Ich kann den Begriff „Leistungsträger“ nicht mehr hören. Er taucht immer wieder auf, meist in Verbindung mit Politikern, Wirtschaftsbossen oder sogenannten Visionären. Friedrich Merz? Ein Leistungsträger. Donald Trump? Sicherlich auch. Wolfgang Grupp, Elon Musk, Mark Zuckerberg? Laut ihrer Fangemeinde unersetzliche Stützen der Gesellschaft. Aber wenn ich mir anschaue, welchen Schaden diese Leute anrichten können, frage ich mich: Wo genau ist hier die Leistung?
Leistung: Arbeit pro Zeiteinheit – oder doch mehr?
Rein physikalisch betrachtet, ist Leistung das Verhältnis von Arbeit zu Zeit. Wer in kurzer Zeit viel schafft, bringt viel Leistung. Klingt einfach, ist es aber nicht. Denn nicht jede Arbeit wird gleich bewertet.
Ein Investmentbanker, der in Sekunden Millionen verschiebt, gilt als Hochleistungsarbeiter. Eine Altenpflegerin, die 14 Stunden schuften muss, um überhaupt über die Runden zu kommen, scheinbar nicht. Dabei ist ihr Beitrag für die Gesellschaft ungleich wichtiger als der eines Börsenspekulanten, der durch Algorithmen Werte vernichtet.
Körperliche vs. geistige Arbeit: Wer ist hier eigentlich elitär?
Die Bevorzugung geistiger Arbeit gegenüber körperlicher hat Tradition. Wer studiert, gilt als wertvoller als jemand mit einer Ausbildung. Die Vorstellung, dass Kopfarbeit grundsätzlich anspruchsvoller sei als Handwerk, ist absurd. Ohne Handwerker keine Straßen, keine Häuser, keine funktionierende Infrastruktur. Und doch verdienen sie meist weniger als jemand, der PowerPoint-Präsentationen für Vorstandssitzungen bastelt.
Die Abwertung körperlicher Arbeit ist ein Relikt der Klassengesellschaft, die in ihrer heutigen Form erst mit der Industrialisierung kam. Vorher hatte das Handwerk sprichwörtlich „goldenen Boden“ – ein erfahrener Schmied, Zimmermann oder Maurer war hoch angesehen und konnte ein gutes Leben führen.
Mit der Massenproduktion und dem Kapitalismus begann jedoch die systematische Abwertung manueller Arbeit zugunsten der Industriekapitäne und des Großkapitals.
Leistung und Geld: Wo ist die Korrelation?
Immer wieder hört man, dass jemand, der viel verdient, auch viel leistet. Das ist Bullshit. Spitzengehälter bedeuten nicht automatisch Spitzenleistungen. Im Gegenteil: Die größten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Katastrophen der letzten Jahrzehnte wurden von den bestbezahlten „Leistungsträgern“ verursacht – Bankenkrisen, Umweltzerstörung, soziale Ungleichheit.
Merz hat BlackRock groß gemacht, eine Firma, die Wohnraum als Spekulationsobjekt betrachtet. Musk und Zuckerberg verkaufen sich als Tech-Visionäre, während sie in Wahrheit den öffentlichen Diskurs manipulieren und gesellschaftlichen Zusammenhalt untergraben. Wo genau ist hier die positive Leistung?
Standesdünkel und das Märchen von der Elite
Die Selbstbezeichnung als „Leistungsträger“ ist oft nichts weiter als eine elitäre Pose. Eine Möglichkeit, sich von den „einfachen Leuten“ abzugrenzen und die eigene Stellung zu legitimieren.
Die Wahrheit ist: Die meisten dieser Leute würden keine zwei Wochen in einem Pflegeheim durchhalten. Sie sind keine überlegenen Wesen, sondern profitieren von einem System, das ihre Fehler verzeiht und ihre Erfolge überhöht. Und wenn sie scheitern, fallen sie weich – siehe Trump, der nach unzähligen Pleiten immer noch als „erfolgreicher Unternehmer“ gilt.
Wissen, Intelligenz und Empathie: Zählen diese Fähigkeiten überhaupt noch?
Wenn Leistung wirklich etwas mit Wissen und Intelligenz zu tun hätte, wären Wissenschaftler, Lehrer oder Ärzte die bestbezahlten Menschen der Welt. Stattdessen erleben wir eine Entwicklung, in der Lautstärke und Skrupellosigkeit mehr zählen als Verstand und Anstand.
Die eigentliche Leistungsträger unserer Gesellschaft sind die, die in Krankenhäusern, Schulen und auf Baustellen arbeiten. Nicht die, die in Talkshows sitzen und ihre eigenen Aktienkurse pushen.
Expertenwissen vs. Breitband-Know-how
Unsere Welt braucht sowohl Spezialisten als auch Generalisten. Aber wer als Experte gilt, wird oft von wirtschaftlichen Interessen bestimmt. Pharma-Lobbyisten haben mehr Einfluss als unabhängige Wissenschaftler.
Unternehmer oder Politiker mit Halbwissen werden als Genies gefeiert, während Fachleute, die über Jahrzehnte Wissen aufgebaut haben, ignoriert werden. Musk ist kein Ingenieur, sondern ein PR-Genie. Zuckerberg kein Visionär, sondern ein Monopolist. Und doch werden sie als „Leistungsträger“ bezeichnet, während echte Experten oft kaum Gehör finden.
Fazit: Zeit für eine neue Definition von Leistung
Ich will nicht sagen, dass alle hochbezahlten Manager nutzlos sind. Aber der inflationäre Gebrauch des Begriffs „Leistungsträger“ ist eine Farce. Wahre Leistung erkennt man nicht an Titeln, Einkommen oder medialer Präsenz.
Sie zeigt sich in harter Arbeit, echter Verantwortung und positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft. Und nach dieser Definition sind viele selbsternannte Leistungsträger nichts weiter als Profiteure eines Systems, das wahre Leistung oft nicht honoriert. Es wird Zeit, dass wir das ändern.