zur öffentlichen Liturgie, jeder Bissen zur Inszenierung, als müsse man den Genuss nicht erleben, sondern bezeugen.

Ich presse Spieße in meine Ohren, bis der Stoff reißt, um das ewige Knistern der Kameras und das Schmatzen der PR-Schau zu übertönen. Essen ist Nahrung, Kultur, ein Moment der Ruhe – kein Wahlkampf. Aber für ihn bleibt selbst das Mahl eine Bühne.

„Funken sprüh, Filter flieh – Wahrheit zeig dich, ohne Schmied.“

Und diese Bühne findet ihren verlängerten Arm in Instagram. Jedes Bild, jeder Auftritt, jede Geste wird gefiltert, gepostet, verbreitet. Die Realität schrumpft, die Pose wächst. Wer die Welt nur noch im Filterrahmen betrachtet, verliert das unverstellte Auge.

Ich entzünde meine Watte, halte sie hoch, bis sie in Funken verglüht – ein kleiner Leuchtkörper, der ihn daran erinnern soll, dass Politik mehr ist als Reichweite. Sie braucht Haltung, keine Hashtags.

„Maß sei still, Brezn weich – keine Worte, bleib nur seich.“

Schließlich der Biergarten, jener Ort, der eigentlich für Leichtigkeit steht. Doch wenn Söder eintritt, verwandelt er sich in ein Schlachtfeld. Aus Maßkrügen werden Megafone, aus Brezn Schlaginstrumente.

Wo andere Entspannung suchen, beginnt seine rhetorische Show. Ich verbiege mein Bein, bis es schief im Kerzenlicht steht, und wünsche mir, dass er lernt: Auch Schweigen kann eine politische Kunst sein – besonders im Biergarten, wo das Bier mehr Gewicht haben sollte als die Polemik.

„Nadel im Herz, Traum verglüh – bleib in Bayern, bleib im Müh.“

Über all dem schwebt wie ein Geist, der nicht weichen will, sein Kanzlertraum. Mal geleugnet, mal angedeutet, mal von anderen ins Spiel gebracht – doch stets im Raum, wie eine unsichtbare Flamme, die den Kreis wärmt. Jede Entscheidung wird davon beschattet: Gilt sie Bayern – oder der Bühne Berlin? Ich ramme mir Nadeln ins Herz, ein Opfer an die Wahrheit. Vielleicht erkennt er, dass ein Ministerpräsident sein Land führen sollte, nicht seine Träume von der Kanzlerschaft.

Am Ende, wenn die Kerzen fast heruntergebrannt sind und der Rauch schwer auf meinen Fäden liegt, ergibt sich ein Bild wie von einer überfüllten Jukebox. Jeder Reiz löst dieselben Klänge aus: Ego-Solo, Umwelt-Deko, Habeck-Bash, Millionärsbonus, Essensshow, Instagram-Post, Biergartenbrüller, Kanzlerphantasie. Meine Aufgabe als Voodoo-Puppe ist es, diese Jukebox zu verstimmen – mit Nadeln, Schmerzen und brennender Watte. Nur durch mein Opfer kann er vielleicht heilen. Und wenn die letzte Flamme verlischt, bleibt die Hoffnung, dass er einen Schritt näher rückt an etwas, das er so selten kennt: ganz normale Menschlichkeit.

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