Schon Pilatus (Joh. 18,38) tat sich schwer, den Wahrheitsgehalt in Aussagen zu identifizieren – und hier gab es eigentlich nur zwei meinungsbildende Parteien, denen er sich gegenüber sah – Jesus und die Hohenpriester und Schriftgelehrten.
Um wieviel schwerer ist es daher, Pressemeldungen einen Informations- oder gar Wahrheitsgehalt abzuringen? Es gibt einfach zu viele involvierte Parteien mit klaren. mehr oder weniger offensichtlichen Zielen.
Auslöser für meine Gedanken war ein Artikel in der ZEIT, bei dem es um die Verwendung zukünftiger Antriebssysteme geht.
Wiedergegeben wird die persönliche Meinung des „VW Chef’s Herbert Diess“ zur Ineffizienz von E-Fuels.
Was sind die (ungenannten) Inhalte dieses Beitrags?
Persönliche Meinungen
Ein Maschinenbauer zweifelt an der Effizienz und Ökobilanz von E-Fuels. Das darf er gern machen. Worauf basiert diese Einschätzung? Diese Information wird uns vorenthalten.
Ich habe nichts dagegen, mir persönliche Meinungen anzuhören. Wird eine Information als Solche gekennzeichnet, steht es mir weitestgehend frei, ihr zu folgen oder zumindest Überlegungen hierzu anzustellen.
Wichtig wäre also im Beitrag gewesen, herauszustellen, ob bzw. dass es sich um eine persönliche Meinung handelt – oder möglicherweise um eine Konzerneinschätzung mit fundiertem Hintergrundwissen, Forschungsergebnissen o.ä.
Experteneinschätzungen
Genannt werden weiterhin Experten. Deutschland ist aber voller Experten, einer inflationären Bezeichnung für Personen mit besonderen, thematischen Fachkenntnissen.
Ich möchte nicht sagen, dass es keine Experten gibt. Es steht nur die Frage im Raum, wer für einen Experten gehalten wird. Diejenigen mit echter Expertise werden es in der Regel nämlich nicht tun, sie werden ihre Selbstzweifel vor das Expertentum stellen, spätestens um den Blick für Denkoptionen offenzuhalten.
Der Titel „Experte“ kommt also von anderen Stellen, z.B. Journalisten. Wer also zu einem Thema befragt wird, hängt im Wesentlichen von den Suchfähigkeiten des Journalisten ab. Schaut man auf die hohe Praktikantenquote im Mediengewerbe, lässt dies einigen Zweifel aufkommen, dass hier die richtigen Ergebnisse aus den Suchmaschinen flattern, was zusätzlich an den Algorithmen der Suchmaschinen liegt.
Im besten Falle wird also tatsächlich eine Koryphäe identifiziert, im schlechtesten Falle ein Schwätzer.
Nein, ich möchte mir über Herrn Diess kein Urteil erlauben, zu welcher Kategorie er gehört. Ich gehe von einer guten Informationslage seinerseits aus. Angesichts seiner Tätigkeit sind eigene Forschungen hierzu jedoch eher nicht zu erwarten und sein Meinungsbild von den zugetragenen Informationen abhängig.
Lobbyismus
Nicht doch schon wieder Lobbyismus. Oder doch?
Lobbyismus ist per se nicht schlecht. Schlecht ist unser aktueller Umgang damit. Es wird wieder einmal zu wenig differenziert.
Lobbyarbeit besteht in meinen Augen aus zwei Hauptaspekten, Informationsvermittlung und Interessensvertretung.
Die Volksvertreter müssen auf Fachthemen hin informiert werden, da sie selbst ja oft aus fachlich abweichenden Bereichen kommen. Zwar wird ihnen auch von den jeweiligen Fachstellen zugearbeitet, ob aber immer alle Aspekte aufgeführt wird, sei dahingestellt.
Informationsvermittlung durch die Wirtschaft ist also zunächst nicht verwerflich, da für die Firmen relevante Aspekte in den Fokus gestellt werden. Insofern sehe ich hier die Lobbyarbeit als zusätzliche Informationsquelle und gewissermaßen als „Brennglas“ auf die wirtschaftlich relevanten Themen.
Schwierig wird es dann jedoch mit der Interessensvertretung. Hier geht es dem Leitbild des Kapitalismus folgend schlicht um Gewinnmaximierung, ein Ziel, dass gesellschaftliche Probleme aufwirft. Unser Denksystem scheint nämlich Schädlichkeit von Gewinnmaximierungsansätzen nicht monetär zu bewerten. Negative Folgen von Gewinnoptimierung wird leider viel zu selten nach dem Verursacherprinzip behandelt, sondern als gesellschaftliche Grundlast betrachtet.
Informationsverteilung
Hier kommt ein weiterer Aspekt zum Tragen. Wer verteilt die Informationen und mit welchem Ziel?
Auch hier gibt es wieder eine kaum zu überschauende Menge an Themen zusammen, die einen genauen Blick auf die Informationsverteilung erfordern würden.
Wer informiert wie?
Die Bandbreite ist hoch. Von ausgebildeten Fachjournalisten mit fundierten Kenntnissen in bestimmten Sachthemen bis hin zum Quereinsteiger oder Praktikanten ist hoch, sehr hoch. Könnte man hier ein „Konfidenzlevel1“ ansetzen, wäre das sehr hilfreich.
Beim „Wie“ wird es dann auch wieder spannend. Wird stark faktenbasiert berichtet oder gespickt mit persönlichen Meinungen und Einschätzungen? Schon gibt es wieder einen weiteren Vektor in der Bewertung der übermittelten Information.
Intension
Mit welcher Intension berichtet wird, ist auch nicht immer klar erkennbar. Manchmal ist es einfach der Wunsch, über ein bestimmtes (übersehenes oder gesellschaftlich ungeliebtes) Thema zu berichten, deutlich öfter scheint mir aber auch der Zeitgeist und die Optimierung der Verkaufs-, Leser-, Follower- oder Klickzahlen dahinterzustecken.
Quintessenz für mich
Bei vielen Meldungen belasse ich es mittlerweile beim Lesen der Überschrift, um mir meine eigene Denkmaschine anzustoßen und ein eigenes Bild zu schaffen. Lese ich Beiträge dann doch komplett, weil mir zuviel Hintergrundwissen fehlt, versuche ich anhand der o.g. Aspekte den Artikel in ein Schema von Informationsgehalt und Glaubwürdigkeit zu packen. Dann wünsche ich mir einfach ein paar Hashtags hinzufügen zu können, z.B. #persönlichemeinung, #faktenbasiert oder #einfachnurclickbaiting.